Fressfeinde von Ameisen: Bären: Unterschied zwischen den Versionen
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Bekanntlich gibt es zahlreiche kleine und größere Tiere, die sich teilweise von Ameisen ernähren: Ameisenbären, [[Ameisenigel]], | Bekanntlich gibt es zahlreiche kleine und größere Tiere, die sich teilweise von Ameisen ernähren: Ameisenbären, [[Ameisenigel]], [Ameisenlöwe]]n, Wurmlöwen, Spechte und andere Vögel, manche Schlangen, Echsen, Frösche usw.. | ||
Weniger bekannt ist, dass auch die Braunbären-Verwandtschaft einschließlich des Grizzly sich sehr gerne an Ameisen vergreift. Hier ist ein Bericht dazu. Er erschien 1994 in der Zeitschrift „Ameisenschutz aktuell“. | Weniger bekannt ist, dass auch die Braunbären-Verwandtschaft einschließlich des Grizzly sich sehr gerne an Ameisen vergreift. Hier ist ein Bericht dazu. Er erschien 1994 in der Zeitschrift „Ameisenschutz aktuell“. |
Version vom 13. Mai 2011, 21:07 Uhr
Bekanntlich gibt es zahlreiche kleine und größere Tiere, die sich teilweise von Ameisen ernähren: Ameisenbären, Ameisenigel, [Ameisenlöwe]]n, Wurmlöwen, Spechte und andere Vögel, manche Schlangen, Echsen, Frösche usw..
Weniger bekannt ist, dass auch die Braunbären-Verwandtschaft einschließlich des Grizzly sich sehr gerne an Ameisen vergreift. Hier ist ein Bericht dazu. Er erschien 1994 in der Zeitschrift „Ameisenschutz aktuell“.
Bärendreck mit Ameisen
von ALFRED BUSCHINGER
Nicht um Lakritze geht es hier, die Hustenmedizin und beliebte Leckerei aus der Süßholzwurzel, sondern tatsächlich um "das, was hinten herauskommt", bei den Bären.
Ihr Speisezettel ist bekanntlich groß. Für Ursus arctos, den Braunbär, für den Schwarzbär (U. americanus) und den Grizzly (U. arctos horribilis) werden allerlei Pflanzen, Wurzeln, Beeren, Nüsse, Kerbtiere, kleine Nager, Fische und besonders Aas angegeben. Seltener vergreifen sich sogenannte "Schlagbären" an größeren, lebenden Tieren (GRZIMEK 1972). Auch Ameisen werden gelegentlich als Nahrung erwähnt (KRUMBIEGEL 1954, OGNER 1959).
Eine Ameisen-Forschungsreise in die kanadischen und amerikanischen Rocky Mountains im Juli/August 1993 führte mich und meinen Mitarbeiter RALF SCHUMANN in ein Revier von Grizzlybären, im Glacier-Nationalpark, Montana, an der Grenze zu Kanada. Es sieht aus, als habe da ein ausgeflippter Entomologe gewütet: Alle Steine wurden sichtlich, zum Teil mehrfach, umgedreht, nicht wieder sorgfältig zurückgelegt, wie das ein anständiger Sammler macht. Felsplatten, die ein kräftiger Mann kaum hätte anheben können, stehen hochkant in der Wiese. Meterdicke morsche Baumstämme liegen aufgerissen, als habe eine Granate eingeschlagen. Kein Zweifel: Nur ein Grizzlybär kann der Täter sein. Also wirft man beim Ameisensammeln hin und wieder einen vorsichtigen Blick ins Gebüsch. Aber die stattlichen Petze halten sich zurück, zeigen sich nur andernorts in sicherer Entfernung.
Auf einem Wildwechsel im Unterholz stoße ich auf Grizzly-Fährten, und da liegt ein Fladen Losung. Neugierig, wie ein Wissenschaftler nun mal ist, stochere ich darin herum. Halt, was ist denn das? - Ein Ameisenkopf! Und da noch mehrere. Das muss näher untersucht werden. Der "appetitliche" Haufen wird eingepackt, mit etwas Alkohol versetzt, damit sich kein Ungeziefer drin entwickelt. Zu Hause, im Labor, konnte ich zahlreiche Köpfe und andere Bauteile von Ameisen aus der Brühe sortieren. Das Bestimmungsergebnis liest sich fast wie eine "Ameisenfauna des Glacier-Nationalparks", der Bär war ein offensichtlich erfolgreicher Myrmekologe (Abb. 1). Die Identifizierung der Teile bis zur Art ist mühsam, aber schon die Zuordnung zu Gattungen ist aufschlussreich: Camponotus (2 Arten), Formica, Serviformica, Lasius, Myrmica. Kein Kostverächter also. Nach den übrigen Rückständen im Kot zu urteilen reißt der Grizzly die Baumstämme auseinander oder dreht Steine um und schleckt dann alles, Ameisen, Brut, Holzsplitter und Erde wahllos auf.
Forschern in den amerikanischen Nationalparks ist das durchaus bekannt. Im Rahmen von Bemühungen, die Lebensgrundlagen auch der Bären möglichst natürlich zu erhalten, wurde dort schon viel "Bärendreck" analysiert. So berichten HOLCROFT and HERRERO (1991), dass im Trockenmaterial der Losung von Schwarzbären aus Alberta gegen 5 %, in einem anderen Jahr bis zu 14,6 % Ameisen enthalten waren. MATTSON (1992) hat im Yellowstone-Park die Nutzung holzbewohnender Ameisen durch Grizzlybären untersucht. Sie bevorzugen mäßig bis stark vermoderte Stämme von über 40 cm Durchmesser, aus denen sie besonders größere Ameisen der Gattungen Camponotus und Formica erbeuten.
Bild: Köpfe und Thoraxteile von Ameisen aus der Losung eines Grizzlybären (6.8.1993, Glacier National Park, Montana, USA). Alle in gleicher Vergrößerung; Maßstab: Einteilung in mm. - Von links: 1. Spalte: Camponotus sp. (2 Arten); 2. Spalte: Formica sp.; 3. Spalte: Serviformica sp.; 4. Spalte: Lasius sp.; 5. Spalte: Myrmica sp.
Von anderen Bären wird ähnliches berichtet..Der Tibetanische Braunbär wälzt Steine um, ist gelegentlich Ameisenfresser (KRUMBIEGEL 1954). Im Petschoro-Ylytschsker Naturschutzgebiet (Nordost-Russland) soll der Braunbär im Frühjahr sich vor allem von Ameisen und überwinterten Beeren ernähren (OGNER 1959). Und auch die Braunbären Westeuropas verschmähen die krabbelnden Leckerbissen nicht: In den Pyrenäen, im Val d'Aspe, das jetzt durch eine Autobahn ruiniert werden soll, lebt noch eine Population von 13 Stück (Naturwiss. Rundschau 46, 9, 1993, S. 370). Ein kleines Bärenmuseum (Musée d'Ours) im Tal zeigt Bilder, Tätigkeitsspuren, und beschreibt die Lebensweise der Tiere. Unter den Exponaten sah ich Bärenlosung in Kunstharz eingegossen: Eindeutig besteht der größte Teil der identifizierbaren Objekte darin aus Köpfen und Körperteilen einer gelben Lasius-Art (Lasius flavus o.dgl.), vermischt mit recht viel Erde von deren Nesthügel.
Gut, dass man die Waldameisennester bei uns nicht auch noch gegen Bärenhunger und Bärenkräfte schützen muss, nur Beton und Stahlstangen wären vermutlich geeignet! Dennoch würde ich mir wünschen, auch in Europa noch öfter auf die Spuren der prächtigen Tiere zu stoßen.
Weiterführende Literatur:
GRZIMEK, B. (1972): Enzyklopädie des Tierreiches, Bd. XII.
HOLCROFT, A. C., and S. HERRERO (1991): Black Bear, Ursus americanus, Food Habits in Southwestern Alberta. Canadian Field-Naturalist 105, 335-345. KRUMBIEGEL, I. (1954): Biologie der Säugetiere, Bd. I, S. 135.
MATTSON, D.J. (1992): Use of Log-Dwelling Ants by Yellowstone Grizzly Bears: Preliminary Results and Guidelines. Vorläufiger Bericht, 4 S. (Interagency Grizzly Bear StudyTeam, Forestry Sciences Lab, Montana State Univ.. Bozeman, MT 59717). OGNER, S. J. (1959): Säugetiere und ihre Welt, S.311.