Beschädigte Ameisen

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Beschädigte Ameisen werden „ausselektioniert“

In den Foren ist immer wieder zu lesen, dass irgendwie beschädigte Ameisen getötet oder aus dem Nest befördert werden. Oft werden Spekulationen angehängt, wonach solche Tiere nutzlos und eine „Belastung“ für das Volk wären und deswegen beseitigt würden. Beides ist falsch! Die beobachteten Fakten sprechen massiv dagegen. Ein paar Bilder von auffallend geschädigten, missgestalteten, sicher „behinderten“ und manchmal „hinderlichen“ Ameisen, die dennoch in den Kolonien aufgewachsen sind, oder nach mechanischer Beschädigung geduldet werden, soll dies demonstrieren. Eine ausführliche Darstellung mit viel mehr Beispielen ist in der Zeitschrift der Deutschen Ameisenschutzwarte von 1999 zu finden: Buschinger, A. (1999): Behinderte Ameisen. Ameisenschutz aktuell 13, 53-65.

Die Erklärung ist, dass Ameisen weit überwiegend geruchlich orientiert sind und eine normal riechende Ameise mit Behinderungen gar nicht identifizieren können. Weiterhin kommen solche Beschädigungen und Missbildungen in der Natur nur recht selten vor. Ein eigenes Verhalten zu entwickeln um diese letztlich doch minimale Beeinträchtigung der Kolonie-Funktionen zu beseitigen, das hat sich in der Evolution wohl doch nicht als „lohnend“ herausgestellt. Sterbende Tiere (krank oder mechanisch beschädigt) und tote allerdings geben oft Geruchsstoffe ab, die einen Abtransport zum Müll auslösen (Necrophorese). Das ist bei einigen Arten experimentell nachgewiesen, z. B. aus den Gattungen Pogonomyrmex und Solenopsis. Wie weit verbreitet das Verhalten unter den ca. 12.000 Ameisenarten ist, wurde nicht untersucht. Oleinsäure ist u.a. als der Auslöser für das Wegtragen von Toten identifiziert worden. Bestreicht man eine gesunde Ameise mit Oleinsäure, so wird sie gegen ihren Widerstand zum Müll geschleppt, läuft ins Nest zurück, wird wieder weggeschleppt, usw..

Im Kampf beschädigte oder frisch tote Nestgenossinnen werden allerdings oft auch einfach verspeist bzw. an die Brut verfüttert: Beobachtet bei Pheidole-, Solenopsis-, Oecophylla- und Formica-Arten (Hölldobler & Wilson 1990: The Ants).


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Bild 1: Temnothorax unifasciatus, Arbeiterin mit 8 Beinen. Freilandfund. Rechts neben dem Kopf sitzt ein zusätzlicher Prothorax mit einem Paar zusätzlicher Vorderbeine. Das Tier lief hauptsächlich nach links im Kreis, konnte aber mit dem zusätzlichen linken Vorderbein die rechte Antenne putzen. Eine erstaunliche Kompensationsleistung!


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Bild 2: Leptothorax pocahontas, Arbeiterin, der das gesamte Stielchen fehlt (Ausfall der zwei Segmente). Aus Laboraufzucht, voll lebensfähig.


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Bild 3: Leptothorax pocahontas, Arbeiterin, der gut 2/3 der Gaster fehlen (Segmentausfall). Dafür sind die Stielchenknoten vergrößert. Aus Laboraufzucht, voll lebensfähig.


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Bild 4: Harpagoxenus sublaevis, intermorphe Königin eines sicher 4-5 Jahre alten Volkes. Freilandfund. Das Tier hat nur noch eine intakte Antenne und ein heiles Hinterbein. Die Verstümmelungen hat sie vermutlich beim Kampf um die Eroberung eines Sklavennestes erlitten. Vermutlich hat sie dabei auch mit einer konkurrierenden Jungkönigin gekämpft. Trotz der Extremitätenverluste hat sie dann ein ganz normales Sklavenhalter-Volk aufgebaut.


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Bild 5: Leptothorax canadensis, Jungweibchen mit nur zwei Beinen und zwei Hinterflügeln. Pro- und Mesothorax mit den Vorder- und Mittelbeinen sowie den Vorderflügeln sind nicht entwickelt (Ausfall der beiden Segmente). Aus Laboraufzucht, kurz nach dem Schlüpfen fixiert.