Ameisennest

Aus Ameisenwiki
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Die verschiedenen Nestarten

Ameisen legen größten Wert auf den Bau ihrer Nester, spielen diese doch eine zentrale Rolle in einem Ameisenstaat. Die meisten Nester bestehen entweder aus kleinen Holz- oder Pflanzenteilen, kleinen Erdkrumen, Harz von Nadelgehölzen oder sonstigen natürlichen Materialien. Es kann auch vorkommen, dass sich die Nestart innerhalb einer Art von Volk zu Volk ändert und je nach Angebot und zB klimatischen Bedingungen stark variiert. Einen kurzen Anriss der bevorzugten Nestformen findest Du auch in den jeweiligen Artenbeschreibungen.

In der Haltung sollten die natürlichen Nestformen bei den Kunstnestern berücksichtigt oder nachgeahmt werden, um den Ameisen eine optimale Grundlage zu bieten.

Erdnest

Das Erdnest ist die häufigste Nestart überhaupt. Dabei graben Ameisen ihre Gänge und verschiedenen Kammern einfach in die Erde hinein. Dazu tragen sie jedes Sandkorn einzeln aus den Gängen, legen es an der Oberfläche ab und laufen zielstrebig wieder auf den zu grabenden Gang zu und wiederholen diese Aktion. Diese Art von Nest ist sehr witterungsanfällig, so dass sie meist nur an sehr geschützten Stellen zu finden ist. Eine dieser Stellen ist unter Steinen. Diese bieten außerdem noch den Vorteil, dass sie ein sehr guter Wärmespeicher sind. Es gibt Arten, wie eine Ernteameisenart der Gattung Messor, die um ihr Erdnest einen Kraterwall errichten.

Die meisten Erdnester, wie die der Gelben Wiesenameisen (Lasius flavus), haben noch eine Erdkuppel. In dem Fall nennt man sie dann schon Hügelnester mit Erdkuppeln. Kuppeln haben den Vorteil, dass sie Sonnenstrahlen besser auffangen können als flache Nester. Es ist tatsächlich so, dass die Hügel steiniger sind, je schattiger die Nester liegen. Diese Kuppeln werden um natürliche Stützen, wie Grashalme, gebaut.

Hügelnest mit Streukuppeln

Eine bessere Durchlüftung, aber gleichzeitig auch eine bessere Wärmespeicherung bieten die Hügelnester mit Streukuppeln. Diese Nester sind meist um morsche Baustümpfe errichtet, die ihnen Halt geben. In solchen Hügeln leben die meisten Arten der Formica. Die obere Schicht aus Pflanzenteilen schützt das Nest vor Regen und Kälte. Die unteren Schichten sind auch bloß aus Erde. Die Gänge sind so angelegt, dass Wasser an ihnen abperlen kann. In solchen Nestern, die bis 2m hoch werden und einen Durchmesser von 5m erreichen können und nochmals so tief wie hoch sind, gibt es zahlreiche Etagen und Galerien. Solche Nester haben aber durch ihre pflanzlichen Bestandteile stark mit Pilzen zu kämpfen, welche Ameisen aber dadurch zu verhindern wissen, indem sie alle 1-2 Wochen die Oberfläche des Nestes komplett umgraben. Dies kann man sehr gut beobachten, wenn man etwas Farbe auf dieses sprüht. Nach spätestens zwei Wochen ist diese vollständig verschwunden und taucht nach 4-6 Wochen an einer anderen Stelle wieder auf. Im Winter dient der obere Teil der Hügelnester als Frostschutz, während alle Ameisen in den tieferen Kammern schlafen.

Sommernest, Winternest, Saisonaler Nestwechsel

Saisonaler Nestwechsel bedeutet, dass eine Art im Freiland im Herbst regelmäßig einen Umzug veranstaltet und komplett an einen anderen, oft mehrere Meter entfernten Nistplatz umsiedelt. Im Frühjahr, sobald es wieder warm genug ist, zieht das Volk zurück in das im Vorjahr benutzte "Sommernest" (oder bezieht an dritter Stelle ein neues Nest). Beschrieben und einigermaßen gut untersucht ist das für die Blutrote Raubameise Formica (Raptiformica) sanguinea. Das Winternest ist oft eher im Schatten, wo es an sonnigen Wintertagen nicht zu warm werden kann, während man die Art im Sommer eher an sehr warmen und trockenen Stellen antrifft.

In einem Forum wurde gefragt, was es in dieser Hinsicht mit Tapinoma erratic um auf sich habe. Mir ist dazu nichts bekannt. Tapinoma-Arten sind ganz allgemein Opportunisten, die immer wieder schnell das Nest wechseln. Ein Dachziegel, in die Natur entsorgt, kann am nächsten Tag Behausung für ein Tapinoma-Nest sein. Hebt man ihn einmal an, ist das gestörte Volk am Tag darauf verschwunden und sitzt vielleicht 1/2 m weiter unter einem Stein. (A. Buschinger, 09.09.2006)

Holznest

Die nächste Nestart ist die der Holznester. Es gibt hier Ameisen, die mit ihren Mandibeln Nester in morsches Kerbholz, hohle und auch lebende Bäume schneiden. Bei den Nestern in lebenden Bäumen bauen die Ameisen zwar ihre Gangsysteme in den Stamm, lassen dem Baum aber noch genügend Wasser- und Nährstoffleitungen, dass er noch überleben kann. Diesen Bäumen sieht man äußerlich gar nicht an, dass sie von Ameisen bevölkert sind, da sich die Eingänge an den Wurzelenden befinden. Diese holzliebenden Ameisen sind in Mitteleuropa vor allem die den Formicidae zugehörige Rossameisem (Camponotus herculeanus). Sie nagt ausgeprägte Nestkammersysteme, sogenannte Hängende Gärten, in den Stamm. Diese Ameisenart bevorzugt das morsche Holz.

Die Schwarze Holzameise (Lasius fuliginosus) baut Kartonnester in Bäume. Sie ist damit der einzige heimische Vertreter, der dies tut. Diese Nestart wird nämlich vorwiegend von tropischen Ameisenarten genutzt. Sie zerkleinert dazu kleine Holz- und Erdmaterialien und durchtränkt diese geknetete Kartonsubstanz mit aus dem Kropf hervorgewürgtem Honigtau. Diese Baumasse enthält bis zu 50% Zucker. Darauf züchten sie den Pilz Cladosporium myrmecophilum der Gattung Cladosporium, der durch seine Hyphen den Nestwänden Stabilität verleiht. Diese Symbiose hilft dem Pilz, optimale Nahrungsgründe zu finden. In den Tropen sind die Kartonnester meist sogar freihängend.

Seidennest

Weberameisen der Gattung Oecophylla spinnen sich mittels eines Seidensekrets ihrer Larven und Blätterbüscheln ihre Nester zusammen. Meist sind diese Nester ebenfalls freihängend. Andere bauen ihre Nester ausschließlich aus Seide, die sie mit Detritus bedecken oder tarnen können. Detritus sind abgestorbene pflanzliche oder tierische Organismen oder deren Teile.

Ameisenpflanzen

Besondere Ameisennester stellen die Myrmecophyten dar, auch Ameisenpflanzen genannt. Diese Gruppe umfasst alle Pflanzen, die die Ameisen zum Überleben brauchen, um sich fortpflanzen zu können - beispielsweise die, die an ihren Samen Elaiosome (Ölkörperchen) ausbilden, und auch alle die Pflanzen, die von den Ameisen als ständigen Wohnraum (= Domatien) genutzt werden. Diese Pflanzen stellen ihnen eigens für sie ausgebildete Hohlräume zum Nisten zur Verfügung. So lebt die tropische Art Tetraponera sp. (Pseudomyrmecinae) und die in Malaysia beheimatete Cataulacus muticus (Formicidae) in jeweils einer Riesenbambusart. Bambus ist ja bekanntlich hohl. So ein Bambusstaat breitet sich meist über mehrer Pflanzen aus; zwischen ihnen gibt es jedoch keine direkte Verbindung, sodass die Arbeiterinnen immer aus einer Pflanze raus, auf den Boden und auf die nächste Pflanze hinauf laufen müssen, wenn sie mehrere "Halme" bewohnen. Weiterhin leben in diesen Pflanzen neben den Ameisen auch Tiere, wie Schildläuse, von denen die Ameisen den Honigtau abnehmen können. Im Jahr 2001 haben Frankfurter Wissenschaftler, die untersucht haben, wie sich solche Ameisen bei Regen verhalten, bei der malaysischen Art eine Entdeckung gemacht, die die Schwarm- oder Kollektivintelligenz ein weiteres Mal unterstreicht. Wenn es regnet und in den Hohlräumen des Bambus "Hochwasser" droht, haben die Ameisen einen zweistufigen Plan zu deren Schutz entwickelt: Sobald das erste Wasser in die Pflanzen läuft, verriegeln die Ameisen mit ihren Köpfen den Stamm von innen wie ein Korken. Das bereits eingedrungene Wasser wird von den anderen Tieren getrunken und nach dem Regen draußen ausgeschieden. Dabei spricht man tatsächlich vom "Kollektivpinkeln". Weitere Pflanzen, in denen Ameisen wohnen, sind die der Gattung Myrmecodia, die den Ameisen im kugelig verdickten Spross Platz bieten, oder eine Büffelhornakazienart der Spezies Acacia sphaerocephala, in deren hohlen Dornen die Ameisen nisten. Auch die neuerdings im Handel angepriesenen Azteca-Ameisen bewohnen die hohlen Stängel ihrer Wirtspflanzen aus der Gattung Cecropia.

Sonderformen

Hier eine Reihe von besonderen Nestformen, die meist artspezifisch sind

Kleinstnester

Die kleineren Arten, vor allem die der Gattungen Leptothorax und Temnothorax, benötigen keine größeren Territorien. Je nach Art nutzen sie kleine Asthöhlungen, etwa Fraßgänge von diversen Larven, oder sie wohnen in Schneckenhäusern, Eicheln bzw. auch in Steinspalten oder Moos und in Borke.

Lebende Nester

Nomadisch lebende Ameisengattungen wie die Wander- und Treiberameisen bauen keine Nester. Da sie sich ständig auf Raubzügen durch die Savannen Afrikas oder die Regenwälder Südamerikas befinden, brauchen sie keine festen Nistplätze. Die Königin und die Brut werden, etwas entfernt von der bis zu 20m breiten Front, mitgetragen. Des Nachts bilden die Arbeiterinnen und Soldaten ein lebendes Biwak aus ihren Körpern um die Königin und ihre Brut. Dabei halten sich die Ameisen mit ihren Mandibeln an den Abdomina eines anderen Tieres fest. In diesen Biwaks aus Tausenden von Körpern ist die Königin vor allen äußeren Einflüssen besser geschützt als es in irgendwelchen Nestern überhaupt möglich ist. Auf diese Art überwinden diese Arten übrigens auch Hindernisse. Sie bilden einfach Brücken aus ihren Körpern, so dass das restliche Volk darüber hinweg wandern kann.

Literaturtipps

Zum Nestbau im Freiland:

http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2006/3287/