Invasive Arten:Beispiel1
Wieder einmal ist eine eingeschleppte Ameise invasiv geworden, wird zur Bedrohung heimischer Arten und verursacht enorme Kosten. Zwar sind, auch wieder einmal, die USA betroffen, aber Gleiches könnte tagtäglich auch uns in Mitteleuropa widerfahren.
In den USA ist die europäische Tetramorium caespitum schon lange eingebürgert, ohne allzu viel Schaden anzurichten. Vor allem weil sie monogyn ist, fehlt ihr anscheinend das Potenzial, invasiv zu werden. 1988 tauchte in Missouri eine kleinere, polygyne Tetramorium auf, die man zuerst für eine Zwergform von T. caespitum hielt. 2002 wurde sie fälschlich als T. rhenanum identifiziert, die polygyne, am Mittelrhein vorkommende Form, die sich jüngst doch als synonym mit der eher osteurop�isch verbreiteten T. moravicum erwies. (Es hat mich immer gewundert, wie ausgerechnet diese Form nach USA gelangt sein sollte).
Erst jetzt gelang es, mit einer aufwändigen und minutiösen, geradezu kriminalistisch anmutenden "Spurensuche", die wahre Identität und Herkunft der "neuen" Ameise aus St. Louis, Missouri, aufzuklären: Es ist eine Art, die ursprünglich in Japan und China zu Hause ist. Nach USA kam sie aus Japan, hat eine Weile ein unauffälliges Dasein in den Vororten von St. Louis geführt, ist nun aber in rasanter Ausbreitung begriffen. Insbesondere durch Transporte von Erdaushub etc. werden ganze polygyne Kolonien über viele Kilometer verfrachtet.
T. tsushimae hat sich inzwischen auch in natärliche, wenig gestörte Habitate ausgebreitet. Sie hat dort bereits zahlreiche heimische Arten der Gattungen Camponotus, Formica, Myrmica und Crematogaster verdrängt, andere, v.a. baumbewohnende Arten überleben in verringerter Zahl, und unterirdisch lebende Solenopsis, Ponera und Brachymyrmex scheinen nicht beeinträchtigt zu werden. Die Art hat jedenfalls das Potenzial, sich zu einem bedeutenden Schädling zu entwickeln.
Um sie zunächst zu identifizieren und ihre Herkunft zu ermitteln, waren nicht weniger als sieben Wissenschaftler beteiligt. Proben aus China, Japan, USA und Europa waren zu beschaffen, 41 Namen umfasst die Liste der Danksagungen an andere, irgendwie durch Sammeln von Material oder hilfreiche Kommentare beteiligte Wissenschaftler; Finanzmittel mussten beantragt werden. Hunderte von Tieren wurden vermessen und vor allem mit molekulargenetischen Methoden untersucht, bis man sicher sagen konnte, woher die Art nach USA eingeschleppt worden war.
Die Veröffentlichung der Ergebnisse wird demnächst erfolgen, unter dem Titel "Tetramorium tsushimae, a new invasive ant in North America". Verfasser: F.M. Steiner, B.C. Schlick-Steiner, J.C. Trager, K. Moder, M. Sanetra, E. Christian & C. Stauffer.
Ich möchte den weniger mit wissenschaftlicher Arbeit Vertrauten damit nur einen kleinen Einblick geben, welcher Aufwand nötig ist, um allein die Hintergründe einer plötzlich neu auftauchenden Ameisen-Invasion zu klären. Damit ist allerdings nur der erste, kleine Schritt zu einer Ausrottung oder Eindämmung des Befalls getan. Eine notwendig werdende Bekämpfung kostet ein Vielfaches an Arbeit, Zeit und Geld. Deshalb: Niemals fremdländische Ameisen im Haus oder in die Natur entkommen lassen, oder gar aussetzen!!! Oder möchte jemand die Verantwortung dafür tragen, dass derart teure und mühsame Arbeiten notwendig werden? - Am sichersten ist es, nur Einheimische Arten aus der näheren Umgebung zu halten.
A. Buschinger
PS: Auch in Europa gibt es mindestens eine polygyne und polydome Tetramorium-Art. Ob es T. impurum ist, der die polygynen Populationen bisher zumeist zugeordnet wurden, ist ungewiss, da sich unter den Namen T. impurum und T. caespitum ein ganzer Komplex von Arten versteckt. So lange dies nicht endgültig abgeklärt ist, besteht auch mit dem Import bzw. der großräumigen Verfrachtung von Tetramorium-Völkern (so genannte T. grandis, T. impurum, T. caespitum werden im Handel feilgeboten) ein ganz erhebliches Risiko, eine Invasion durch Schadameisen zu starten. Ich erinnere an jüngere Hilferufe auch hier im Forum wegen Tetramorium-Befalls in Wohnhäusern!.