Monogynie: Unterschied zwischen den Versionen

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Abgesichert wird die Monogynie gegen die Aufnahme junger,  eigener oder fremder begatteter Weibchen in unterschiedlichem Maße. Bei streng monogynen, '''obligatorisch monogynen''', Arten werden auch gerade erst begattete Weibchen unter keinen Umständen mehr in der Mutterkolonie geduldet, und sogar Schwestern kämpfen sofort heftig gegeneinander, sowie sie begattet sind (Beispiel Harpagoxenus sublaevis). Auch z.B. Temnothorax unifasciatus duldet niemals mehr als eine fertile Königin im Nest. Und bei pleometrotischer Koloniegründung durch mehrere Jungköniginnen von Lasius niger brechen bald nach dem Auftreten der ersten Puppen, spätestens aber nach Schlüpfen der ersten Arbeiterinnen, heftige Kämpfe unter den Königinnen aus. Letztlich bleibt nur eine Königin am Leben, falls nicht die letzte auch noch an Verletzungen oder Erschöpfung eingeht (Ergebnis von Laborversuchen).
Abgesichert wird die Monogynie gegen die Aufnahme junger,  eigener oder fremder begatteter Weibchen in unterschiedlichem Maße. Bei streng monogynen, '''obligatorisch monogynen''', Arten werden auch gerade erst begattete Weibchen unter keinen Umständen mehr in der Mutterkolonie geduldet, und sogar Schwestern kämpfen sofort heftig gegeneinander, sowie sie begattet sind (Beispiel Harpagoxenus sublaevis). Auch z.B. Temnothorax unifasciatus duldet niemals mehr als eine fertile Königin im Nest. Und bei pleometrotischer Koloniegründung durch mehrere Jungköniginnen von Lasius niger brechen bald nach dem Auftreten der ersten Puppen, spätestens aber nach Schlüpfen der ersten Arbeiterinnen, heftige Kämpfe unter den Königinnen aus. Letztlich bleibt nur eine Königin am Leben, falls nicht die letzte auch noch an Verletzungen oder Erschöpfung eingeht (Ergebnis von Laborversuchen).


'''Funktionelle Monogynie''' ist eine seltenere Sonderform der Monogynie. Hier wird ein Teil der in Nestnähe begatteten jungen Königinnen ins Mutternest aufgenommen. Sie werden dort so lange toleriert, bis sich ihre Ovarien entwickeln, d.h. dass die Tiere beginnen "wollen" Eier zu legen. Dies kann mehr als ein Jahr dauern. Dann allerdings kommt es zu einer Hierarchie, in der das stärkste Tier als Königin verbleibt, während die unterlegenen abwandern. Vermutlich geschieht dies unter Mitnahme einiger Arbeiterinnen.
'''Funktionelle Monogynie''' ist eine seltenere Sonderform der Monogynie. Hier wird ein Teil der in Nestnähe begatteten jungen Königinnen ins Mutternest aufgenommen. Sie werden dort so lange toleriert, bis sich ihre Ovarien entwickeln, d.h. dass die Tiere beginnen "wollen" Eier zu legen. Dies kann mehr als ein Jahr dauern. Dann allerdings kommt es zu einer Hierarchie, in der das stärkste Tier als Königin verbleibt, während die unterlegenen abwandern. Vermutlich geschieht dies unter Mitnahme einiger Arbeiterinnen. *) Literatur


'''IMOH''', „Intranidal Mated Offspring Hibernation“ bedeutet, dass begattete Jungköniginnen regelmäßig zunächst im Mutternest verbleiben und dann im Frühjahr zur Gründung eigener Kolonien zu Fuß abwandern. Beispiele sind mehrere im Nest kopulierende Myrmoxenus-Arten („degenerierte Sklavenhalter“) und eine selbständige Temnothorax gredosi aus Spanien.
'''IMOH''', „Intranidal Mated Offspring Hibernation“ bedeutet, dass begattete Jungköniginnen regelmäßig zunächst im Mutternest verbleiben und dann im Frühjahr zur Gründung eigener Kolonien zu Fuß abwandern. Beispiele sind mehrere im Nest kopulierende Myrmoxenus-Arten („degenerierte Sklavenhalter“) und eine selbständige Temnothorax gredosi aus Spanien.
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Eine bisher selten nachgewiesene Besonderheit ist die Abhängigkeit der Mono- oder Polygynie von der Königinnen-Morphe. Bei der europäischen [[Myrmecina graminicola]] und der australischen Monomorium cf. leae kommen in den Populationen nebeneinander Völker mit entflügelten und solche mit intermorphen Königinnen vor (Königinnen-Polymorphismus, bei M. graminicola genetisch gesteuert). Völker mit entflügelten Königinnen sind immer monogyn, solche mit intermorphen Königinnen haben häufig mehrere Königinnen, sind also fakultativ polygyn. (Buschinger, A., Schreiber, M., 2002: Queen polymorphism and queen-morph related facultative polygyny in the ant, Myrmecina graminicola (Hymenoptera, Formicidae). Insectes soc. 49, 344-353, sowie:  Buschinger, A., 2005: Experimental evidence for genetically mediated queen polymorphism in the ant species Myrmecina graminicola (Hymenoptera: Formicidae). Entomol Gener 27: 185-200).
Eine bisher selten nachgewiesene Besonderheit ist die Abhängigkeit der Mono- oder Polygynie von der Königinnen-Morphe. Bei der europäischen [[Myrmecina graminicola]] und der australischen Monomorium cf. leae kommen in den Populationen nebeneinander Völker mit entflügelten und solche mit intermorphen Königinnen vor (Königinnen-Polymorphismus, bei M. graminicola genetisch gesteuert). Völker mit entflügelten Königinnen sind immer monogyn, solche mit intermorphen Königinnen haben häufig mehrere Königinnen, sind also fakultativ polygyn. (Buschinger, A., Schreiber, M., 2002: Queen polymorphism and queen-morph related facultative polygyny in the ant, Myrmecina graminicola (Hymenoptera, Formicidae). Insectes soc. 49, 344-353, sowie:  Buschinger, A., 2005: Experimental evidence for genetically mediated queen polymorphism in the ant species Myrmecina graminicola (Hymenoptera: Formicidae). Entomol Gener 27: 185-200).
==Literatur==
Richard J. Gill, Andres Arce, Laurent Keller and Robert L. Hammond (2009):
Polymorphic social organization in an ant. Proc. R. Soc. B 2009 276, 4423-4431
Eine Arbeit, in der die '''funktionell monogyne''' Organisation einer Population von Leptothorax acervorum aus Spanien im Vergleich zu den üblichen, '''fakultativ polygynen''' Populationen dieser Art untersucht wird.
Die Arbeit bestätigt mit modernen Methoden das bereits viel früher aufgestellte Konzept der funktionellen Monogynie. Sie betrachtet weiterhin die verschiedenen sozialen Organisationsformen im Licht der „'''reproductive skew'''“-Theorie, wonach die Fortpflanzungsaktivität (Eiablage) unter den Gynen (Königinnen) in einem Volk gleich verteilt sein kann (Polygynie), oder zwischen den begatteten Gynen m.o.w. unterschiedlich aufgeteilt ist (funktionelle Monogynie: Eine Gyne legt Eier, die anderen, ebenfalls begatteten, legen keine Eier).
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/276/1677/4423.full.pdf+html?sid=00e3e83f-d92d-4088-994e-5e0993618666
Identifying species exhibiting variation in social organization is an important step towards explaining the genetic and environmental factors underlying social evolution. In most studied populations of the ant Leptothorax acervorum, reproduction is shared among queens in multiple queen colonies (polygyny). By contrast, reports from other populations, but based on weaker evidence, suggest a single queen may monopolize all reproduction in multiple queen colonies (functional monogyny).
Here we identify a marked polymorphism in social organization in this species, by conclusively showing that functional monogyny is exhibited in a Spanish population, showing that the social organization is stable and not purely a consequence of daughter queens overwintering, that daughter queen re-adoption is frequent and queen turnover is low. Importantly, we show that polygynous and functionally monogynous populations
are not genetically distinct from one another based on mtDNA and nDNA. This suggests a
recent evolutionary divergence between social phenotypes. Finally, when functionally monogynous and polygynous colonies were kept under identical laboratory conditions, social organization did not change, suggesting a genetic basis for the polymorphism. We discuss the implications of these findings to the study of reproductive skew.
Keywords: colony structure; functional monogyny; Leptothorax acervorum; multiple queen;
polygyny; reproductive skew

Version vom 23. Februar 2011, 08:59 Uhr

Monogynie (Einweibigkeit) bezeichnet die Anwesenheit eines einzigen begatteten und Eier legenden Weibchens in einem Volk. Zumeist wurde das Volk von diesem Weibchen gegründet. Es ist dabei unwesentlich, ob das Weibchen ein vor der Paarung geflügeltes Individuum ist, das nach der Paarung die Flügel abgeworfen hat, oder ob es sich um eine auch ursprünglich flügellose Zwischenform zur Arbeiterin handelt (Intermorphe; gelegentlich auch als Interkaste bezeichnet).

In etwa der Hälfte der daraufhin untersuchten Ameisenarten hat jedes Volk nur eine Königin, ist also monogyn. Bei der anderen Hälfte der Arten enthalten die Völker gelegentlich, meistens, oder immer jeweils mehrere bis viele Königinnen, sind also polygyn ("vielweibig"). Auch diese Königinnen können entflügelt sein, oder sie haben als Intermorphe nie Flügel gehabt. Im Extremfall (einige Ponerinae) sehen Arbeiterinnen und (funktionelle) Königinnen völlig gleich aus, unterscheiden sich mithin nur in der Funktion.

Abgesichert wird die Monogynie gegen die Aufnahme junger, eigener oder fremder begatteter Weibchen in unterschiedlichem Maße. Bei streng monogynen, obligatorisch monogynen, Arten werden auch gerade erst begattete Weibchen unter keinen Umständen mehr in der Mutterkolonie geduldet, und sogar Schwestern kämpfen sofort heftig gegeneinander, sowie sie begattet sind (Beispiel Harpagoxenus sublaevis). Auch z.B. Temnothorax unifasciatus duldet niemals mehr als eine fertile Königin im Nest. Und bei pleometrotischer Koloniegründung durch mehrere Jungköniginnen von Lasius niger brechen bald nach dem Auftreten der ersten Puppen, spätestens aber nach Schlüpfen der ersten Arbeiterinnen, heftige Kämpfe unter den Königinnen aus. Letztlich bleibt nur eine Königin am Leben, falls nicht die letzte auch noch an Verletzungen oder Erschöpfung eingeht (Ergebnis von Laborversuchen).

Funktionelle Monogynie ist eine seltenere Sonderform der Monogynie. Hier wird ein Teil der in Nestnähe begatteten jungen Königinnen ins Mutternest aufgenommen. Sie werden dort so lange toleriert, bis sich ihre Ovarien entwickeln, d.h. dass die Tiere beginnen "wollen" Eier zu legen. Dies kann mehr als ein Jahr dauern. Dann allerdings kommt es zu einer Hierarchie, in der das stärkste Tier als Königin verbleibt, während die unterlegenen abwandern. Vermutlich geschieht dies unter Mitnahme einiger Arbeiterinnen. *) Literatur

IMOH, „Intranidal Mated Offspring Hibernation“ bedeutet, dass begattete Jungköniginnen regelmäßig zunächst im Mutternest verbleiben und dann im Frühjahr zur Gründung eigener Kolonien zu Fuß abwandern. Beispiele sind mehrere im Nest kopulierende Myrmoxenus-Arten („degenerierte Sklavenhalter“) und eine selbständige Temnothorax gredosi aus Spanien.

Schließlich bleiben häufig unbegattete Weibchen im Mutternest, wo sie auch die Flügel verlieren und manchmal Arbeiterin-Dienste übernehmen. Dies ist besonders häufig bei Leptothorax acervorum und L. muscorum, aber auch bei Myrmica-Arten.

In allen diesen Fällen ist die „Polygynie“ nur eine scheinbare, stets ist nur eine Königin reproduktiv. Keinesfalls kann man jede Kolonie als polygyn bezeichnen, in der mehrere entflügelte Weibchen zu sehen sind.

Die wenigen genannten Beispiele zeigen, dass längst nicht alle scheinbar oder anscheinend polygynen Arten darauf hin überprüft sind, ob es sich wirklich um Polygynie handelt.

Eine bisher selten nachgewiesene Besonderheit ist die Abhängigkeit der Mono- oder Polygynie von der Königinnen-Morphe. Bei der europäischen Myrmecina graminicola und der australischen Monomorium cf. leae kommen in den Populationen nebeneinander Völker mit entflügelten und solche mit intermorphen Königinnen vor (Königinnen-Polymorphismus, bei M. graminicola genetisch gesteuert). Völker mit entflügelten Königinnen sind immer monogyn, solche mit intermorphen Königinnen haben häufig mehrere Königinnen, sind also fakultativ polygyn. (Buschinger, A., Schreiber, M., 2002: Queen polymorphism and queen-morph related facultative polygyny in the ant, Myrmecina graminicola (Hymenoptera, Formicidae). Insectes soc. 49, 344-353, sowie: Buschinger, A., 2005: Experimental evidence for genetically mediated queen polymorphism in the ant species Myrmecina graminicola (Hymenoptera: Formicidae). Entomol Gener 27: 185-200).

Literatur

Richard J. Gill, Andres Arce, Laurent Keller and Robert L. Hammond (2009): Polymorphic social organization in an ant. Proc. R. Soc. B 2009 276, 4423-4431

Eine Arbeit, in der die funktionell monogyne Organisation einer Population von Leptothorax acervorum aus Spanien im Vergleich zu den üblichen, fakultativ polygynen Populationen dieser Art untersucht wird. Die Arbeit bestätigt mit modernen Methoden das bereits viel früher aufgestellte Konzept der funktionellen Monogynie. Sie betrachtet weiterhin die verschiedenen sozialen Organisationsformen im Licht der „reproductive skew“-Theorie, wonach die Fortpflanzungsaktivität (Eiablage) unter den Gynen (Königinnen) in einem Volk gleich verteilt sein kann (Polygynie), oder zwischen den begatteten Gynen m.o.w. unterschiedlich aufgeteilt ist (funktionelle Monogynie: Eine Gyne legt Eier, die anderen, ebenfalls begatteten, legen keine Eier).

http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/276/1677/4423.full.pdf+html?sid=00e3e83f-d92d-4088-994e-5e0993618666

Identifying species exhibiting variation in social organization is an important step towards explaining the genetic and environmental factors underlying social evolution. In most studied populations of the ant Leptothorax acervorum, reproduction is shared among queens in multiple queen colonies (polygyny). By contrast, reports from other populations, but based on weaker evidence, suggest a single queen may monopolize all reproduction in multiple queen colonies (functional monogyny). Here we identify a marked polymorphism in social organization in this species, by conclusively showing that functional monogyny is exhibited in a Spanish population, showing that the social organization is stable and not purely a consequence of daughter queens overwintering, that daughter queen re-adoption is frequent and queen turnover is low. Importantly, we show that polygynous and functionally monogynous populations are not genetically distinct from one another based on mtDNA and nDNA. This suggests a recent evolutionary divergence between social phenotypes. Finally, when functionally monogynous and polygynous colonies were kept under identical laboratory conditions, social organization did not change, suggesting a genetic basis for the polymorphism. We discuss the implications of these findings to the study of reproductive skew.

Keywords: colony structure; functional monogyny; Leptothorax acervorum; multiple queen; polygyny; reproductive skew