Gesundheitliche Gefahren für Halter

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Begründung: Aufräumen --DmdM 00:33, 3. Feb. 2012 (CET)


Die Haltung von Ameisen birgt für die Halter im allgemeinen keine besonderen gesundheitlichen Risiken. Stiche durch in Deutschland einheimische Arten sind für gewöhnlich harmlos, abgesehen von Personen mit Allergien, oder wenn es z. B. im Schlundbereich zum Stich kommen. Siehe auch Ameisenstiche. Im Folgenden liegt das Augenmerk deshalb auf den Auswirkungen der Stiche nicht heimischer Ameisenarten.

Stiche der Gattung Myrmecia

Eine der riskantesten Gruppen ist offenbar die australische Gattung Myrmecia:

Prof. Dr. R.W. Taylor aus Canberra, Australien, hoch angesehener Forscher und Myrmekologe, schrieb mir gerade (15.12.06) zum Thema „Heimtierhaltung von Myrmecia“ das Folgende:

Diese Ameisen sind hochgiftig, und gelegentlich verursachen die Stiche einen anaphylaktischen Schock, der den Tod zur Folge haben kann.

In Australien sterben schätzungsweise 6 Personen pro Jahr an Myrmecia-Stichen – eine grobe Schätzung, weil man keine Spur der Todesursache feststellen kann, wenn solche Todesopfer allein im Busch oder auf einem Farmgelände gefunden werden. Es gibt eine ziemliche Anzahl solcher Berichte über unerklärliche Todesfälle, und die Allergologen, mit denen ich in Kontakt stehe, sind sicher, dass bei den meisten davon Myrmecia-Stiche im Spiel sind. Zumeist werden solche Fälle als Herzattacken abgetan.

Ich bin zurzeit an einem großen Projekt beteiligt, in dem ein Team von medizinischen Allergologen versucht, relevante Aspekte der Chemie der Myrmecia-Gifte und ihrer Toxizität zu erforschen. Ihre Videos von sensitiven Personen, die sich im Labor freiwillig einer induzierten Anaphylaxe unterziehen, sind einfach schrecklich. Bei der Feldarbeit tragen diese Burschen (die Allergologen) immer einen Notfall-Kit mit sich, um irgendwelche Reaktionen von Teilnehmern auf Stiche behandeln zu können. Sie können nicht verstehen, wie leichtsinnig wir Myrmekologen bei solchen Gelegenheiten sind, die sie als hoch riskant einstufen.

Er hält es für möglich, dass die Gesundheitsbehörden in Deutschland, wenn sie auf die Gefährlichkeit von Myrmecia aufmerksam werden, den weiteren Import und Verkauf dieser Ameisen verbieten und sogar die Vernichtung vorhandener Kolonien verlangen!

Diese Warnung durch einen absolut ernst zu nehmenden Forscher, der von der Sachlage wirklich etwas versteht, kann und will ich den Ameisenhaltern und –händlern nicht verschweigen!

(A. Buschinger, 15.12.06)

Ergänzung: Genauere Informationen über allergische Reaktionen auf das Gift z.B. von Myrmecia pilosula gibt es hier (aus 2003):

http://www.landcareresearch.co.nz/research/biocons/invertebrates/Ants/invasive_ants/documents/15.pdf


Nachtrag: Der zitierte Text stammt aus dem Jahr 2006. 2011 ist die Studie erschienen, die Robert W Taylor erwähnt, und in der er als Co-Autor zitiert wird. Causes of ant sting an aphylaxis in Australia: the Australian Ant Venom Allergy Study - Simon G A Brown, Pauline van Eeden, Michael D Wiese, Raymond J Mullins, Graham O Solley, Robert Puy, Robert W Taylor and Robert J Heddle; Med J Aust 2011; 195 (2): 69-73.

Seit 1998 ist bekannt [1], dass 2,4 % aller in Tasmanien beheimateten Menschen, die mit Giftbestandteilen von Myrmecia spp. in Berührung kommen, über lokale Hautreizungen hinaus allergisch reagieren, während 2,7 % der dort lebenden Menschen auf Stiche der Honigbiene vergleichbar reagieren. Hingegen reagieren lediglich 0,6 % der Menschen weltweit auf Stiche der europäischen Wespe ähnlich stark. Dabei ist auffallend, dass besonders häufig stärkere Reaktionen durch Stiche der "Jumper Ant" (Myrmecia pilosula) hervorgerufen werden (1,7 %), während die Häufigkeit bei Stichen anderer Myrmecia Arten lediglich bei 0,5 % liegt. Somit sind die Stiche von Myrmecia spp. weniger gefährlich als Stiche der Honigbiene, aber gefährlicher als Wespenstiche. Hält man keine Myrmecia pilosula, so sind die Stiche sogar weniger gefährlich als die von Wespen.

Anzumerken ist, dass seit 1992 die Anzahl an anaphylaktischen Reaktionen pro Jahr stetig zunehmen.[2]. Aktuelle Zahlen (2015) belegen, dass inzwischen 5 - 7 % aller Menschen systemisch allergische Reaktionen zeigen - unter Bienenhaltern bis zu 32% [3]. Allerdings bedingen nicht alleine das breite Spektrum an allergischen Reaktionen die Todesfälle, sondern auch die Auswirkungen der Giftstoffe auf innere Organe, wie z.B. die Niere, im Falle von vielen Stichen innerhalb kurzer Zeit [4]

Gefahren durch Ameisensäure

Die Arten der Unterfamilie Formicinae haben ziemlich hoch konzentrierte Ameisensäure in der Giftblase. Diese Säure kann z. T. über mehrere Dezimeter abgespritzt werden, sowohl auf potenzielle Beutetiere als auch auf (vermeintliche) Angreifer. Beim Hantieren mit Waldameisen, auch der Untergattung Raptiformica, sollte man vermeiden, dass Säure ins Auge gespritzt wird. Das ist mindestens sehr schmerzhaft. Falls es geschehen ist, hilft umgehend Spülen mit Wasser. Polyrhachis-Arten geben ebenfalls Ameisensäure ab. Ein Halter mit einer sehr großen Kolonie berichtete von unerträglichen Säure-Ausdünstungen aus seinem Formikarium, die sogar zu leichter Lungenverätzung geführt haben. Er hat sich schließlich von seiner Kolonie getrennt (hat sie überbrüht).

Lasius fuliginosus: Undecan und Dendrolasin

Es gibt einige Unklarheiten über die Giftwirkung der Sekrete von Lasius (Dendrolasius) fuliginosus. Auf eine Anfrage in einem Ameisenforum wird Folgendes geantwortet:

Klar ist, dass die Sekrete deutlich riechbar sind (der Geruch ist charakteristisch, süßlich, aber schwer zu beschreiben). Weiterhin ist das Wehrsekret für manche anderen Ameisen giftig oder zumindest abschreckend. Siehe dazu Lasius fuliginosus.

Zur Giftwirkung auf Menschen ist Folgendes zu finden:

Wikipedia: n-Undecan entfettet und rötet die Haut. In den Augen führt die Flüssigkeit zu Schmerzen und Rötung. (Das gilt aber offenbar für reines, flüssiges Udecan!)

In der Nähe der Nester ist ein für den menschlichen Geruchssinn süßlicher Duft wahrnehmbar. In ihren Mandibeldrüsen produzieren die Ameisen Dendrolasin und Undecan. Diese Sekrete werden bei Störung oder Bedrohung des Nestes abgegeben. Was für den Menschen nur ein süßlicher Duft ist, ist für das Ameisenvolk eine effiziente Methode, das komplette Nest in Alarmbereitschaft zu versetzen. Zudem hat dieser Geruch eine sehr starke abschreckende Wirkung auf Formica und andere Lasius-Arten und wirkt bei diesen sogar toxisch. (Das gilt für die Substanz in der Gasphase, wobei gewöhnlich recht geringe Konzentrationen vorliegen).

Gute Informationen finden sich auch in Sicherheitsdatenblättern:

http://chemie.uni-lueneburg.de/gefahr/8186/818629.pdf (Undecan von Merck): „Gesundheitsschädlich. Kann bei Verschlucken Lungenschäden verursachen.“

http://www.chemie.uni-erlangen.de/vostrowsky/natstoff/09Pheromone.pdf ab S. 227 über Dendrolasin und viele andere Ameisenpheromone. Vostrowski ist DER Pheromonspezialist!

Dendrolasin ist ein Sesquiterpen. Über seine evtl. Schädlichkeit für den Menschen konnte ich nichts Gescheites herausfinden, doch gelten viele Terpene usw. als toxisch.

Eigene Erfahrung: Über viele Jahre habe ich jeweils für ein Ameisenpraktikum mehrere hundert Arbeiterinnen von Lasius fuliginosus mittels Exhaustor von ihren Straßen gesaugt.

Der Saugapparat wird mit dem Mund betrieben. Die Tiere sondern im Stress sehr viel Wehrsekret ab. Es schmeckt nicht gut, aber außer einer kurzfristigen, leichten Reizung der Mundschleimhäute konnte ich keine gesundheitliche Beeinträchtigung feststellen. Vermutlich wird dabei nicht die für Menschen toxische Konzentration erreicht.

Ich würde dennoch keine Kolonie im Zimmer halten wollen: Der aufdringliche Geruch wird auf Dauer lästig.

Ob andere Ameisen in demselben Raum durch die Ausdünstungen beunruhigt oder geschädigt werden können, ist sicher nicht untersucht (Luftkonzentration von Undecan und Dendrolasin müsste gemessen werden, Dauer der Exposition, bei verschiedenen Temperaturen usw.; viel Aufwand für eine wissenschaftlich wenig spannende Fragestellung!)

84.167.60.208 13:04, 20. Mai 2010 (UTC)

Einzelnachweise