Tetramorium caespitum/impurum-Komplex
Aktueller Hinweis
In der Zeitschrift „Molecular Phylogenetics and Evolution xxx (2006) xxx–xxx“ (noch ohne exakte bibliografische Daten, da online-Vorab) ist eine Arbeit im Druck, die für die Benennung der europäischen Tetramorium-Arten Konsequenzen haben wird:
B. C. Schlick-Steiner, F. M. Steiner, Bernhard Seifert, M.Sanetra, E. Dyreson, C. Stauffer, E. Christian: A multidisciplinary approach reveals cryptic diversity in Western Palearctic Tetramorium ants (Hymenoptera: Formicidae)
(Multidisziplinärer Ansatz beweist kryptische Diversität bei west-paläarktischen Ameisen der Gattung Tetramorium)
Abstract : Diversity of ants of the Tetramorium caespitum/impurum complex was investigated in a multidisciplinary study. Focusing on morphologically hardly distinguishable Western Palearctic samples, we demonstrate the genetic and phenotypic diversity, demarcate phylogenetic entities, and discuss the clades in terms of biogeography. Sequences of 1113 bp of the mitochondrial COI gene revealed 13 lineages. COII data, worker morphometry and male genitalia morphology corroborated the COI results for seven lineages; the remaining six were disregarded because of small sample size. A comparison with published data on cuticular hydrocarbons showed correspondence.
The seven entities show different distribution patterns, though some ranges overlap in Central Europe. Since no major discrepancy between the results of the different disciplines became apparent, we conclude that the seven entities within the T. caespitum/impurum complex represent seven species. Geographical evidence allows the identification of T. caespitum and T. impurum, and we therefore designate neotypes and redescribe the two species in terms of morphology and mtDNA. As the revision of about 50 taxon names would go beyond the scope of this study, we refer to the remaining five species under code names. We discuss our findings in terms of plesiomorphy and convergent evolution by visualizing the mtDNA phylogeny in morphological space.
Ich erspare mir, diese Zusammenfassung zu übersetzen: Die ganze Arbeit ist ohnehin nur für Wissenschaftler zu verstehen. Was für den Laien (und Ameisenhalter) herauskam: Es gibt in Westeuropa (und damit in Deutschland) innerhalb dessen, was bisher unter T. caespitum und T. impurum „gehandelt“ wurde, deutlich mehr Arten als die beiden bisher gebrauchten Namen vermuten ließen.
Die Unterscheidung der nunmehr sieben zum T. caespitum / T. impurum-Komplex gehörenden Arten ist praktisch nur biochemisch-molekulargenetisch möglich, nur zum Teil auch anhand männlicher Genitalanhänge. Selbst die zwei Arten T. caespitum und T. impurum, für die neue Typen (neotypes) festgelegt werden mussten, wurden nun nicht nur morphologisch, sondern auch unter Einbeziehung von Merkmalen ihrer mitochondrialen DNS wiederbeschrieben. Die übrigen fünf bisher unerkannten Arten (alle bisher als T. caespitum oder T. impurum eingeordnet) wurden nicht formal mit Artnahmen versehen, sondern mit vorläufigen Code-Bezeichnungen.
Für die Praxis von Ameisenhaltung und Ameisenhandel hat dies die Folge, dass man die nach morphologischen Merkmalen als T. caespitum oder T. impurum bestimmten Völker korrekt nur noch als „Tetramorium sp. (T. caespitum / T. impurum-Komplex)“ bezeichnen kann (niemand wird in der Lage sein, für ein zum Verkauf bestimmtes Volk oder gar eine einzelne Königin die mitochondriale DNS zu analysieren; und es müsste jedes einzelne Volk charakterisiert werden!). Die sieben in der Arbeit unterschiedenen Arten wurden zunächst mit den Code-Bezeichnungen A bis G belegt, wobei G dann als T. impurum und F als T. caespitum identifiziert werden konnten.
Die Ameisensystematik wird nicht leichter! (A. Buschinger, 09.05.2006)
Tetramorium sp. - Code F (T. caespitum)
Tetramorium caespitum, auch Schwarze Rasenameise genannt, gehört zur Unterfamilie Myrmicinae. Die rotbraun bis dunkel braun gefärbten Arbeiterinnen sind 2-4 mm, die etwas dunkleren Königinnen 6-8 mm, und die Männchen etwa 5-7 mm groß. Auffallend ist der erhebliche Größenunterschied zwischen Königin und Arbeiterinnen. T. caespitum besiedelt offene, xerotherme Gebiete. Die Art kommt auch in Siedlungsbereichen vor und ist in Mitteleuropa heimisch. Sandböden des Tieflandes dominiert sie. Ihre Nester können mit bis zu 80.000 Arbeiterinnen sehr individuenreich sein und sind oft an einem großen Erdhaufen zu erkennen. T. caespitum verhält sich gegenüber anderen Ameisen sehr aggressiv, vor allem auch gegenüber Angehörigen der gleichen Art aus fremden Kolonien. Es gibt pro Nest nur eine Königin - die Art ist monogyn. Als Nahrung dienen Samen, Honigtau und tote Insekten; selten wird auch gejagt. Winterruhe hält T. caespitum von Oktober bis März, die Schwarmflüge finden zwischen Juli und August statt.
Weblinks
- Foto einiger Arbeiterinnen mit Nahrung
- Foto einiger Arbeiterinnen mit Geschlechtstierlarven
- Foto eines Nestauschnittes
- Foto einer Königin
Tetramorium sp. - Code G (T. impurum)
Tetramorium impurum lebt in Europa (bevorzugt im Gebirge). Diese Art ist monomorph und monogyn; die Königin sowie die kleinen Arbeiterinnen sind schwarzbraun. Das Nest wird häufig in der Erde, oftmals auch unter Steinen angelegt. Als Nahrung dienen Honigwasser, kleine Insekten und Samen. Ebenso wie bei T. caespitum sind größere Hohlräume in den Nestern von Pflanzenwurzeln durchzogen, an denen Wurzelläuse (Aphiden) leben. Ihr Honigtau dient den Ameisen als Nahrung. T. impurum hält Winterruhe und bevorzugt ein trockenes Klima. Diese Ameise ist stacheltragend, größere Völker sind kämpferisch. Tetramorium impurum ist von Tetramorium caespitum und mehreren anderen Tetramorium-Arten auch für Fachleute nur mit Mühe zu unterscheiden. Bei im Handel angebotenen "Tetramorium impurum" liegt die Chance ungefähr bei 50%, dass es sich wirklich um diese Art handelt.
Haltung
Für die Haltung von Tetramorium impurum reicht ein Becken aus, das Formikarium muss mindestens 30x20x20 cm groß sein (je nach Koloniegröße anpassen). Bepflanzung ist nicht notwendig, der Boden sollte aus Steinen und Lehm bestehen. Formikarienzubehör ist eine Lampe. T. impurum zeigt wenig Außenaktivität.