Pushen

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Dieses Thema betrifft die Halter, die eine Königin samt einer Anzahl Arbeiterinnen aus einem Freilandnest entnehmen, aber auch die Versuche, eine junge Kolonie durch Zugabe von Puppen (oder gar Larven) zu verstärken.

Man muss sich vor Augen halten, dass so eine Kolonie mit Königin, x Arbeiterinnen, y fressenden Larven und Eiern ein lebendes System darstellt, in dem die einzelnen Teile im Normalzustand in einem gewissen Gleichgewicht stehen, so wie die Organe in einem einzelnen Tier. Stört man dieses Gleichgewicht, indem plötzlich eine der Untereinheiten zu stark, oder zu gering vertreten ist, kann das Ganze instabil werden. Auswirkungen auf andere Untereinheiten sind selbstverständlich zu erwarten. (Bei Bienen gibt es Versuche dazu).

So sind die Ovarien einer Königin über die Jahre des Heranwachsens stark angeschwollen. Um die Eier darin bis zur Ablage hinreichend zu versorgen, sind Drüsensekrete von entsprechend vielen Arbeiterinnen nötig. Wird der Zustrom von Eiweiß-reichen Futtersekreten durch Reduktion der Arbeiterzahl (z.B. von 10.000 auf 500) stark gedrosselt, kann die Funktion der Ovarien beeinträchtigt werden. Es werden darin weiterhin viele Eizellen produziert, die aber nicht "richtig" mit Dotterproteinen angefüllt werden können, zum Teil degenerieren (evtl. absterben). Das kann schädlich für den ganzen Stoffwechsel der Königin sein. Oft liest man von "fetten" Königinnen, die mit nur ein paar Dutzend Arbeiterinnen eingefangen werden, und dann liest man nichts mehr darüber: Die Königin ist gestorben.

Umgekehrt verursacht die Zugabe von Larven in eine junge Kolonie Probleme bei deren Versorgung durch zu wenige Arbeiterinnen. Da haben die Völker oft ein Regulativ: Sie fressen die überschüssigen Larven oder werfen sie aus dem Nest zum Abfall.

Bei Zugabe von zu vielen Puppen, aus denen sehr viele Arbeiterinnen schlüpfen, kommt die noch junge Königin (mit evtl. noch zu kleinen Ovarien) mit der Verarbeitung von deren Drüsensekreten nicht nach. Ergebnis ist oft, dass einige Arbeiterinnen diese Proteine sozusagen bei sich behalten, oder sich gar von anderen Arbeiterinnen damit füttern lassen, und dann eigene Eier legen. Daraus entstehen männliche Larven, die wiederum in Futterkonkurrenz zu den eigenen weiblichen Larven der Königin treten.

Vieles zu diesem Thema ist nicht quantitativ erforscht, beruht eher auf einer Interpretation von gelegentlichen Beobachtungen. Aber man kann es zum Teil mit dem menschlichen Körper vergleichen: Ein Leistungssportler, der plötzlich aufhört, kann bekanntlich Herzprobleme bekommen, weil er sich ein viel zu großes Herz antrainiert hat. Bei einer leider manchmal auch bei Kindern notwendigen Nierentransplantation kann man nicht die vergleichsweise riesige Niere eines Erwachsenen einsetzen, usw..

Fazit: Wenn man schon eine alte Königin fängt, dann nur mit einer entsprechend großen Zahl ihrer Arbeiterinnen (Reduktion auf die Hälfte dürfte noch tolerierbar sein). Wenn man junge Kolonien "boosten" will, dann nur mit Arbeiterinnenpuppen, und man sollte die Zahl der vorhandenen Arbeiterinnen höchstens verdoppeln. (Falls zu wenige Arbeiterinnen vorhanden, kann man auch ein paar mehr Puppen zugeben, so dass die für das Alter der Kolonie "normale" Anzahl Arbeiterinnen erreicht oder nur wenig überschritten wird.)

Akzeptanz / Adoption fremder Puppen

Hinzugeben von Puppen (Artabhängig):

  • der gleichen Art: Meistens erfolgreich
  • der gleichen Gattung: Oftmals erfolgreich
  • der gleichen Unterfamilie: Hin und wieder erfolgreich
  • einer anderen Unterfamilie: Nur in Ausnahmefällen erfolgreich

"Pushen"

In den Foren hat sich dieser Begriff eingebürgert. Durch Zugabe von Brut, Arbeiterinnenpuppen oder Larven, will man kleine Kolonien verstärken oder die Koloniegründung beschleunigen.

Dieses Vorgehen ist durchaus möglich und kann zum Ziel führen (siehe oben). Allerdings sind dabei einige Vorsichtsmaßnahmen zu beachten:

IMMER nur Brut derselben Art zugeben! Bei manchen Arten geht es auch mit Brut einer verwandten Art (besonders bei Sklavenhaltern wie Formica sanguinea), aber für viele Artenpaare weiß man nicht genau, ob es funktioniert.

NIEMALS zu viel fremde Brut zugeben! Einer gründenden Königin sollte man nie mehr als 2-3 Arbeiterinnenpuppen zugeben. Wenn diese geschlüpft sind und alles gut geht, kann man einige Tage später ein paar weitere Puppen zusetzen. Eine zu kleine Kolonie lässt sich verstärken, wenn man ihr fremde Brut der eigenen Art zugibt; das sollte aber nie mehr als vielleicht 50 % der schon vorhandenen Arbeiterinnen sein.

In einem thread http://www.dasameisenforum.info/ Thema: "Myrmecia von Frank - bei wem klappt die gründung?" (Start 1.4.06) wird von mehreren Haltern berichtet, dass im Formikarium begattete(?) Jungköniginnen von Myrmecia pavida zunächst mit je zwei Puppen einer anderen Myrmecia-Art „gepusht“ wurden.

Trotz Eiablage und Larvenaufzucht entstanden auch nach Monaten keine M. pavida-Arbeiterinnen. Männchenpuppen wurden aufgezogen und wieder zerstört. Ob die Fehlschläge auf mangelnde Begattung der Königinnen zurückzuführen sind oder darauf, dass die zugesetzten Arbeiterinnen selbst unbefruchtete Eier legten und Larven auf Kosten der Brut der „Königin“ aufzogen, ist bisher unklar.

Nicht selten werden von Händlern auch Königinnen verschiedener Arten mit 1 oder 2 Arbeiterinnen verkauft, z.B. Camponotus ligniperda oder C. herculeanus, jedoch ohne jegliche weitere Brut (Eier, Larven). Geschieht das im Herbst bzw. im Frühjahr, ist nicht klar, ob es sich bei diesen Arbeiterinnen um den letzten Rest der ersten Brut der Königin handelt, oder ob fremde Puppen zugesetzt worden waren. Gibt der Händler nicht von vornherein diese Information preis, sollte man die Finger von derartigen Angeboten lassen!

Wie in einem Forum zu lesen war: „Pushen heißt Pfuschen“, was man ergänzen kann durch „und/oder Vertuschen“!

Auch wenn man selbst seine Lasius niger-Koloniegründung durch Puppenzugabe etwas beschleunigt, ist das ja nicht mehr ganz der normale Ablauf. Immerhin ist es nicht so riskant wie der Kauf sehr teurer, entsprechend unsachgemäß behandelter Jungkolonien/-königinnen.