Kampfverhalten von Ameisen: Unterschied zwischen den Versionen

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Alle Ameisen haben Möglichkeiten, sich zu '''verteidigen''' oder auch '''Angriffe''' auf Beute und auf andere Ameisen zu starten.
Alle Ameisen haben Möglichkeiten, sich zu '''verteidigen''' oder auch '''Angriffe''' auf [[Beute]] und auf andere Ameisen zu starten.


==Stachel und Alternativen==
Ursprünglich hatten Ameisen einen [[Stachel|Wehrstachel]] mit einer [[Giftdrüse]] und weiteren, zugeordneten Drüsen verschiedener Funktion. Der Stachel ist im Prinzip wie bei Wespen und Bienen aufgebaut.
Ursprünglich hatten Ameisen einen [[Stachel|Wehrstachel]] mit einer [[Giftdrüse]] und weiteren, zugeordneten Drüsen verschiedener Funktion. Der Stachel ist im Prinzip wie bei Wespen und Bienen aufgebaut.


Solche Stachelapparate finden sich in den ursprünglicheren Unterfamilien wie [[Myrmeciinae]] und [[Ponerinae]], aber auch bei den höher entwickelten [[Myrmicinae]].
Solche Stachelapparate finden sich in den ursprünglicheren Unterfamilien wie [[Myrmeciinae]] und [[Ponerinae]], aber auch bei den höher entwickelten [[Myrmicinae]].


In einigen Unterfamilien, so den [[Dolichoderinae]] und [[Formicinae]], wurde der Wehrstachel bis auf funktionslose Reste, oder völlig reduziert. Die Giftsekrete aus den Gift- oder auch anderen Drüsen werden verspritzt (Formicinae) oder auf Gegner aufgetupft bzw. aufgeschmiert.
In einigen Unterfamilien, so den [[Dolichoderinae]] und [[Formicinae]], wurde der Wehrstachel bis auf funktionslose Reste - oder völlig - reduziert. Die Giftsekrete aus den Gift- oder auch anderen Drüsen werden dann verspritzt (Formicinae, s. [[Acidoporus]]) oder auf Gegner aufgetupft bzw. aufgeschmiert. Bei einigen Arten genügt bereits der Geruch der Drüsensekrete um die Gegner zur Flucht zu veranlassen.


Aber auch in Gruppen mit prinzipiell funktionsfähigem Wehrstachel kann dieser in einigen Gattungen reduziert sein. Die Angriffs-/Verteidigungsfunktion wird dann von entsprechend mächtigen Mandibeln übernommen, oder es werden wiederum für die Gegner giftige oder unangenehme Drüsensekrete eingesetzt.
Aber auch in Gruppen mit prinzipiell funktionsfähigem Wehrstachel kann dieser in einigen Gattungen reduziert sein. Die Angriffs-/Verteidigungsfunktion wird dann von entsprechend mächtigen Mandibeln übernommen, oder es werden wiederum für die Gegner giftige oder unangenehme Drüsensekrete eingesetzt.
*'''Myrmicinae''' mit reduziertem Stechapparat sind die Blattschneider-Gattungen ''[[Atta]]'' und ''[[Acromyrmex]]'', sowie die Gattungen ''[[Aphaenogaster]]'', ''[[Crematogaster]]'', ''[[Messor]]'' und ''[[Pheidole]]''.
**'''''Messor''''': Seit A. Forel 1912 ist bekannt, dass in der Gattung ''Messor'' der Stachelapparat "mehr oder weniger reduziert" ist. Natürlich wurden nicht alle Arten untersucht. Das gilt aber auch für die Attini, ''Pheidole'', ''Aphaenogaster'' und ''Crematogaster''-Arten.


*'''Myrmicinae''' mit reduziertem Stechapparat sind die Blattschneider-Gattungen [[Atta]] und [[Acromyrmex]], sowie die Gattungen [[Aphaenogaster]], [[Crematogaster]], [[Messor]] und [[Pheidole]].  
Manche Arten aus diesen Gattungen verteidigen sich mit übel riechenden Sekreten; eine seinerzeit noch unbestimmte Messor-Art aus dem Mittelmeergebiet benutzt ihren stinkenden Kot zur Verteidigung.<ref>Buschinger, A., Maschwitz, U, 1984: Defensive behaviour and defensive mechanisms in ants. In: Defensive Mechanisms in Social Insects. Ed. H.R. Hermann, Praeger Publishers, xii + 259 pp./ Hier auf S. 118.</ref>


*'''Messor:''' Seit A. Forel 1912 ist bekannt, dass in der Gattung Messor der Stachelapparat "mehr oder weniger reduziert" ist. Natürlich wurden nicht alle Arten untersucht. Das gilt aber auch für die Attini, Pheidole, Aphaenogaster und Crematogaster-Arten.  
Im Zweifelsfall sollte man den [[Ameisenhandel|Händler/Anbieter]] von ''Messor''-Arten befragen. Er sollte sich informiert haben, ob seine Ameisen stechen oder sich mit unangenehmen Sekreten wehren.


Manche Arten aus diesen Gattungen verteidigen sich mit übel riechenden Sekreten; eine seinerzeit noch unbestimmte Messor-Art aus dem Mittelmeergebiet benutzt ihren stinkenden Kot zur Verteidigung.  
==Mandibel==
''Atta'', ''Acromyrmex'' und ''Pheidole'' nutzen im Wesentlichen die Beißkraft der [[Mandibel]]n zum Kämpfen. Bei den Attini sind dafür besonders die großen Arbeiterinnen zuständig, bei ''Pheidole'' die [[Soldat]]en.


(Buschinger, A., Maschwitz, U, 1984: Defensive behaviour and defensive mechanisms in ants. In: Defensive Mechanisms in Social Insects. Ed. H.R. Hermann, Praeger Publishers, xii + 259 pp./ Hier auf S. 118).  
Einige Arten setzen im Kampf ihre Mandibel besonders effektiv ein. So etwa ''[[Camponotus ligniperdus]]'', die aus ihrer Ausgangsposition kurz nach vorne ruckt, mit den Mandibeln zu beisst und anschliessend sofort wieder auf Abstand geht. Mit ihren scharfen Mandibeln können grosse Majore ihren Gegnerinnen mit einzelnen Schnitten mühelos Gliedmassen abtrennen.


Im Zweifelsfall sollte man den [[Ameisenhandel|Händler/Anbieter]] von Messor-Arten befragen. Er sollte sich informiert haben, ob seine Ameisen stechen oder sich mit unangenehmen Sekreten wehren.
Weiter existieren bei manchen obligatorischen Sklavenjägern evolutionäre Anpassung: Ihre Mandibeln sind zu effektiven Kampfwerkzeuge umgebildet. ''[[Harpagoxenus sublaevis]]'' etwa verfügt über scherenartige, nicht gezähnten Mandibeln. Bei ''[[Polyergus rufescens]]'' sind sie zum Beispiel sichelförmig und mit scharfer, fein gezähnter Schneidkante versehen. Damit können die Ameisen etwa die Kopfkapsel ihrer Gegnerinnen ohne weiteres durchdringen.


Atta, Acromyrmex und Pheidole nutzen im Wesentlichen die Beißkraft der [[Mandibel]]n zum Kämpfen. Bei den Attini sind dafür besonders die großen Arbeiterinnen zuständig, bei Pheidole die [[Soldat]]en.
==Strecken==
[[Bild:Lasius s. str. IMG 5749 Beispiel Strecken.jpg|thumb|300px|vier Arbeiterinnen von ''[[Lasius s. str.]]'' beim Strecken eines Eindringlings]]
Das '''Strecken''' koloniefremder Ameisen ist eine für die Aggressoren risikoarme Möglichkeit zum Festsetzen und anschließenden Töten einzelner Tiere. So können auch von kleineren Arten deutlich größere Gegner (''[[Camponotus herculeanus]]'' von ''[[Lasius]]''-Arten z. B.) überwältigt werden, aber auch beim [[Beutefang]] ist dieses Verhalten zu beobachten, beispielsweise bei großen Fliegen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Auch beim Sklavenraubzug, z. B. von ''[[Harpagoxenus sublaevis]]'', können die Verteidigerinnen des überfallenen Volkes, hier der Sklavenart ''[[Leptothorax acervorum]]'', durch Strecken der Angreifer wehren. Die Mittel- und Hinterbeine der Arbeiterinnen zeigen heftiges Ziehen an. Die gefährlichen Mandibeln der ''Harpagoxenus''-Angreiferin sind wirkungslos.
[[Datei:HS-Rz-Strecken.jpg]]


==Siehe auch==
==Siehe auch==
*[[Dominanzhierarchie]]
*[[Dominanzhierarchie]]
*[[Stachel]]
*[[Stachel]]
*[[Acidoporus]]
==Einzelnachweise==
<references/>
==Weblinks==
*[https://www.youtube.com/watch?v=leN3QpUaUCU Video] ([https://www.youtube.com/watch?v=mmhz4V2TbbU Zeitlupe]) von Angriffsbewegung bei ''[[Messor barbarus]]'' (youtube.com)


[[Kategorie:Fachbegriffe]]
[[Kategorie:Fachbegriffe]]
[[Kategorie:Verhalten von Ameisen]]

Version vom 26. November 2015, 14:22 Uhr

Harpegnathos saltator-Arbeiterin (unten) im Kampf mit einer Königin (oben)

Alle Ameisen haben Möglichkeiten, sich zu verteidigen oder auch Angriffe auf Beute und auf andere Ameisen zu starten.

Stachel und Alternativen

Ursprünglich hatten Ameisen einen Wehrstachel mit einer Giftdrüse und weiteren, zugeordneten Drüsen verschiedener Funktion. Der Stachel ist im Prinzip wie bei Wespen und Bienen aufgebaut.

Solche Stachelapparate finden sich in den ursprünglicheren Unterfamilien wie Myrmeciinae und Ponerinae, aber auch bei den höher entwickelten Myrmicinae.

In einigen Unterfamilien, so den Dolichoderinae und Formicinae, wurde der Wehrstachel bis auf funktionslose Reste - oder völlig - reduziert. Die Giftsekrete aus den Gift- oder auch anderen Drüsen werden dann verspritzt (Formicinae, s. Acidoporus) oder auf Gegner aufgetupft bzw. aufgeschmiert. Bei einigen Arten genügt bereits der Geruch der Drüsensekrete um die Gegner zur Flucht zu veranlassen.

Aber auch in Gruppen mit prinzipiell funktionsfähigem Wehrstachel kann dieser in einigen Gattungen reduziert sein. Die Angriffs-/Verteidigungsfunktion wird dann von entsprechend mächtigen Mandibeln übernommen, oder es werden wiederum für die Gegner giftige oder unangenehme Drüsensekrete eingesetzt.

  • Myrmicinae mit reduziertem Stechapparat sind die Blattschneider-Gattungen Atta und Acromyrmex, sowie die Gattungen Aphaenogaster, Crematogaster, Messor und Pheidole.
    • Messor: Seit A. Forel 1912 ist bekannt, dass in der Gattung Messor der Stachelapparat "mehr oder weniger reduziert" ist. Natürlich wurden nicht alle Arten untersucht. Das gilt aber auch für die Attini, Pheidole, Aphaenogaster und Crematogaster-Arten.

Manche Arten aus diesen Gattungen verteidigen sich mit übel riechenden Sekreten; eine seinerzeit noch unbestimmte Messor-Art aus dem Mittelmeergebiet benutzt ihren stinkenden Kot zur Verteidigung.[1]

Im Zweifelsfall sollte man den Händler/Anbieter von Messor-Arten befragen. Er sollte sich informiert haben, ob seine Ameisen stechen oder sich mit unangenehmen Sekreten wehren.

Mandibel

Atta, Acromyrmex und Pheidole nutzen im Wesentlichen die Beißkraft der Mandibeln zum Kämpfen. Bei den Attini sind dafür besonders die großen Arbeiterinnen zuständig, bei Pheidole die Soldaten.

Einige Arten setzen im Kampf ihre Mandibel besonders effektiv ein. So etwa Camponotus ligniperdus, die aus ihrer Ausgangsposition kurz nach vorne ruckt, mit den Mandibeln zu beisst und anschliessend sofort wieder auf Abstand geht. Mit ihren scharfen Mandibeln können grosse Majore ihren Gegnerinnen mit einzelnen Schnitten mühelos Gliedmassen abtrennen.

Weiter existieren bei manchen obligatorischen Sklavenjägern evolutionäre Anpassung: Ihre Mandibeln sind zu effektiven Kampfwerkzeuge umgebildet. Harpagoxenus sublaevis etwa verfügt über scherenartige, nicht gezähnten Mandibeln. Bei Polyergus rufescens sind sie zum Beispiel sichelförmig und mit scharfer, fein gezähnter Schneidkante versehen. Damit können die Ameisen etwa die Kopfkapsel ihrer Gegnerinnen ohne weiteres durchdringen.

Strecken

vier Arbeiterinnen von Lasius s. str. beim Strecken eines Eindringlings

Das Strecken koloniefremder Ameisen ist eine für die Aggressoren risikoarme Möglichkeit zum Festsetzen und anschließenden Töten einzelner Tiere. So können auch von kleineren Arten deutlich größere Gegner (Camponotus herculeanus von Lasius-Arten z. B.) überwältigt werden, aber auch beim Beutefang ist dieses Verhalten zu beobachten, beispielsweise bei großen Fliegen.






Auch beim Sklavenraubzug, z. B. von Harpagoxenus sublaevis, können die Verteidigerinnen des überfallenen Volkes, hier der Sklavenart Leptothorax acervorum, durch Strecken der Angreifer wehren. Die Mittel- und Hinterbeine der Arbeiterinnen zeigen heftiges Ziehen an. Die gefährlichen Mandibeln der Harpagoxenus-Angreiferin sind wirkungslos. HS-Rz-Strecken.jpg

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. ^ Buschinger, A., Maschwitz, U, 1984: Defensive behaviour and defensive mechanisms in ants. In: Defensive Mechanisms in Social Insects. Ed. H.R. Hermann, Praeger Publishers, xii + 259 pp./ Hier auf S. 118.

Weblinks