Deutsche Bedeutung der Speziesnamen: Unterschied zwischen den Versionen
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 2: | Zeile 2: | ||
'''Wider den Unsinn “deutscher” Artnamen''' | '''Wider den Unsinn “deutscher” Artnamen''' | ||
Von A. BUSCHINGER | Von A. BUSCHINGER | ||
Version vom 1. Dezember 2005, 08:55 Uhr
Zu der Frage stelle ich hier mal einen Artikel aus der ASa ein. Sollte an passende Stelle verschoben werden, vielleicht zu Systematik?
Wider den Unsinn “deutscher” Artnamen
Von A. BUSCHINGER
Es ärgert mich zunehmend: Seit fast 250 Jahren, seit Carl von Linné (1758), gibt es für Tiere und Pflanzen weltweit international verständliche, bewährte Namen, so wie Formica rufa oder Lasius niger. Immer mehr aber werden neuerdings diese wissenschaftlichen Namen abgelehnt und durch “deutsche” Trivialnamen ersetzt. Mit der Folge, dass ein Engländer oder Franzose, Spanier oder Italiener, auch wenn er Biologe und der deutschen Sprache einigermaßen mächtig ist, Probleme hat zu verstehen, was z.B. die “Schmalspurameise” sein soll (nämlich Ponera coarctata).
Mehr noch, inzwischen gibt es nicht nur eine Rote Liste der gefährdeten Tierarten Deutschlands (in der wir uns, ebenso wie in der RL Ameisen Hessens, zum Glück durchgesetzt und auf “deutsche” Namen verzichtet haben), auch immer mehr Bundesländer stellen eigene Rote Listen auf. Dazu kommen Rote Listen in deutscher Sprache aus Österreich und der Schweiz. Und deren Verfasser überbieten sich darin, jeweils andere, “bessere” Namen zu erfinden!
Ich bekenne mich mitschuldig. Beteiligt an der Abfassung mehrerer Roter Listen der Ameisen (Bayern: Bauschmann & Buschinger 1992; Hessen: Bauschmann et al. 1996; BRD: Seifert et al. 1998) musste ich mich den Wünschen der jeweiligen Behörden fügen, die “für den Benutzer, für Bürgermeister und ehrenamtliche Naturschützer verständliche, deutsche Namen” forderten. Ich hätte mich von Anfang an konsequent weigern sollen.
Nichts gegen altbekannte, wirklich “aus dem Volk kommende” Trivialnamen. Selbstverständlich sollten Namen wie Nachtigall oder Rotkehlchen erhalten bleiben, Feldhase und Tagpfauenauge. Beim Eisvogel wird’s schon schwieriger: Ist der Vogel oder der Schmetterling gemeint? Und “(Rote) Waldameisen” umfassen halt mehrere Arten, ebenso wie der “Maikäfer”. Unter www.Ameisenforum.info kann man neuerdings rege Diskussionen lesen. Im Wesentlichen sind die Teilnehmer Schüler, Abiturienten, ein paar Studierende, die als Hobby Ameisen verschiedenster Arten halten. Nach einigen Missverständnissen haben sie inzwischen fast alle kapiert, dass die lateinischen Namen das einzig Vernünftige sind, um die Arten klar zu bezeichnen, auch wenn es mit der korrekten Schreibweise manchmal noch etwas hapert.
Eigentlich gibt es im Deutschen nur wenige eingebürgerte Ameisen-Namen. Frühere Autoren, v.a. von populär-wissenschaftlichen Büchern, haben um der “leichteren” Verständlichkeit Willen ein paar “deutsche” Namen geschaffen (z.B. Gößwald 1954, oder Schwenke 1985). Da wird aus der “Kerbameise” (Coptoformica exsecta) eine “Buchtenkopf-Waldameise”. Lasius fuliginosus, bei Gößwald die “Glänzendschwarze Holzameise”, wird bei Schwenke zur “Kartonnestameise”. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Bei Gößwald gibt es neben der “Glänzendschwarzen Holzameise” auch eine “Glänzendschwarze Hilfsameise” (Serviformica gagates), und eine “Glänzendschwarze Riesenameise”, was die in Afrika beheimatete Megaponera foetens bezeichnen soll, die “Matabele” der einheimischen Bevölkerung, die, wie der lateinische Name besagt, in der Tat eine “Stinkende Riesen-Urameise” ist.
Ich akzeptiere ja gerne, dass z.B. bei den Vögeln in dieser Hinsicht die Welt etwas besser in Ordnung ist, da haben sich wenigstens in den einzelnen europäischen Sprachen jeweils einheitliche Bezeichnungen durchgesetzt. Der Mauersegler (Apus apus) heißt deutschlandweit so. Will man sich mit den europäischen Nachbarn verständigen, liefert der “Peterson, Mountfort, Hollom” (1970) Trivialnamen auch in Englisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Schwedisch und Spanisch. – Mir wäre dennoch der EINE, international verstandene lateinische Name lieber!
Leider weigern sich auch zunehmend die Studierenden des Faches Biologie die wissenschaftlichen Namen und die Fachbegriffe zu akzeptieren. Lieber werden m.o.w. künstliche “deutsche” Bezeichnungen verwendet. Wobei dies kein Schutz vor peinlichen Verwechslungen und Hybridisierungen ist: In einer Klausur fand sich die “Schlingelnatter”, etymologisches Kreuzungsprodukt von Schlingnatter (= Haselnatter, = Glattnatter, Coronella austriaca) und Ringelnatter (Natrix natrix).
Und kann man nicht von den Mitarbeitern der Naturschutzbehörden ebenso wie von den ehrenamtlichen Natur- und Artenschützern (die sich ohnehin zwangsläufig oft nur mit einer oder einigen wenigen Tiergruppen näher befassen) erwarten, dass sie sich die (bei Ameisen in Deutschland nur rund 110) wissenschaftlichen Namen einprägen? Die gelten ÜBERALL, und werden auch noch in Jahrzehnten verstanden. Was müssen wir uns heute z.B. im Zusammenhang mit Elektronik und Datenverarbeitung an Fachtermini, meist auch noch in Form völlig unverständlicher Abkürzungen z. T. englischer Wörter, einprägen um in der “modernen Welt” mitreden und mithalten zu können! Und solche Begriffe haben oft nur eine Lebensdauer von wenigen Jahren, dann ist die Technik überholt und neue Bezeichnungen stürzen auf uns ein.
Die absolute Mindestforderung wäre, alle Listen nach den lateinischen Namen geordnet anzulegen, nach Gattungsnamen alphabetisch. Dahinter KANN ein deutscher Name stehen, so weit einigermaßen eingebürgert. Abzulehnen sind alle künstlich produzierten, holprigen Übersetzungen, oder gar die Angabe vermeintlich für die Art charakteristischer morphologischer oder ökologischer Merkmale. Ich zitiere nochmals Schwenke (1985), weil ich ihn gerade zur Hand habe: “Dickbauchameise” (Anergates atratulus), weil die fertile Königin ungewöhnlich dick erscheint, in der RL Bayern “Arbeiterlose Parasitenameise”, “Furchtsame Hilfswaldameise” (Formica fusca, sonst als “Graue Sklavenameise” bekannt), “Zwergstaaten-Urameise” (Ponera coarctata, oben schon mal als “Schmalspurameise” erwähnt). Und dreimal dürfen Sie raten, was wohl mit “Hyänen-Ameisen” gemeint sein könnte. (In Schwenke, 1985, ist das der Name für die Gattung Tapinoma). Keine Angst, zwar können Sie ihr fast vor der Haustür begegnen, aber mit Hyänen hat sie absolut nichts gemein.
Schlimm genug, dass sich im englischsprachigen wissenschaftlichen Schrifttum ebenfalls die Unsitte einbürgert, nur einen Trivialnamen anzugeben (vielleicht irgendwo im Text versteckt noch der wissenschaftliche Name). Kürzlich hat mir jemand ein Buch verehrt über wissenschaftliche und Trivialnamen australischer Insekten: Da gibt es für die großen Ameisen der Gattung Myrmecia allein vier Trivialnamen: bull ants, bulldog ants, inchmen, jumper ants. Doch werden damit nicht etwa einzelne Arten der Gattung unterschieden.
Da soll doch der Kiefernheiden-Sackträger (Acanthopsyche atra) kommen, diese dämlichen Trivialnamen in seinen Sack nehmen und in der Kiefernheide verscharren. (RL BRD S. 100, Kat. 3), der “Wolkenbürtige Furchenstirn-Tastkäfer” runzelt doch zu Recht die Stirn!(RL BRD S. 432), und der “Unreine Dungkäfer” so wie der “Ungeschickte Schmal-Augenhornhalbflügler” ziehen sich, ungehalten ob der diffamierenden Benennung unmutig schmollend zurück in Kategorie 1 “vom Aussterben bedroht”!
Als Hinweis: In einer der nächsten Ausgaben von „Ameisenschutz aktuell“ kommt ein Beitrag über englische Trivialnamen für australische Ameisen. Einen Vorgeschmack kann man schon mal im Forum der Deutschen Ameisenschutzwarte genießen, den Beitrag über die „Wurst-Kannibalenameise: http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/viewtopic.php?t=220