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Version vom 18. August 2006, 02:37 Uhr
Bandwürmer, Cestoda: Sie haben zum Teil recht komplizierte Lebenszyklen. Der Endwirt (in dem der Wurm geschlechtsreif wird und Eier abgibt) ist im Falle der Ameisen zumeist eine Vogelart. Die Ameisen nehmen die Bandwurmeier (sie sind oft in nahrhafte Teile des Bandwurm-Uterus gehüllt) aus dem Vogelkot mit ins Nest und verfüttern dieses „willkommene Eiweiß“ an die Larven. In diesen entwickelt sich ein Larvenstadium des Bandwurms, das Cysticercoid (auch bekannt als „Finne“ im Fleisch von Rind oder Schwein > Rinderbandwurm bzw. Schweinebandwurm des Menschen). Vögel, die solche Ameisen fressen, bekommen eben Bandwürmer davon; das Cysticercoid stülpt sich aus, heftet sich mit einem Hakenkranz im Dünndarm an und wächst heran zum Bandwurm, der wieder massenhaft Eier produziert. Bandwürmer gibt es fast in allen Vogelarten; als Zwischenwirte bekannt sind Myrmica-, Leptothorax-, Temnothorax-, Tetramorium-Arten und andere. In manchen Fällen verursacht die Infektion mit Cysticercoiden eine farbliche Abweichung der befallenen Individuen. Im Falle der Gattungen Leptothorax und Temnothorax sowie Harpagoxenus und Chalepoxenus sind befallene Ameisen heller als ihre Artgenossen, oft richtig gelb gefärbt. Im Falle eines Bandwurms des schottischen Moorschneehuhns hat man bei Myrmica-Zwischenwirten eine deutlich dunkler braune Färbung festgestellt. Infizierten Arbeiterinnen von Tetramorium-Arten sind äußerlich nicht von gesunden zu unterscheiden (Südfrankreich, Spanien: Ein Bandwurm von Hühnervögeln).
Bild 4 zeigt eine gesunde Arbeiterin von Temnothorax nylanderi (links oben) und zwei hellgelb gefärbte Nestgenossinnen, die zahlreiche Cysticercoide enthalten. Endwirte des Bandwurms (Anomotaenia brevis) sind mehrere Kleinvogelarten, u.a. der Kleinspecht, vielleicht auch Meisen.
Bild 5: „Finnen“ und junger Bandwurm aus Temnothorax nylanderi. Links sind 4 Cysticercoide (Finnen) aus der Gaster einer „gelben“ T. nylanderi-Arbeiterin. Sie liegen um den Darmtrakt herum locker im Gewebe verankert. Im Darm eines Endwirts (Kleinvogel) würde sich jede Finne ausstülpen (etwa wie ein Handschuhfinger), so dass der hakenbewehrte Kopf und die darunter angelegten 4 Saugnäpfe nach außen kommen (3 sichtbar). Mit etwas Druck lässt sich das auch unter dem Mikroskop erreichen (rechts). Ap = Ausstülpungsporus; C = Cyste; Hk = Hakenkranz; Sn = Saugnapf.
Mit den Haftvorrichtungen verankert sich der Wurm im Endwirt am Beginn des Dünndarms. Am Hinterende wächst er aus und gliedert eine lange, stetig wachsende Kette von Proglottiden (Bandwurmglieder) ab. Jede Proglottis hat männliche und weibliche Geschlechtsorgane. Die befruchteten Eier entwickeln sich im Uterus jeder Proglottis zu einer sechshakigen Larve. Dann wird das Ei abgegeben, oft in Gruppen und von Teilen des Uterus umhüllt, oder gar mit der ganzen Proglottis. Proglottis oder Uterusteile mit Eiern werden von den Ameisen aus dem Vogelkot geklaubt und an ihre Larven verfüttert. Die Hakenlarven schlüpfen, durchbohren den Darm der Ameisenlarve und setzen sich im „Mixocoel“, in der Leibeshöhle fest. Während der Entwicklung und Verpuppung der Ameisenlarve sorgen sie (auf bisher unbekannte Weise) dafür, dass die adulte Ameise eine abweichende Färbung bekommt. Der Finnenbefall ändert auch das Verhalten der Ameisen: Sie flüchten nicht, wenn das Nest geöffnet wird (bieten sich also einem Specht z.B. geradezu als Leckerbissen an). Sie sorgen auch dafür, dass infizierte Tiere viel länger leben als gesunde! Das ist wichtig für den Bandwurm: So besteht über längere Zeit die Chance, vom passenden Endwirt erbeutet zu werden.
(A. Buschinger)