Diskussion:Risiken der Haltung ausländischer Ameisen: Unterschied zwischen den Versionen
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Wenn's um Geld geht, hat die Natur verloren... | |||
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Die Arbeit von Heinze et al. habe ich mittlerweile gelesen. Die Vergrößerung des Körpers als Anpassung an kältere Gebiete war mir bisher nur von "Warmblütern" bekannt. Trotzdem ein schönes Beispiel für die Anpassung einer Ameisenart an ihre Umgebung. | |||
Zu der Arbeit von Boomsma & v.d. Have: Bin gerade unterwegs und habe somit leider keinen Zugriff auf die Arbeit. Aber wenn ich mich recht erinnere, wurde dort mit mehreren Markern innerhalb von 2 Genen gearbeitet. Dass gerade dies die Gene sind, die für die lokale Anpassung verantwortlich sind, ist natürlich höchst unwahrscheinlich. Aber je nach Lage der "Anpassungs-Gene" sind diese unterschiedlich stark an die untersuchten Gene gekoppelt und es lassen sich somit auch (begrenzt) Rückschlüsse auf diese Gene ziehen ohne sie direkt zu untersuchen. Somit lässt sich auch anhand dieser Arbeit (begrenzt) Rückschlüsse auf die Anpassung ziehen. | |||
Im Übrigen wurde bei den Sumpfschildkröten nicht anders vorgegangen. Hier wurde nur 1 Gen (Cytochrom b) untersucht. | |||
''"Ameisen, die gefährdet sind, haben ohnehin nix in Wohnzimmern zu suchen..." - Ja, aber wer von den Haltern hält sich daran? Wer weiß genau, dass er eine ungefährdete Art hat?'' | |||
Ich hoffe, dass ich das Ganze nicht zu optimistisch sehe. Aber die Mehrheit der Ameisenhalter wird wohl durch Personen gestellt, die eben mal kurz diesem "Trend" folgen. Die Königinnen werden somit bei einem der Shops bestellt oder auf dem Weg von der Schule aufgesammelt. Somit sehe ich keine Gefahr, dass da jemand an gefährdete Arten kommt. Halter, die wirklich aktiv in irgendwelchen Biotopen suchen, in denen gefährdete Arten zu finden sind, sind wohl die absolute Minderheit und besitzen dann hoffentlich die Intelligenz sich nur auf das Anschauen zu beschränken. | |||
Zu der Sache mit den 200 Tetramorium... fällt mir auch nichts mehr ein. Jedenfalls hab ich so das Gefühl, dass die deutschen Ameisenhalter doch etwas mehr Anstand und Verständnis zeigen. Beim Blick in ausländische Foren und die dortigen Haltungs-Gewohnheiten, bekommt man doch den Anschein, dass wir hier zu Lande respektvoller mit dem Thema umgehen. Vielleicht ist ihr Engagement doch nicht ganz vergebens. | |||
Um nochmal auf das ursprüngliche Thema intraspezifische Homogenisierung zurückzukommen. Ich denke, dass ich den Hintergrund ihrer Warnung nun besser verstehe, auch wenn ich dieses Risiko (so wie in dem Wiki-Beitrag dargestellt) eben für etwas überzogen halte (meine subjektive Meinung) auch wenn ich ihre Intention verstehe. Sicher ist ein Risiko da. Wie groß dies jedoch ist, wird wohl keiner genau bemessen können. Ob es nun besser ist eine nicht mehr gewollte Lasius niger Kolonie zu überbrühen oder sie freizulassen sei auch dahin gestellt. Ist wohl eine persönliche Ermessensfrage. Ich bezweifel, dass die Ameisenhaltung durch intraspezifische Homogenisierung die heimischen Ameisen in irgendeiner Weise schädigen könnte. Ein Hinweis auf das bestehende Risiko ist dennoch angebracht, alleine um die Leute zu sensibilisieren und klar zu machen, dass im Hintergrund doch komplexere Vorgänge vorhanden sind, in die man sich besser nicht einmischt. | |||
Somit möchte ich mich nochmals für ihre Beteiligung bedanken. | |||
The_Paranoid (der sich unter einem Pseudonym immer noch wohler fühlt ;)) | |||
Aktuelle Version vom 6. März 2009, 08:32 Uhr
Originalartikel muss gelöscht werden. Als Zeitschriftenbeitrag kann er nicht der GNU-Lizenz unterstellt werden. Der Autor.
intraspezifische Homogenisierung - Sinn oder Unsinn ?
Durch eine Diskussion auf http://www.ameisenforum.de/einsteigerfragen/30724-gibt-es-fliegende-ameisen-auch-gefangenschaft.html#post185332 hab ich mal etwas mehr über das Thema intraspezifische Homogenisierung nachgedacht. Und irgendwie will mir die Begründung nicht so recht einleuchten. Es werden 2 Argument genannt, warum intraspezifische Homogenisierung zu vermeiden ist.
Verlust von Anpassung an ein bestimmtes Habitat: Hier reicht eigentlich nur ein Stichwort: Evolution. Würden eine Anpassung verloren gehen, würde das heissen, dass es keine Evolution gibt. Wie soll sich eine negative Eigenschaft weiter ausbreiten. Als Antwort kam dann : Die Gefahr liegt ja grade darin begründet, dass die homogenisierte Teilpopulation nicht gleich zugrunde geht. Die "fremden" Gene breiten sich erstmal munter in der Teilpopulation aus. Ich kopier jetzt einfach mal meine Antwort aus dem betreffenden Thread
Da frag ich mich wie sich dieses "fremde Gen" so munter verbreiten soll. Mal angenommen, ein Halter lässt seine Geschlechtstiere frei... diese stellen dann einen utopisch hohen Wert von 1% aller schwärmenden Geschlechtstiere in diesem Jahr. Bedeutet, dass etwa 1% aller Kolonien die in diesem Jahr gegründet werden dieses fremde Gen haben. Nehmen wir an, dass zu dem momentanen Zeitpukt dieses Gen weder positive noch negative Auswirkungen auf die Fitness hat, so wird in 100 Jahren immernoch 1% der Population dieses Gen haben. Ohne selektiven Druck der dieses Gen begünstigt, wird der Anteil der Population mit diesem Gen nicht größer. Also haben auch in 200 Jahren noch 1% der Population dieses Gen. Jetzt trifft endlich das viel beschworene Ereignis ein, dass einen selektiven Druck hervorruft wodurch die Individuen mit dem fremden Gen aussterben. Und somit überleben die Tiere ohne das fremde Gen. Also ist alles wieder so wie am Anfang ... sehe immernoch kein Problem, da sich dieses "fremde Gen" eben nicht munter die gesamte Population "infiziert" und der Hauptteil der Population immernoch durch lokal angepassten Individuen gestellt wird. Falls irgendwo ein Fehler in meinem Gedankengang ist, möge man mich darauf hinweisen.
Der 2te Punkt ist, dass "Biogegographie und Phylogeographie erschwert oder sogar wertlos wird". Erstens ist die Frage, in wie weit so etwas überhaupt möglich ist. Habe eine Arbeit gelesen, bei der bei Lasius niger in einer Entfernung von 1000km keine signifikanten Unterschiede zwischen Populationen festgestellt wurden. Hier wäre phylogenetische Untersuchungen sinnlos und eine Homogenisierung somit egal. Natürlich wird das nicht bei jeder Art so sein. Aber wie weit dann eine Homogenisierung Probleme bei phylogenetischen Analysen bereitet ist am Menschen zu sehen. Wir homogenisieren wohl weitaus stärker als es bei Ameisen möglich ist ... selbst wenn jeder Halter seine Geschlechtstiere freilassen würde. Trotzdem sind beim Menschen sehr genaue Analysen gemacht worden wie die Völkerbewegungen aussahen, wer was besiedelte und zu welchem Anteil ein Mensch welcher Abstammung ist. Wenn dies beim Menschen möglich ist, wieso nicht bei Ameisen.
Ich sehe also beide Punkte als vollkommen unbegründet an und frage mich jetzt, ob in meiner Argumentation/Sichtweise irgendwo ein Fehler liegt, oder ob dieses Risiko der intraspezifischen Homogenisierung einfach nur im Zuge der Exoten-diskussion hochgespielt wird.
The_Paranoid (25.06.08)
Antwort:
The_Paranoid: „Ich sehe also beide Punkte als vollkommen unbegründet an und frage mich jetzt, ob in meiner Argumentation irgendwo ein Fehler liegt, oder ob dieses Risiko der intraspezifischen Homogenisierung einfach nur im Zuge der Exoten-diskussion hochgespielt wird.“
- Kennen Sie die in dem Wiki-Beitrag zitierten wissenschaftlichen Arbeiten?
- „Hochgespielt“ wird hier gar nichts! Zumindest nicht in dem im AWiki wörtlich wiedergegebenen Beitrag, der in zwei wissenschaftlichen Zeitschriften (deutsch und englisch) abgedruckt wurde, jeweils begutachtet von Fachwissenschaftlern, die keine inhaltliche Kritik angebracht haben! Kritik von Wissenschaftlern ist bis heute nicht erfolgt!
Ich kann nichts dazu, wenn einzelne Forenuser die Aussagen meiner Arbeiten verzerren und gelegentlich tatsächlich „hochspielen“. Viel häufiger stellen Forenuser jedoch ihre eigene „Meinung“ ohne vernünftige Begründung über die Aussagen von Wissenschaftlern und diskreditieren wissenschaftlich belegte Erkenntnisse großzügig als „hochgespielt“, „übertrieben“ usw..
Bestenfalls wird ein Einzelfall hervorgeholt, der die Voraussagen der Wissenschaftler zu widerlegen scheint (aber eben nur „scheint“!).
„Verlust von Anpassung an ein bestimmtes Habitat: Hier reicht eigentlich nur ein Stichwort: Evolution.“
- Nein, dazu muss man Evolution nicht nur buchstabieren können, man muss sie schon verstehen, und auch die Populationsgenetik. Niemand hat behauptet, dass bei JEDER intraspezifischen Faunenverfälschung ein negativer Effekt auftritt, auftreten muss. „Intraspezifische Faunenverfälschung“ war der von mir ursprünglich gebrauchte Begriff; er wurde von einem der Zeitschriften-Herausgeber in „intraspezifische Homogenisierung“ umgewandelt. Das trifft es zwar besser, ist aber für Laien auch weniger verständlich.
Die Rede ist von einem Risiko. Wie hoch dieses Risiko ist, ob 0.1 %, 1 % oder 10 %, bezogen auf die Zahl der freigekommenen Arten und/oder die Häufigkeit der Freilassung der einzelnen Arten, das kann die Wissenschaft heute absolut noch nicht sagen, zumal ja keinerlei brauchbare Angaben über die Zahl der verkauften bzw. selbst gesammelten und importierten Tiere erhältlich sind.
Aber es ist sicher belegt, dass solche Risiken bestehen. Die Forderung lautet: Solche Risiken sind, wo immer möglich, zu vermeiden!
(Importe ausländischer Ameisen sind nicht lebensnotwendig, müssen nicht sein, stellen damit ein vermeidbares Risiko dar).
Beispiele gibt es mehrere. Ich verweise gerne auf die "Europäische Sumpfschildkröte". Die hier verlinkten Seiten empfehle ich Ihnen zum gründlichen Studium:
http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Sumpfschildkr%C3%B6te
http://hessen.nabu.de/imperia/md/content/hessen/fachbeitraege/3.pdf
http://www.bund-hessen.de/presse/2001/pm_reinheim.html
Hieraus z.B.:
„Molekularbiologische Untersuchungen, die im Auftrag des BUND von der Universität Heidelberg durchgeführt wurden, beweisen, dass sich die nur noch kleine Population der Reinheimer Sumpfschildkröten offensichtlich mehrheitlich aus heimischen Tieren zusammensetzt. Zwischen Mai und August wurden zwei ausgewachsene weibliche und vier männliche Tiere gefangen. Die meisten Tiere wurden zwischenzeitlich untersucht und mehrheitlich als "echte Hessen" identifiziert. Auch die zuletzt gefangenen Tiere, für die der Gen-Test noch aussteht, werden nach dem äußeren Erscheinungsbild vom BUND für wahrscheinlich einheimische Tiere gehalten.“
Das ist der Stand von 2001. Das letzte Wort über die Hybridisierung mit ausgesetzten südeuropäischen Sumpfschildkröten ist hier noch nicht gesprochen.
Die verlinkten Seiten können Ihnen auch einen Eindruck vermitteln von der Komplexität der Problematik, und von dem Personal- und Kostenaufwand, der mit den Forschungen und daraus resultierenden Naturschutzmaßnahmen verbunden ist.
Sumpfschildkröten sind noch ein vergleichsweise einfaches und auch publikumswirksames Modell. Bei Ameisen dürfte kein Schwein dahinterkommen, ob nun dank der Verteilung von Temnothorax crassispinus unter dem Namen der nahe verwandten T. nylanderi im Verbreitungsgebiet von nylanderi „Inseln“ mit crassispinus entstehen (oder umgekehrt). Über die N-S-verlaufende Verbreitungsgrenze der beiden Arten wird zurzeit geforscht. Dort kommen von Natur aus auch Hybridisierungen vor.
Damit sind wir beim Thema 2: Biogeographie und Phylogeographie“.
„Habe eine Arbeit gelesen, bei der bei Lasius niger in einer Entfernung von 1000km keine signifikanten unterschiede zwischen Populationen festgestellt wurden. Hier wäre phylogenetische Untersuchungen sinnlos“
- Nicht ganz: Erstens muss man ja mit einer entsprechend ausgelegten Untersuchung erst mal nachweisen, dass keine Unterschiede vorliegen. Zweitens wird Lasius niger mit getopften Pflanzen usw. in weiten Teilen ihres Verbreitungsgebietes seit Jahrhunderten „homogenisiert“: Der Mangel an Unterschieden kann bereits das Ergebnis dieser Homogenisierung sein! Ihr Beispiel Lasius niger ist in diesem Zusammenhang auch ziemlich bedeutungslos, ein Einzelfall, der nicht verallgemeinert werden darf. Können Sie die Arbeit zitieren, in der Sie das gelesen haben, Autor, Zeitschrift, Jahrgang, Seitenzahlen? – Negativ-Beweise sind übrigens ganz besonders schwierig zu erbringen! Schlüsse auf andere Arten kann man nicht ziehen.
Zweifellos sind Auswirkungen von intraspezifischer Homogenisierung und Folgerungen für die Biogeographie bei selteneren Arten oder solchen mit kleinen, isolierten Reliktvorkommen eher zu beobachten und auch eher schädlich, als bei weit verbreiteten, häufigen Arten. Bei letzteren dürften Probleme, falls überhaupt, erst in sehr langen Zeiträumen bemerkbar werden.
Der Mensch ist für diese Problematik das denkbar ungeeignetste Objekt:
„Trotzdem sind beim Menschen sehr genaue Analysen gemacht worden wie die Völkerbewegungen aussahen, wer was besiedelte und zu welchem Anteil ein Mensch welcher Abstammung ist. Wenn dies beim Menschen möglich ist, wieso nicht bei Ameisen.“
- Es ist doch wohl einleuchtend, dass der Mensch ein genuines Interesse an seinem eigenen Schicksal hat, dass daher für entsprechende Forschung sehr viel Geld bereit gestellt wird. Wer aber soll solche Forschung über Ameisen finanzieren? Wer hat Interesse daran? Ergebnisse lassen sich nicht vermarkten! Deshalb werden nur einzelne einschlägige Untersuchungen durchgeführt, damit man erfährt, was prinzipiell möglich ist. Verallgemeinerung der Ergebnisse ist auch hier nicht immer sinnvoll.
„Intraspezifische Homogenisierung“ beim Menschen ist gewiss ubiquitär. Weit mehr als bei irgendeinem anderen Lebewesen. Mögliche Folgen der Hybridisierung (z.B. gesundheitlicher Art) sind durch die Zivilisation überdeckt (z.B. medizinische Hilfe). Angepasst sind wir im Wesentlichen an unsere selbst geschaffene, sehr künstliche Umwelt, die in Alaska kaum anders als in Ägypten ist (wo nötig, wird geheizt, bzw. gekühlt usw.). Kulturell geprägte Partnerwahl (Vermeidung von „Mischehen“ aller Art) dürfte einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen sich immer wieder relativ „reinerbig“ erhalten.
Stellen Sie sich aber mal die Situation vor der Hochtechnisierung vor: Ein Afrikaner aus dem Kongo würde zu den Eskimos „versetzt“. Wenn er nicht gleich erfrieren oder an der ungewohnten Fisch-, Fleisch- und Fettkost zugrunde gehen würde, könnte er mit einer Eskimofrau Mischlingskinder erzeugen. Auch diese wären sicher nicht optimal an die Lebensverhältnisse der Eskimos angepasst. Würden sie frühzeitig sterben, wäre nicht nur das Reproduktionspotential des Afrikaners, sondern auch das der Eskimofrau beeinträchtigt.
In einer kleinen Population (von Tieren) kann eine solche Verringerung des Fortpflanzungserfolges bereits die ganze Population m.o.w. deutlich näher an das Aussterben bringen.
Fazit: Ihre Überschrift „intraspezifische Homogenisierung - Sinn oder Unsinn?“ muss ich als Unsinn scharf zurückweisen!
A.B.
Erst einmal möchte ich mich für die Antwort bedanken. Mir geht es nicht darum eine Arbeit zu diskreditieren oder darum sie als falsch darstehen zu lassen. Ich persönlich kann die gegebene Argumentation einfach nicht nachvollziehen und möchte das ändern. Nur weil sie veröffentlicht wurde heisst schließlich noch nicht, dass man sie ungesehen als Wahrheit hinnehmen muss. Erst neulich gab es eine Untersuchung, wieviele wissenschaftliche Veröffentlichungen auf gefälschten Daten basieren mit erschreckendem Ergebnis. Somit sehe ich ein gesundes Misstrauen durchaus als gerechtfertigt an.
Die zitierten Arbeiten kenne ich leider nicht. Eine vernünftige Referenz habe ich leider auch nicht gefunden. Werde mir die Arbeit von Heinze et. al, 1999 aber besorgen, sobald ich den Titel in Erfahrung bringen kann.
A.B.:Niemand hat behauptet, dass bei JEDER intraspezifischen Faunenverfälschung ein negativer Effekt auftritt, auftreten muss. [...] Die Rede ist von einem Risiko.
Nungut. Unterscheiden wir hier erstmal 2 Fälle. Einmal eine sehr weit verbreitete Art. Hier sehe ich überhaupt kein Risiko. Der geringe Anteil der "Neuzugänge", die durch das freilassen gestellt werden, fällt hier nicht ins Gewicht. Ok .. es werden dann Nachkommen entstehen die schlechter angepasst sind. Diese werden aber einen verschwinden gerinen Anteil an der Gesamtpopulation stellen, so dass das (eventuelle) Sterben dieser Nachkommen wohl unter saisonale Schwankungen fallen kann und keine Gefahr für die Gesamtpopulation darstellt (Besser und schlechte angepasste Individuen gibt es immer.. unabhängig von Einbringung fremder Individuen). Wieder Stichwort Evolution... sie werden sich nicht weiter vermehren und die gesamte Population "infizieren".
Bei kleinen Populationen einer gefährdeten Art sieht das dann wohl anders aus. Das Afrikaner-Eskimo-Beispiel fand ich da sehr gut. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass wir hier von Ameisen aus der Haltung reden. Ameisen, die gefährdet sind, haben ohnehin nix in Wohnzimmern zu suchen... das nur am Rande. Aber nehmen wir trotzdem mal an, dass Ameisen freigelassen werden, von denen vor Ort nurnoch eine kleine lokale Population existiert, die spezielle Anpassungen an ihre Umgebung hat. Zugegeben: hier ist es schwer zu sagen was passiert. Natürlich kann es dazu führen, dass die Population dezimiert wird. Anderseits sind gerade bei sehr kleinen Populationen ein paar frische Gene besonders wichtig. Meine mich an eine Grenze von etwa 100 Tiere zu erinnern. Eine kleinere Population stirbt zwangsläufig aus, da der Genpool zu wenig Variationen bietet. Nicht zu vergessen ist auch, dass die Population durch die freigelassenen Tiere vergrößert wird(letztendlich auch ein positiver Effekt) was davon jetzt überwiegt und ob das Einbringen fremder Tiere Vor- oder Nachteile hat ... darüber kann man eigentlich nur spekulieren und lässt sich nicht allgemein gültig beantworten. Es sei aber noch einmal angemerkt, dass auch bei kleinen, gefährdeten Populationen ein Einbringen fremder Tiere sowohl negative als auch positive Effekte haben KANN, oder? Ein Risiko ist jedenfalls da.
Übrigens danke für die Links zu der Sumpfschildkröte. War eine interessante Lektüre. Jedoch habe ich in den 3 Links keinen Hinweis darauf gefunden, dass eine "intraspezifische Homogenisierung" schädlich für die Sumpfschildkröte ist. Es wurde darauf hingewiesen, dass diese hessische Population etwas besonderes sei, da sonst nur Mischpopulationen aus Süd bzw. Ost-Schildkröten vorhanden sind. Aber ob ohne Homogenisierung die hessische Population vielleicht die einzige wäre, oder ob es ohne Homogenisierung "reine" Schildkröten an jeder Strassenecke gäbe ... darauf fehlt jeder Hinweis, oder hab ich etwas überlesen?
Zum Thema "Biogeographie und Phylogeographie" Bei der entsprechenden Arbeit über Lasius niger habe ich mich auf "Queen mating and paternity variation in the ant Lasius niger, J. J. Boomsma and T. M. van der Have, Molecular Ecology 7, 1998, 1709-1718" bezogen. Hier ist von einer "panmictic and not genetically differentiated" Population die Rede. Klingt für mich als ob es da vollkommen egal ist, als ob ich eine Lasius niger aus dem Norden nehme und sie im Süden 1000km weiter wieder frei lasse(innerhalb des untersuchten Gebietes).
A.B.: Zweifellos sind Auswirkungen von intraspezifischer Homogenisierung und Folgerungen für die Biogeographie bei selteneren Arten oder solchen mit kleinen, isolierten Reliktvorkommen eher zu beobachten und auch eher schädlich, als bei weit verbreiteten, häufigen Arten.
Ist nicht gerade die europäische Sumpfschildkröte ein Beispiel dafür, dass es trotzdem wunderbar klappt, wenn sich der Mensch die Mühe macht. Dass solche Untersuchungen kostspielig sind und für soewtas bei Ameisen weniger Geld zusammenkommt als beim Menschen oder der Schildkröte hat wohl nichts mit der Homogenisierung zu tun, sondern einfach mit der Prioritätsverteilung der jeweiligen Geldgeber. Im Gegensatz zum ersten Punkt sehe ich hier kein wirkliches Argument.
mfG, T_P
Habe im Moment wenig Zeit; Antwort nächste Woche! A.B.
Hallo The_Paranoid:
"Die zitierten Arbeiten kenne ich leider nicht. Eine vernünftige Referenz habe ich leider auch nicht gefunden. Werde mir die Arbeit von Heinze et. al, 1999 aber besorgen, sobald ich den Titel in Erfahrung bringen kann."
Hier ist die Bibliographie:
Heinze, J., Foitzik, S., Kipyatkov, V.E., Lopatina, E.B. 1998. Laditudinal variation in cold hardiness and body size in the boreal ant Leptothorax acervorum. Entomologia Generalis, 22: 305-312. (Das ist die im Artikel im Wiki gemeinte Arbeit. Ursprünglich hatte ich eine 1999 in einem Kongressbericht veröffentlichte Fassung angegeben).
"Ist nicht gerade die europäische Sumpfschildkröte ein Beispiel dafür, dass es trotzdem wunderbar klappt, wenn sich der Mensch die Mühe macht".
Aber wer würde sich um eine Ameisenart eine solche Mühe machen? - Abgesehen davon, dass das technisch einfach nicht machbar wäre.
Ich tu mir immer etwas schwer, mit Unbekannten unter Pseudonym zu diskutieren: Sie sind so schwer einzuordnen. Mit Ihrem Zitat von Boomsma & v.d. Have haben Sie wenigstens gezeigt, dass Sie nicht, wie so viele in den Foren, über etwas reden, was sie nur vom Hörensagen oder aus privaten Webseiten kennen, sondern wissen, was es mit wissenschaftlichen Arbeiten auf sich hat.
Zu der Arbeit Boomsma & v.d. Have selbst: Für solche Untersuchungen werden nur sehr wenige Genschnipsel sequenziert, zumeist auch noch von DNA- oder RNA-Abschnitten, die nicht codieren. Natürlich gibt es in jeder Art zahllose Gensequenzen, die über das gesamte Verbreitungsgebiet identisch sind. Nur einige wenige (codierende, also mit Gen-Funktion) sind variabel und sorgen lokal für Anpassung. – Jetzt ganz grob formuliert! Ich kann hier kein Genetik-Lehrbuch schreiben. Eine genetische Arbeit von 1998 ist auch schon ganz schön alt, was aber nichts heißen muss.
„Ameisen, die gefährdet sind, haben ohnehin nix in Wohnzimmern zu suchen...“ - Ja, aber wer von den Haltern hält sich daran? Wer weiß genau, dass er eine ungefährdete Art hat?
„Anderseits sind gerade bei sehr kleinen Populationen ein paar frische Gene besonders wichtig. Meine mich an eine Grenze von etwa 100 Tiere zu erinnern. Eine kleinere Population stirbt zwangsläufig aus, da der Genpool zu wenig Variationen bietet“
- Es ist ja eine lange gehätschelte Meinung, dass kleinen Populationen eine „Blutauffrischung“ gut tue. Sie KANN gut tun, sie KANN zum völligen Erlöschen der Population führen, sie KANN dazu führen, dass die bisherige Population durch eine ganz andere (Misch-) Population ersetzt wird. In der Zoohaltung und aus jagdlichen Interessen hat man viele solche Erfahrungen gesammelt, leider wenig daraus gelernt.
Ansonsten habe ich leider einfach nicht die Zeit, um jedem einzeln alles haargenau zu verklickern.
Es ist auch zwecklos, sich hier mit Haarspaltereien die Finger wund zu klopfen: Ich erreiche absolut NICHTS damit!
Kürzlich im Antstore-Forum (engl. Forum) ging es um einen Händler aus Bratislava (Slowakei), der sich brüstet, gegen 200 Tetramorium-Königinnen gesammelt zu haben. Art unbekannt.
Sie sollen verkauft werden, an „Firmen, die Ameisen verkaufen“, andere an Freunde, oder zusammen mit einem neu entwickelten Formikarium.
In Budapest habe ich schon vor Jahren im 8. Stock eines Hotels eine Tetramorium sp. als Hausameise im Bad gehabt…… Zur Tetramorium-Systematik gibt es hier Informationen: http://www.ameisenwiki.de/index.php/Tetramorium_caespitum/impurum-Komplex
Welcher deutsche Händler wird die no-name-Tetramorium aus der Slowakei demnächst anbieten und in Westeuropa verteilen?
http://www.antstore.net/viewtopic.php?t=8898
What will you do with 200 queens?
- SteveUK28 (Age: 28, Joined: 19 Nov 2007, Posts: 609, Location: Cardiff, Wales, UK , Posted: 25.6.08 at 11:34 am)
- obviously sell them lol
- Skippy (Age: 18, Joined: 24 Sep 2006, Posts: 793, Location: Bratislava, Posted: 25.6.08 at 7:18 pm)
- some queens will be sell to companies which selling ants (100-150 queens) , some I´ll get as gift to friend and ant-keepers which starting with ants (or for 1 EUR)...
- then , at September-October , I´ll show new type of formicarium which have not Antstore , Mrowkoyad or other shop , new generation and there will be some choice to buy it with ants , one option is tetramorium...
Wenn's um Geld geht, hat die Natur verloren...
Die Arbeit von Heinze et al. habe ich mittlerweile gelesen. Die Vergrößerung des Körpers als Anpassung an kältere Gebiete war mir bisher nur von "Warmblütern" bekannt. Trotzdem ein schönes Beispiel für die Anpassung einer Ameisenart an ihre Umgebung.
Zu der Arbeit von Boomsma & v.d. Have: Bin gerade unterwegs und habe somit leider keinen Zugriff auf die Arbeit. Aber wenn ich mich recht erinnere, wurde dort mit mehreren Markern innerhalb von 2 Genen gearbeitet. Dass gerade dies die Gene sind, die für die lokale Anpassung verantwortlich sind, ist natürlich höchst unwahrscheinlich. Aber je nach Lage der "Anpassungs-Gene" sind diese unterschiedlich stark an die untersuchten Gene gekoppelt und es lassen sich somit auch (begrenzt) Rückschlüsse auf diese Gene ziehen ohne sie direkt zu untersuchen. Somit lässt sich auch anhand dieser Arbeit (begrenzt) Rückschlüsse auf die Anpassung ziehen. Im Übrigen wurde bei den Sumpfschildkröten nicht anders vorgegangen. Hier wurde nur 1 Gen (Cytochrom b) untersucht.
"Ameisen, die gefährdet sind, haben ohnehin nix in Wohnzimmern zu suchen..." - Ja, aber wer von den Haltern hält sich daran? Wer weiß genau, dass er eine ungefährdete Art hat?
Ich hoffe, dass ich das Ganze nicht zu optimistisch sehe. Aber die Mehrheit der Ameisenhalter wird wohl durch Personen gestellt, die eben mal kurz diesem "Trend" folgen. Die Königinnen werden somit bei einem der Shops bestellt oder auf dem Weg von der Schule aufgesammelt. Somit sehe ich keine Gefahr, dass da jemand an gefährdete Arten kommt. Halter, die wirklich aktiv in irgendwelchen Biotopen suchen, in denen gefährdete Arten zu finden sind, sind wohl die absolute Minderheit und besitzen dann hoffentlich die Intelligenz sich nur auf das Anschauen zu beschränken.
Zu der Sache mit den 200 Tetramorium... fällt mir auch nichts mehr ein. Jedenfalls hab ich so das Gefühl, dass die deutschen Ameisenhalter doch etwas mehr Anstand und Verständnis zeigen. Beim Blick in ausländische Foren und die dortigen Haltungs-Gewohnheiten, bekommt man doch den Anschein, dass wir hier zu Lande respektvoller mit dem Thema umgehen. Vielleicht ist ihr Engagement doch nicht ganz vergebens.
Um nochmal auf das ursprüngliche Thema intraspezifische Homogenisierung zurückzukommen. Ich denke, dass ich den Hintergrund ihrer Warnung nun besser verstehe, auch wenn ich dieses Risiko (so wie in dem Wiki-Beitrag dargestellt) eben für etwas überzogen halte (meine subjektive Meinung) auch wenn ich ihre Intention verstehe. Sicher ist ein Risiko da. Wie groß dies jedoch ist, wird wohl keiner genau bemessen können. Ob es nun besser ist eine nicht mehr gewollte Lasius niger Kolonie zu überbrühen oder sie freizulassen sei auch dahin gestellt. Ist wohl eine persönliche Ermessensfrage. Ich bezweifel, dass die Ameisenhaltung durch intraspezifische Homogenisierung die heimischen Ameisen in irgendeiner Weise schädigen könnte. Ein Hinweis auf das bestehende Risiko ist dennoch angebracht, alleine um die Leute zu sensibilisieren und klar zu machen, dass im Hintergrund doch komplexere Vorgänge vorhanden sind, in die man sich besser nicht einmischt.
Somit möchte ich mich nochmals für ihre Beteiligung bedanken.
The_Paranoid (der sich unter einem Pseudonym immer noch wohler fühlt ;))