Körperbau
Bereich: Anatomie |
Thema: Körperbau - Nerven - Drüsen - Sinnesorgane - Mundwerkzeuge - Verdauung - Vermehrung |
Kennzeichnend für den Körperbau der Ameisen ist die deutliche Teilung des Körpers in Kopf (Caput), Brust (Thorax) und Hinterleib (die Gaster), wobei letztere bei allen Arten durch ein so genanntes Stielchen Petiolus, bestehend aus einem oder zwei Segmenten, vom Brustabschnitt abgesetzt ist.
Kopf
Am Kopf befinden sich die Sinnesorgane der Ameise: die großen Komplexaugen, ein Antennenpaar und die Mundwerkzeuge. Die Mundwerkzeuge der Ameisen werden dem kauend-beißenden Typ zugeordnet und "Mandibeln" genannt. Diese können je nach ihrer Aufgabe bzw. Verwendung die unterschiedlichsten Formen und Strukturen aufweisen.
Die Fühler ("Antennen") sind abgewinkelt: Auf einen aus einem Segment bestehenden Schaft folgt eine flexible Geißel, die wiederum aus einem Grundglied und einer je nach Gattung wechselnden Zahl von Geißelgliedern besteht. Ein bis vier endständige Geißelglieder können besonders groß und verdickt sein; sie bilden die Fühlerkeule.
Thorax
Der Thorax (Brust) besteht wie bei allen Insekten aus drei Segmenten: Pro-, Meso- und Metathorax; jeder dieser Abschnitte trägt ein Extremitätenpaar, also insgesamt sechs Laufbeine. Diese gliedern sich in Hüftglied, Schenkelring, Schenkel, Schiene, Fuß und Krallenglied. Der durch das Stielchenglied bewegliche Hinterleib (Abdomen) kann einen Giftapparat besitzen, der je nach Unterfamilie oder Gattung unterschiedlich gestaltet ist.
Zu den üblichen drei Thoraxsegmenten tritt bei den Hautflüglern (Hymenoptera), und damit auch bei den Ameisen, ein erstes, eigentlich dem Hinterleib angehörendes Segment. Es ist mit dem Metathorax fest verwachsen, trägt aber weder Beine noch Flügel. Häufig sitzen diesem Epinotum (= Propodeum, = Mittelsegment) hinten zwei Epinotaldornen an, die höckerartig klein und stumpf, aber auch lang und spitz ausgezogen sein können. Für einige Bilder der Thoraxkonstruktion siehe hier: Kastendetermination
Begrifflichkeiten: Thorax/Alitrunk/Mesosoma
Die klassische Formulierung: „Der Thorax der Hautflügler besteht aus den üblichen drei Segmenten plus dem darauf aufgelagerten 1. Abdominalsegment, dem Epinotum“, ist für manche Wissenschaftler unbefriedigend. So entstanden mehrere Vorschläge zu einer alternativen Benennung des Hautflügler-Brustabschnitts. Auffallenderweise betrifft dies hauptsächlich Ameisen, während für Bienen und Wespen nur selten eine andere Benennung gefordert wird.
„Alitrunk“ (deutsch und englisch gleich). Bedeutet eigentlich den Körperabschnitt eines Insekts, dem die Flügel ansitzen. Von manchen englischsprachigen Myrmekologen als alternative Bezeichnung für den Ameisenthorax vorgeschlagen. Kritik: Bei den meisten Ameisen, den Arbeiterinnen, trägt der Alitrunk keine Flügel.
„Mesosoma“ (deutsch und englisch gleich). Wörtlich „Mittelkörper“. Ist neuerdings sehr in Mode gekommen. Kritik: Der Begriff wird hauptsächlich für Spinnentiere gebraucht, wo das Mesosoma aber ganz und gar anders zusammengesetzt ist als bei Insekten. Dieser Begriff erfordert dann eigentlich auch eine Umbenennung der anderen Körperabschnitte. Allerdings: Das Prosoma wäre dann nur eine völlig überflüssige Bezeichnung für den Kopf (das Caput), wie er bei allen anderen Insekten heißt.
Auch der Bereich hinter dem Mesosoma müsste umbenannt werden, zu Metasoma, wobei dieses dann die Abdominalsegmente 2 (und ggf. 3, die Petioli) sowie die Gaster umfassen sollte. (Eine persönliche Bemerkung: Ich hoffe, dass dieser modische Schnickschnack bald wieder in Vergessenheit gerät – A. Buschinger).
Man muss sich also für Ameisen merken: Thorax = Alitrunk = Mesosoma. Das wird leider je nach Autor alternierend gebraucht.
Petiolus
Das Stielchen besteht aus dem 2. Hinterleibssegment (Petiolus), kann m.o.w. kugelförmig oder schuppenartig gestaltet sein und ist durch eine tiefe Einschnürung (Gelenk) mit dem Epinotum verbunden. Bei einigen Unterfamilien, so den Myrmicinae, folgt dem Petiolus ein weiteres Stielchenglied, der Postpetiolus, vergleichend-anatomisch ist es das 3. Hinterleibssegment. Auch der Postpetiolus ist mit dem Petiolus und nach hinten mit dem Rest des Hinterleibes gelenkig verbunden. Eine Myrmicine hat demnach drei „Wespentaillen“ (die eine Taille der Wespen und Bienen entspricht dem Epinotum-Petiolus-Gelenk).
Was hinter Petiolus bzw. Postpetiolus vom Hinterleib übrig bleibt, ist der oft kugelige Bereich, der die Hinterleibsorgane (Kropf, Mitteldarm, Hinterdarm, Geschlechtsorgane, Giftapparat) enthält. Dieser Teil wird traditionell als die Gaster bezeichnet (ein griechisches Wort für „Bauch“).
Gaster
(feminin, Singular und Plural: die Gaster)
Teil des Abdomens hinter dem Petiolus. Wird oft als Hinterleib angesehen, ist streng genommen aber nur ein Teil dessen. Die Gaster enthält fast sämtliche Organe der Ameise. Durch die Stielchenglieder (Petiolus und Postpetiolus) ist die Gaster extrem beweglich und kann bei einigen Arten senkrecht nach oben-vorn, bei fast allen Arten unter dem Körper nach vorn bis an den Kopf gebogen werden. Diese Beweglichkeit ermöglicht z. B. den Formica-Arten, ihr Gift nach vorne in Blickrichtung gezielt auf einen Angreifer zu spritzen. Bei vielen anderen Arten wird so das Gift direkt in die Wunden getupft, die mit den Mandibeln gebissen wurden.
Ableitung aus dem Griechischen: gastēr , eris, f. (γαστήρ), der Bauch, rein lat. venter, Cael. Aur. de morb. chron. 3, 8, 106 (wo griech. Akk. gastera). Wörterbucheintrag Latein-Deutsch zu »gaster«. Karl Ernst Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. Hannover 1913 (Nachdruck Darmstadt 1998), Band 1, Sp. 2905.
Drüsen
Johan Billen von der K. U. Leuven, Herausgeber der Zeitschrift Insectes Sociaux, ist ein international bekannter Experte auf dem Gebiet der Morphologie und der Ultrastrukturforschung an Ameisen. Insbesondere befasst er sich mit den exokrinen Drüsen, Drüsen also, deren Sekrete „nach außen“ abgegeben werden. Das sind u.a. Spurpheromon-Drüsen oder Drüsen in der Cuticula, aber auch Pro- und Postpharynxdrüsen, deren Sekrete über den Mund abgegeben werden. In einem Vortrag an der Universität von Ouro Preto, Brasilien, hat er im November 2009 eine Übersicht zum derzeitigen Kenntnisstand gegeben.
Billen, J. (2009): Diversity and Morphology of Exocrine Glands in Ants. – 19. Simpósio de Mirmecologia, Universidade Federal de Ouro Preto, Brazil, 6 pp.
Nicht weniger als 75 exokrine Drüsen sind bisher bei Ameisen bekannt geworden. Man unterscheidet Drüsen, die sich direkt von Epithelzellen („Hautzellen“) ableiten, und solche, bei denen eine Kanalzelle für die Ausleitung der Drüsenzellprodukte vorhanden ist. Zusätzlich können die Drüsen ein- oder mehrzellig sein und ihre Produkte direkt an der Körperoberfläche abgeben, oder in ein Reservoir, aus dem die Sekrete nur bei Bedarf abgegeben werden.
Für einige besser bekannte Drüsen werden die deutschen Namen angegeben.
Kopfdrüsen
antennal base gland (Antennenbasisdrüse)
antennal scape gland (Antennenschaftdrüse)
antennomere glands
basimandibular gland
hypostomal silk gland (Hypostomale Seidendrüse)
infrabuccal gland (Infrabuccaltasche)
intramandibular gland
mandibular gland (Mandibeldrüse)
maxillary gland (Maxillendrüse ) pedestal hair gland *
postpharyngeal gland (Postphrynxdrüse)
propharyngeal gland (Propharynxdrüse)
stipes gland
subepithelial glands *
tegumental epithelium *
Drüsen des Thorax
antenna cleaner gland
apicofemoral gland
apicotibial gland
arolium (= pretarsal) gland (Prätarsaldrüse)
basicoxal gland
basitarsal gland
coxal gland
distal femoral gland
distal femoral sac gland
distal tarsomere glands
distal tibial gland (Distale Tibialdrüse)
footprint gland (“Fußabdruck-Drüse)
gemma gland (Drüse in den Gemmae von Gamergaten)
labial (= salivary) gland (Speicheldrüse, liegt im Thorax, Ausführgang aber zum Mund)
metapleural gland (Metathorakaldrüse)
metatibial gland
propleural plate gland
prothoracic gland (Prothoraxdrüse)
proximal tarsomere glands
proximal tibial gland
subepithelial glands *
tarsomere glands
tegumental epithelium *
third tarsomere gland
tibial glands
tibial spur gland (Tibiale Spurdrüse)
tibial tendon gland
trochanter gland
Drüsen des Hinterleibes (abdominal glands)
anus gland
cloacal gland
dorsolateral glands
Dufour gland (Dufour-Drüse)
epithelial sternal gland
epithelial sting sheath gland (Epitheliale Stachelscheidendrüse)
epithelial tergal gland
lateroventral glands
male accessory gland (Männliche akzessorische Drüse) paired sternal gland
Pavan gland (Pavan’sche Drüse)
pedestal hair gland *
penis gland
petiole gland
postpetiolar gland
postpygidial gland
pygidial gland
quadrate plate gland
rectal gland (Rektaldrüse)
rectal papillae (Rektalampullen)
spermathecal gland (Receptaculardrüse)
spermatheca reservoir gland
spiracular plate gland
sternal gland
sting bulb gland
sting chamber gland
sting gland (Stacheldrüse)
sting sheath gland
subepithelial glands *
subgenital plate gland
tegumental epithelium *
tergal glands
tergosternal glands
triangular plate gland
unpaired sternal gland
valve’s gland
venom gland (Giftdrüse)
(Mit * gekennzeichnete Drüsen kommen über den ganzen Körper verteilt vor. Sie erscheinen daher in allen drei Listen, für Kopf, Thorax und Abdomen).
Der Artikel enthält einige Angaben zu den Funktionen der Drüsen. Die Anzahl der Drüsen ist zwischen unterschiedlichen Arten verschieden, wobei Ponerinen eine besondere Vielfalt von Drüsen aufweisen. So hat z.B. Pachycondyla tridentata nach Jessen & Maschwitz (1983) allein 28 abdominale Drüsen.
Die Metathorakaldrüse
Die Metathorakaldrüse der Ameisen, auch Metapleuraldrüse genannt, ist eine Sonderbildung der Formicidae. Sie sitzt an den Seiten des dritten Thoraxsegments, des Metathorax, direkt unterhalb des Epinotums (= Propodeum, = 1. Abdominalsegment) und vor dem Gelenk zum Petiolus. Über die Funktion ist noch nicht sehr viel bekannt. Das Sekret sickert aus den meist schlitzförmigen Öffnungen der eingesenkten, von Cuticula ausgekleideten Reservoire. Durch die Beinbewegungen und beim Putzen wird es auf dem Körper verteilt und wohl auch auf Nestgenossen oder Brut übertragen. Eine antibiotische, die Tiere selbst vor Infektionen schützende Wirkung ist gut belegt. Auch für Verteidigungszwecke kann das Sekret benutzt werden. Bei manchen Ameisengattungen (z. B. Camponotus) kann die Drüse fehlen. Ein Review dazu ist 2011 erschienen:
Yek, S. H. and Mueller, U. G. (2011), The metapleural gland of ants. Biological Reviews, 86: no. doi: 10.1111/j.1469-185X.2010.00170.x
- Correspondence: E-mail: syek@bio.ku.dk; szehuei@gmail.com
Die gesamte Arbeit kann man hier downloaden: http://www1.bio.ku.dk/forskning/oe/cse/formidling/videnskabelige_artikler/yek2010.pdf/
Der Astract ist online einzusehen: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1469-185X.2010.00170.x/abstract
Keywords: antibiotic secretion; ants;chemical defence; evolution;metapleural gland; recognition odour; territoriality
The metapleural gland (MG) is a complex glandular structure unique to ants, suggesting a critical role in their origin and ecological success. We synthesize the current understanding of the adaptive function, morphology, evolutionary history, and chemical properties of the MG. Two functions of the MG, sanitation and chemical defence, have received the strongest empirical support; two additional possible functions, recognition odour and territorial marking, are less well supported. The design of the MG is unusual for insects; glandular secretions are stored in a rigid, non-compressible invagination of the integument and the secretion is thought to ooze out passively through the non-closable opening of the MG or is groomed off by the legs and applied to target surfaces. MG loss has occurred repeatedly among the ants, particularly in the subfamilies Formicinae and Myrmicinae, and the MG is more commonly absent in males than in workers. MG chemistry has been characterized mostly in derived ant lineages with unique biologies (e.g. leafcutter ants, fire ants), currently precluding any inferences about MG chemistry at the origin of the ants. A synthetic approach integrating functional morphology, phylogenetic transitions and chemical ecology of the MGs of both the derived and the unstudied early-branching (basal) ant lineages is needed to elucidate the evolutionary origin and diversification of the MG of ants.
Mundwerkzeuge
http://roberto.kellerperez.com/2009/04/homology-weekly-mouthparts/#more-812
Verdauungstrakt
Proventrikulus: Der Proventrikulus („Vormagen“) ist ein bei Ameisen kompliziert gestaltetes Ventil, das den Übertritt von Nahrung aus dem Kropf in den Mitteldarm reguliert. Er ist bei den Unterfamilien und sogar bei Gattungen unterschiedlich gestaltet.
In der Regel sitzen an der Innenwand eines so genannten Kelches vier Kelchblätter (in der Bildmitte, braun, bestehen aus Chitin). Hinter einer anschließenden Kelchklappe erweitert sich der Apparat noch einmal zu einer muskulösen „Kugel“ (im Bild links unten, kugelförmig, transparent, anschließend an die 4 aneinander gelegten Blätter). Aus dieser schließlich führt ein dünnes Rohr in den Mitteldarm.
Im Bild ragt also der Proventrikulus nach rechts oben in den Kropf, links unten ist der Beginn des Mitteldarmes. Die braunen Flächen am linken und rechten Bildrand sind Teile der Chitincuticula. (Das mikroskopische Bild vom Proventrikulus einer Lasius niger - Arbeiterin wurde von Herrn Ryk Huber zur Verfügung gestellt)
Ameisenlarve
Von Ameisenlarven gibt es in der Literatur hauptsächlich mehr oder weniger gute Zeichnungen. Wie so ein Larvenkopf in Wirklichkeit aussieht, macht die folgende Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme deutlich. Sie entstand im Rahmen einer bei mir durchgeführten Diplomarbeit in meinem Labor. Die älteren Larven vieler Myrmicinae sind in der Lage, mittels der Mandibeln ihnen von Arbeiterinnen vor den Mund gelegte Futterbröckchen (Insektenteile) zu zerkleinern und dann zu schlucken.
Leptothorax acervorum, Larve des 4. Stadiums, Kopf und Mundwerkzeuge.
Lbr: Labrum = Oberlippe (ist kein Abkömmling einer Extremität)
Md: Mandibel = Oberkiefer (erstes Paar der Mundwerkzeuge, Extremitäten des 4. Kopfsegments; man beachte die Zähnchen)
Mx: Maxille = Unterkiefer (zweites Paar der Mundwerkzeuge, Extremitäten des 5. Kopfsegments)
Lbi: Labium = Unterlippe (drittes Par der Mundwerkzeuge, Extremitäten des 6. Kopfsegments, an der Basis miteinander verwachsen und so die Unterlippe bildend)
Zwischen den Spitzen der Mandibelzähne und der Maxillen befindet sich die Mundöffnung.
(Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme M. Schaefer)
A. Buschinger
Bestimmungsmerkmale
Hier gibt es eine farbige Darstellung verschiedener Bestimmungsmerkmale bei Ameisen der Gattung Pheidole aus dem Indo-Malayischen Bereich (in Englisch).
Sehr hilfreich bei Benutzung englischer Bestimmungsliteratur, weil viele Fachtermini in den üblichen Wörterbüchern nicht vorkommen.
Nicht mehr online (15. 01. 2012)! - Eswird nach einer Alternative gesucht.
A. Buschinger
Anatomie von Ameisenköniginnen: Ovarien und Ovariolen
Eine weibliche Ameise hat zwei Ovarien (abgesehen von Arbeiterinnen vieler Arten, die keinerlei Ovarien besitzen). Die Ovarien sitzen jederseits auf einem lateralen Ovidukt (seitlichen Eileiter). Die beiden (je nach Gattung kürzeren oder längeren, bei Temnothorax sehr kurzen) lateralen Eileiter vereinigen sich zu einem Oviductus communis (gemeinsamer Eileiter, unpaar), der dann nach hinten in die Vagina übergeht. An der Vereinigungsstelle der lateralen Eileiter sitzt dem Ganzen das Receptaculum seminis (Spermatheca, Samentasche) auf. Am Beispiel von Temnothorax unifasciatus sollen die Verhältnisse anhand herauspräparierter Ovarien dargestellt werden. a) Ein Königin hat zwei Ovarien mit je drei Ovariolen (= Eischläuchen). Die drei Ovariolen links gehören zum linken, die drei rechts zum rechten Ovarium. Bei älteren, funktionellen Königinnen sind die in der Gaster aufgeknäuelten Ovariolen in ausgestrecktem Zustand so lang wie das ganze Tier. Temnothorax- und Leptothorax-Königinnen (Gynen) haben fast immer 2 x 3 = 6 Ovariolen. Bei wenigen Arten sind es acht oder mehr. In Gattungen mit größeren Königinnen können die Ovarien mehrere Hundert Ovariolen umfassen. b) Eine junge Königin, die noch keine Eier legt, hat sehr kurze Ovariolen. Sie wachsen bei dieser Gattung erst nach der Paarung heran und bleiben relativ kurz, bis genügend Nahrung durch Arbeiterinnen bereitgestellt werden kann (das sind vielfach Drüsensekrete der Arbeiterinnen!). Die Produktion von Eiern ist zunächst sehr langsam. Sie wächst auf ca. 100 bis 200 in einer Sommersaison, wenn das Volk 100 und mehr Arbeiterinnen hat. c) Die Ovarien einer Arbeiterin von Temnothorax unifasciatus. Sie umfassen nur je eine Ovariole, die auch kurz bleibt. Bei Jungtieren können 1-2 Eier angelegt werden, die aber dann wieder verschwinden (resorbiert werden). Nur in Kolonien ohne Königin erzeugen Arbeiterinnen Eier, die abgelegt werden und sich zu Männchen entwickeln.
(A. Buschinger, 1.9.2006)
Anatomie von Ameisenköniginnen: Ein thorakaler Kropf
Nach Lehrbuch-Darstellungen besteht der Verdauungstrakt der Ameisen, ob Königin oder Arbeiterin, aus dem Pharynx („Schlund“, der vom Mund durch den Kopf verläuft, vgl. Abb.2), in den Ösophagus („Speiseröhre“) übergeht, der als dünner Schlauch den Thorax (modern: Das „Mesosoma“) und das oder die Stielchenglieder durchzieht, und sich im vorderen Bereich der Gaster zum wohlbekannten Kropf (= Sozialmagen) erweitert. Von dort geht es durch ein Ventil, den Proventrikulus, in den verdauenden Mitteldarm, danach in den Enddarm und zum After.
Während einer Untersuchung zum Abbau der Flugmuskulatur bei Jungköniginnen der Pharaoameise fiel uns auf, dass diese Königinnen im Thorax allmählich eine Anschwellung des Ösophagus entwickelten, die anscheinend die Funktion des „eigentlichen“ Kropfes übernahm, je mehr der Platz in der Gaster durch die anwachsenden Ovarien eingeschränkt wurde. Wir haben diese Struktur dann auch bei den Königinnen zahlreicher anderer Ameisenarten gefunden und schließlich in einer Veröffentlichung darüber berichtet:
Petersen-Braun, M.. & Buschinger, A. (1975): Entstehung und Funktion eines thorakalen Kropfes bei Formiciden-Königinnen. Insectes Sociaux 22, 51-66.
(Diese Arbeit wurde kaum beachtet, da sie, wie seinerzeit noch üblich, auf Deutsch verfasst ist. Wohl deshalb wird sie in jüngeren Büchern auch nicht erwähnt).
Die folgenden Abbildungen habe ich aus dieser Veröffentlichung eingescannt und z.T. mit ausführlicherer Beschriftung versehen.
Abb. 1: Histologischer Längsschnitt durch eine Altkönigin von Temnothorax interruptus im Winterzustand. Kopf links, nach rechts der Thorax mit dem thorakalen Kropf (thK), Petiolus und Postpetiolus sowie der Gaster mit dem üblichen gastralen Kropf (gK). Dahinter die im Winter ziemlich kleinen Ovarien und der Rest des Verdauungstraktes. Die Lücken entstehen bei der histologischen Aufarbeitung, besonders da, wo sehr schmale Verbindungsstücke wie der Hals nicht getroffen sind. Solche Schnitte entsprechen im Prinzip einer sehr dünnen (unter 1/100 mm) Wurstscheibe (Querschnitt) bzw. einer solchen Scheibe aus einer längs geschnittenen Wurst (Längsschnitt).
Abb. 2: Histologischer Längsschnitt (median-sagittal, also etwa in der Mitte, sogar der Hals ist getroffen!) durch Kopf und Thorax einer alten Königin von Leptothorax acervorum. Oes ist der bei dieser Gattung nur schwach erweiterte Ösophagus. Weitere Organe und Strukturen: M = Mund (links vom M); Ph = Pharynx (Schlund); Og, Ug = Teile des Gehirns: Oberschlund- und Unterschlundganglion; G1, G2, G3 = die drei Ganglienpaare des Bauchmarks, G3 enthält auch das Ganglienpaar des Epinotums; C1, C2, C3 = Coxen der drei Beinpaare, mit längs und (in C2) quer getroffenen Muskelchen; Fk = große, rundliche Fettkörperpakete, die sich anstelle der abgebauten Flugmuskulatur entwickelt haben: E = Epinotum, das erste Hinterleibssegment, das bei Hymenopteren dem Thorax aufgelagert ist. Die dünne Lamelle links von dem E ist eine chitinige Platte, an der die Längsmuskeln der Flugmuskulatur angesessen haben.
Abb. 3: Zeichnung der Verhältnisse in einer älteren Königin von Lasius niger. Auch hier ist ein thorakaler Kropf vorhanden.
Abb 4: Nach dieser Zeichnung haben wir ein „Funktionsmodell“ entworfen. In der Jungkönigin ist der Thorax von Flugmuskulatur erfüllt (vgl. Abb. 5), der Ösophagus ist schlauchförmig dünn, der gastrale Kropf hat die übliche Speicherfunktion. Wenn die Flugmuskulatur abgebaut und zunächst durch Fettzellen ersetzt wird, schwillt der thorakale Kropf allmählich an, weil gleichzeitig die Ovarien wachsen und Raum in der Gaster beanspruchen (zum Teil wird dieser Raum auch durch die Physogastrie, die Ausdehnung der Gaster, geschaffen). Ist der thorakale Fettkörper aufgebraucht, kann der thorakale Kropf den in dem starren Thoraxskelett frei werdenden Raum fast ganz ausfüllen. „Hungert“ eine solche Königin, d.h. der thorakale Kropf wird entleert, kann der Thorax-Innenraum durch zwei seitliche, dann anschwellende Tracheen-Längsstämme ausgefüllt werden (vgl. Abb. 6, t)
Abb. 5: Bei einem unbegatteten Jungweibchen ist der Thorax fast ausgefüllt von den mächtigen Flugmuskel-Bündeln. Der Ösophagus ist ein dünnes Rohr, desen gefaltete Innenwand allerdings bereits die Ausdehnungsfähigkeit erkennen lässt.
Abb. 6: Bei einer älteren, fertilen und gut genährten Königin der Pharaoameise nimmt der Oesophagus mit seiner Füllung den meisten Raum im Thorax ein.
(Die Nummerierung der Abbildungen stimmt nicht ganz mit der in unserer Originalarbeit überein)
(A. Buschinger, 10. Mai 2006)
Siehe auch
Weblinks
- [1] Woran man eine Königin erkennen kann. Hervorragende Darstellung mit farblicher Kennzeichnung der einzelnen Teile des Thorax bei (gynomorpher) Königin und Arbeiterin.
- Ameisenhaltung.de: Anatomie Auf dieser Seite werden die Ameisen allerdings in Familien antstatt in Unterfamilien gegliedert. Siehe hierzu auch Systematik.
- Entwicklungsstadien der Ameisen
- [2] Zwitter, Gynander, Mosaikgynander. Die wesentlichen Inhalte des threads sollten gelegentlich hier ins AWiki übertragen werden, samt Bildern. Habe im Moment leider keine Zeit dazu (23. 9.07, A. Buschinger)
- [3] Eine Übersicht von Schnappfallenkieferameisen, excellente Bilder!