Phoridae
Scharfrichterfliegen
Zur Dipterenfamilie der Phoridae (Buckelfliegen, auch Rennfliegen) gehören zahlreiche Arten, die als Gäste oder Myrmecophile in Ameisennestern leben. Auch bei anderen sozialen Insekten kommen sehr viele Arten dieser Gruppe vor. Häufig sind sie morphologisch sehr stark abgewandelt, was besonders bei den Termitoxeniinae, Gästen von Termiten, ins Auge fällt.
Scharfrichterfliegen (engl. „decapitating flies“) wird eine Gruppe von Arten genannt, die zu den Parasitoiden gehören (entwickeln sich parasitisch im noch lebenden Wirt). Ihr Befall führt letztendlich dazu, dass die infizierte Ameise den Kopf verliert. Man versucht in Florida sogar, solche Fliegen zur biologischen Bekämpfung der Fire Ants zu züchten: http://fireant.ifas.ufl.edu/phorid.htm
Auch in Deutschland gibt es einige Arten von Scharfrichterfliegen, die einheimische Ameisen befallen. Die Fliegenweibchen schwirren über den Nestern und stoßen plötzlich herab um ihre Eier einzeln in die Gaster von Arbeiterinnen abzulegen. Laut Seifert (2007) ist hier die Gattung Pseudacteon zu nennen, die es auf Lasius-Arten und ganz besonders auf Lasius niger abgesehen hat. Ihre zum Teil überdachten Galerien soll L. niger hauptsächlich als Abwehr gegen den fliegenden Feind anlegen.
http://www.faunistik.net/PONLINE/DIPTERA/PHORIDAE/phoridae.html „In der Subfamilie Metopiniinae gibt es ebenfalls Ameisenparasiten. So schmarotzen einige Vertreter der Gattung Apocephalus im Kopf ihrer adulten Wirte. Auch die Pseudacteon-Arten sind Parasiten adulter Ameisen. P. brevicauda bevorzugt Myrmica-Arten, P. formicarium hingegen solche der Gattung Lasius.“
Eine Arbeit aus Florida bringt etwas mehr Licht in das Verhalten befallener Ameisen: D. C. Henne and S. J. Johnson (2007): Zombie fire ant workers: behavior controlled by decapitating fly parasitoids. Insectes Sociaux 54, 150-153.
”Zombie-Ameisen” also. Die Fliegen setzen ihre Eier auf umherlaufende Arbeiterinnen ab, die Fliegenlarven bohren sich in den Kopf der Arbeiterin ein, ernähren sich von den "weniger wichtigen" Muskeln etc., sparen sich das Gehirn bis zuletzt auf. Sie veranlassen die sterbende Arbeiterin dazu, aus dem Nest zu krabbeln und einen für die Fliege günstigen Platz aufzusuchen. Dann fällt der Kopf ab, die Fliegenlarve kriecht durch das Hinterhauptsloch heraus und verpuppt sich im Boden.
Bilder der Fliegen sind mit Google Bildersuche unter den Stichwörtern Pseudacteon bzw. Apocephalus zu finden, bei letzterer Gattung sogar eine Apocephalus paraponerae aus Costa Rica.
(A. Buschinger 09.08.2007)
Eine neue Arbeit (2008) berichtet über die in Deutschland bei Lasius niger parasitierende Pseudacteon formicarum. Die Fliegen werden durch Ameisensäure angelockt und legen ihre Eier in die Gaster von Arbeiterinnen. Innerhalb von nur 13-14 Tagen danach werden von Arbeiterinnen bereits abgefallene Köpfe mit Fliegenpuparien darin zum Müll getragen. Adulte Fliegen treten nach insgesamt 26-33 Tagen Entwicklungsdauer auf (Eiablage bis Schlüpfen). Stets entwickelt sich nur eine Fliegenlarve im Kopf einer Ameise.
MASCHWITZ Ulrich ; WEISSFLOG Andreas ; SEEBAUER Silvia ; DISNEY R. Henry L. ; WITTE Volker 2008: Studies on European Ant Decapitating Flies (Diptera: Phoridae): I. Releasers and Phenology of Parasitism of Pseudacteon formicarum. - Sociobiology 51, 127-140. (Untersuchungen an europäischen Scharfrichterfliegen (Diptera: Phoridae): I. Auslöser und Phänologie des Parasitismus durch Pseudacteon formicarum). Abstract Pseudacteon formicarum is a common parasitoid of Lasius niger and Lasius emarginatus in Europe exclusively parasitizing workers. At ant nests but also at trophobiosis sites the female flies pursue workers and hover closely above their gasters. Subsequently diving down they ram their sharply pointed and sabre like ovipositor into the intersegmental fold between gaster segments two and three, perforate the cuticle and lay one egg. During this their wings and legs are pulled against the body and kept motionless. Then the flies move off and continue host searching. Successful oviposition acts last one to three seconds compared to shorter unsuccessful attacks. Up to 70% of pursued workers respond to attacks with a typical defence reaction, raising on their hind legs and searching for flies with stretched antennae and opened mandibles. The flies are lured away from the nest vicinity to assemblies of disturbed workers by formic acid released from their venom glands. Secretions of other glands like Dufour or mandibular gland contents, haemolymph or trail substance from the hind gut, are not attractive. Flies are as strongly attracted by synthetic formic acid but not by acetic acid. On approaching the workers acid-attracted flies recognize them optically by size, shape and movement and identify them as suitable hosts by their body odor. Within two days after oviposition a fly larva hatches in the ant's gaster and moves into its head around the fifth day. First puparia are found 13-14 days after oviposition in detached ant heads carried by workers out of the nest to the garbage dump. 26-33 days after egg laying the first adult flies eclose. Following a diapause, hatching flies were observed 199-248 days after oviposition. Thus several fly generations per year are possible. Following multiple parasitic attacks only one fly larva reaches the ant's head.