Archiv älterer Ereignisse/2006: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 15. Mai 2011, 12:55 Uhr
Focus - Bericht über Tierhandel (21.12.06)
http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/natur/tierhandel_nid_41409.html
Ansehen und Kommentare schreiben!!
Aus aktuellem Anlass: KEINE Ameisen zu Weihnachten verschenken! 18.12.06
Siehe hier: http://www.ameisenwiki.de/index.php/Ameisen_als_Geschenk
„Weihnachtsangebote“ bei den Ameisenhändlern, Komplettsets und „schlafende“ Ameisen auf dem Gabentisch von Anfängern. Es mag ja alles lieb gemeint sein. Vernünftig ist es nicht!
Ganz allgemein sind lebende Tiere als Geschenk problematisch, am schlimmsten als Überraschungsgeschenk, wenn der glückliche Empfänger unvorbereitet ist oder sich womöglich ein ganz anderes Tier gewünscht hat.
Schon jetzt, wenige Tage vor dem Fest, kommen in Ameisenforen die Anfragen: Jemand schenkt mir zu Weihnachten eine Kolonie Lasius niger. Was muss ich beachten? Was zuerst tun? Ist es überhaupt gut, jetzt im Winter mit der Ameisenhaltung anzufangen? Die klare Antwort auf die letzte Frage ist:
NEIN!
Einheimische Arten wie Lasius niger sind jetzt in der Winterruhe. Ein Geschenk, das man erst mal für 3-4 Monate in den Kühlschrank versenken muss, wird wenig Freude bereiten.
Exotische Arten sind ohnehin für den Anfänger absolut ungeeignet. Wenn sie dann wegen ungeeigneter Bedingungen schnell sterben, ist die Freude auch nur von kurzer Dauer gewesen.
Der VORSCHLAG: Schiebt doch das Geschenk auf bis nach der Winterruhe, etwa zu Ostern!
Gänzlich unklug ist das Verschenken von Gelfarmen, Antquarium, Antworks usw.: Sie sind ohnehin untauglich und für den wahren Tierfreund und Ameisenliebhaber ein Gräuel.
Im Winter verschenkt, kommt das Problem hinzu, dass gar keine Ameisen erhältlich sind, die man zum Sterben in dem Apparat versenken kann. Bis zum Frühjahr ist das Gel wahrscheinlich schon vertrocknet oder vergammelt.
DASW-Arbeitskreis „Haltung von Ameisen“ geplant (04.12.2006)
Die Deutsche Ameisenschutzwarte hat auf ihrer Jahresversammlung im September 2006 beschlossen, einen „Arbeitskreis Haltung von Ameisen“ einzurichten.
Einzelheiten sind hier zu finden:
http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/viewtopic.php?t=389
Millionenbetrug mit Ameisenzucht (16. Juni 2009)
http://www.news.com.au/story/0,23599,20827439-13762,00.html
Investoren ausgetrickst mit “Schwarzen Ameisen”Von Korrespondenten in Peking November 27, 2006 10:07am Artikel von Reuters
Eine Firma im nördlichen China kassierte 485 Millionen Australische Dollar (ca. 290 Mio EUR) von leichtgläubigen Anlegern mit dem Versprechen hoher Profite aus einem Ameisenzucht-Projekt, so die Nachrichtenagentur Xinhua.
Die Donghua Ecological Breeding Company in der Provinz Liaoning versprach 35 bis 60 Prozent Gewinn auf Investitionen in das betrügerische Projekt.
Die staatliche Agentur Xinhua zitiert das Sicherheitsministerium, das den Fall als Beispiel dafür anführte, wie Betrüger immer fantasievoller werden.
Der Bericht erklärte nicht, weshalb Bürger in die Ameisenzucht investieren sollten. Aber in der südlichen Region von Guangxi werden „Schwarze Ameisen“ in Beuteln verkauft, die man in Tee taucht, oder mit Alkohol getränkt zu sich nimmt, als natürliches Heilmittel für Erkrankungen wie z.B. Arthritis.
Heute - 25.10.06 - in ARTE um 19:00 Uhr Film zur Invasionsbiologie
Heute - 25.10.06 - kommt in ARTE um 19:00 Uhr der dritte Teil einer Reportage über "Die Rache der Schöpfung". In diesem dritten Teil geht es um den "Angriff der Parasiten" - um eingeschleppte Viren und Insekten !!! Die Teile 1 und 2 (23. und 24. 10 06) waren bereits sehenswert; die gezeigten Szenen über die an Honigbienen bei uns und in den USA verursachten Schäden durch eingeschleppte, exotische Parasiten stimmen sehr nachdenklich mit Blick auf die Verteilung ausländischer Ameisen (samt ihrer Parasitenfracht!) in Deutschland und Europa.
Anders als bei Bienen, wo wirtschaftliche Interessen dahinterstehen, wird wohl kaum jemand bemerken, wenn einige einheimische Ameisenarten dank einer eingeschleppten Erkrankung verschwinden, und schon gar niemand wird eine Bekämpfung eines solchen Ameisen-Schädlings finanzieren!
Eine deutsche TV-Produktion von 2005, wohl als Wiederholung.
mfG, A. Buschinger
Band 8 der Myrmecologischen Nachrichten ist erschienen und online! (19.10.06)
Band 8 ist ein Gedenkband zu Ehren von Stefan Schoedl.
53 Wissenschaftler aus 17 Laendern auf fuenf Kontinenten verfassten insgesamt 35 Beitraege zur Morphologie, Phylogenie, Systematik, Taxonomie und Zoogeographie der Ameisen.
Unter vielem anderen ist ein Beitrag von B. Seifert über die Taxonomie von Temnothorax saxonicus und T. sordidulus enthalten sowie die Beschreibung zweier neuer Temnothorax-Arten aus der Türkei. R.W. Taylor schreibt über Ameisen der Gattung Meranoplus aus den Regenwäldern des nordöstlichen Australien, mit Beschreibung von drei neuen Arten. Auch A. N. Andersen befasst sich mit der Systematik der Gattung Meranoplus in Australien.
Mit einer von F.M. Steiner, B. Schlick-Steiner und K. Moder entwickelten Technik lassen sich jetzt die Arten des Tetramorium caespitum/impurum-Komplexes bestimmen.
Neben der gedruckten Version (€ 20 bzw. € 10 fuer Mitglieder der OEGEF, Oesterreichische Gesellschaft fuer Entomofaunistik), gibt es eine nicht druckbare Online-Version, die unter http://www.oegef.at/myrmekologische.html einzusehen ist.
Bestellungen der gedruckten Version bitte per E-mail an herbert.zettel@nhm-wien.ac.at; die Zahlungsmodalitaeten sind einsehbar unter http://www.oegef.at/Preise.pdf.
Der naechste regulaere Band, Band 9, soll Ende 2006 veroeffentlicht werden.
Gruesse aus Suedaustralien (11.10.06)
Nachdem ich Probleme habe, mich von hier aus beim DASW-Forum und andernorts einzuloggen, will ich hier ein paar Gruesse loswerden. Kann ja spaeter geloescht werden. - Hier gibt es nicht viele Internetcafes, und meistens sind wir auch in irgendwelchen Nationalparks unterwegs, Wandern, Blumengucken, Myrmecia fotografieren, Delfine fuettern, mit Walen schwimmen, usw. - Es ist herrlich! Heute der erste Regentag, daher habe ich auch Zeit, ins Net zu gehen. Viele Gruesse an alle, und bis bald, A. Buschinger
Edit 21.11.06:
http://www.antstore.net/viewtopic.php?t=4582
Hier und in vorhergehenden threads sind ein paar Bildberichte über unsere Erfahrungen im südlichen Westaustralien zu finden.
(A. Buschinger)
Neue Hoffnung im Kampf gegen invasive Ameisen? (19.09.2006)
Aus der Universität von Kalifornien in Irvine kommt ein Bericht über laufende Versuche, die eingeschleppte "Argentinische Ameise" (Linepithema humile) mit Hilfe synthetischer Duftstoffe zu bekämpfen. Die Duftstoffe sollen bewirken, dass Tiere, die damit in Berührung gekommen sind, von ihren Artgenossen angegriffen und getötet werden. Das Verfahren ist allerdings noch weit von einer praktischen Anwendung entfernt. Ein ausführlicher Bericht findet sich hier:
http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/viewtopic.php?t=369
(A. Buschinger, 19.9.06)
Nochmals: TV-Bericht über die in Köln ausgebrochenen Blattschneiderameisen
http://www.stern.de/tv/?nv=redir
Mittwoch 06.09.2006 | 22:15 Uhr
"Was krabbelt denn da?" Wie böse fremde Tiere über Deutschland herfallen
DDP Blattschneiderameisen: Nachbars Garten überfallen
Hobbygärtner Karl Ditz hat ein Problem: In seinem liebevoll gepflegten Grün haben sich tropische Blattschneiderameisen ausgebreitet. Erst litten die Wildrosen, dann die Fuchsien, schließlich war auch der Hibiskus in der Gartenanlage kahlgefressen. Die Plage hat der Nachbar eingeschleppt.
"Es waren schwarze Karawanen", beschreibt der pensionierte Gärtnermeister das Elend. Die tropische Blattschneiderameise ist nur ein Beispiel für Insekten und Kleintiere, die üblicherweise in der freien Natur Europas gar nicht vorkommen - und sich trotzdem hierzulande ausbreiten. stern TV hat sich auf die Lauer nach Vogelspinnen, Ameisen, Nandus, Ochsenfröschen und Marderhunden gelegt. "Was krabbelt denn da? Wie böse fremde Tiere über Deutschland herfallen."
- Es soll diesmal ein ausführlicherer Bericht sein. (A. Buschinger, 05.09.2006)
Strumigenys sp., weitere eingeschleppte Ameisenart? (03. 09. 2006)
Im Das_Ameisenforum.de berichtet „Boro“ am Samstag, 02. Sept. 2006 über eine in seinem Garten in Klagenfurt schwärmende Strumigenys sp.. Nach den beigefügten Bildern ist die Gattung einwandfrei zu identifizieren, nicht jedoch die Art. http://www.das-ameisenforum.de/thread.php?threadid=7852
Eine durch den Ameisenhandel dort eingeschleppte Art?
Ausführlich wird hier berichtet:
http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/viewtopic.php?t=365
und hier:
http://www.antstore.net/viewtopic.php?t=4318
ERGÄNZUNG und Korrektur: Wahrscheinlich handelt es sich um Pyramica argiolus (früher: Epitritus argiolus), eine in Mittel- und Südeuropa bereits länger bekannte Art, die einmal auch schon in Deutschland gefunden worden war. Siehe angegebene links!
(A. Buschinger, 03.09.2006)
XV Internationaler Kongress der IUSSI in Washington, Zusammenfassungen (28.08.2006)
http://iussi.confex.com/iussi/2006/techprogram/MEETING.HTM
Hier sind die Zusammenfassungen der Vorträge und Poster auf dem 15. Internationalen Kongress der Int. Union zum Studium der Sozialen Insekten in Washington zu finden. Es steckt eine überwältigende Fülle an neuen Informationen auch über Ameisen darin. Der Vorteil dieser Abstracts ist, dass die Autoren selbst sagen, was sie meinen. Das ist anders als in den Wissenschaftsmagazinen (Spiegel u.a.), wo das hervorgehoben wird (und oft nur das), was die Journalisten verstehen und für erwähnenswert halten.
Ein paar Beispiele:
1.) Myrmecochory with Temnothorax crassispinus. Gerriet Fokuhl, Jürgen Heinze, and Peter Poschlod. Biologie, Universität Regensburg, Regensburg, 93051, Germany.
Die Verfasser berichten, dass die in D sehr häufige Art Temnothorax crassispinus Samen über 1.5 Meter weit verbreitet, dass die Elaiosomen der Samen an die Larven verfüttert werden, dass bei Fütterung mit Honig und Schaben zusätzlich gegebene Elaiosomen die Produktion und auch das Trockengewicht weiblicher Geschlechtstiere steigern. Das Gewicht der Männchen dagegen nahm ab.
2.) Social parasite sympatry and the geographic mosaic of coevolution Joan Herbers and Christine Johnson. Evolution, Ecology, and Organismal Biology, Ohio State University, 318 W. 12th Avenue, Columbus, OH 43210
Die Autorinnen schlagen einen Wechsel in der Terminologie vor, weg von “Dulosis” und “Sklavenhaltung”, wegen negativer Auswirkungen auf manche Zuhörerschaft (Sie sind Amerikanerinnen!). Es wird vorgeschlagen, anstatt „Sklavenhalter“ den Begriff „Piraten“ zu verwenden, und zur Beschreibung des Verhaltens soll statt "dulotisch" die Bezeichnung „leistic“ dienen (deutsch „leistisch“?) – Man muss sehen, ob sich das international durchsetzt.
Weiterhin haben sie Auswirkungen der beiden „leistischen“ Arten Protomognathus americanus und Temnothorax duloticus auf eine der Sklavenarten, Temnothorax curvispinosus, bei gemeinsamem Auftreten untersucht. Das Ergebnis wird nur angedeutet: Piratenameisen können bei gemeinsamem Auftreten (in Sympatrie) das geografische Muster der Evolution in „unerwarteter Weise“ beeinflussen. Zitiert ist eine bereits erschienene Veröffentlichung: Johnson, C. A. and Herbers, J. M.. 2006. Ecology 87:382-394.
3.) Evolutionary dynamics of altruists vs. social parasites in the parthenogenetic ant, Pristomyrmex punctatus Kazuki Tsuji1, Tomonori Sasaki1, Hideaki Mori2, Shigeto Dobata3, and Eisuke Hasegawa4. (1) Department of Environmental Sciences and Technology, Faculty of Agriculture, University of the Ryukyus, Nishihara, Okinawa, 903-0213, Japan, (2) Department of Ecology and Evolutionary Biology, Graduate School of Life, University of Tohoku, Sendai, Japan, (3) Department of Systems Sciences, University of Tokyo, Konama 3-8-1, Meguro, Tokyo, 153-8902, Japan, (4) Department of Ecology and Systematics, Graduate School of Agriculture, Hokkaido University, Sapporo, Japan
Hier soll darauf hingewiesen werden, dass Pristomyrmex pungens inzwischen umbenannt wurde, in Pristomyrmex punctatus (die “stechende” P. wurde zur „punktierten“ P.) P. pungens gibt es also nicht mehr!
Die Kolonien bestehen nach diesem Abstract aus zwei Typen von Tieren in Arbeitergestalt, die sich alle thelytok-parthenogenetisch fortpflanzen (weiblichen Nachwuchs erzeugen, ohne begattet zu sein): Kleine Arbeiterinnen, die „altruistisch“ sind, reproduzieren UND arbeiten, und eine seltenere, „sozialparasitische“ Linie, deren Mitglieder größer sind, kaum arbeiten oder furagieren, und sich hauptsächlich fortpflanzen. Theoretisch müssten die „parasitischen“ Arbeiterinnen sich stärker vermehren und so das Aussterben der Kolonie bewirken. In einem Computermodell wird errechnet, dass nur die geringe Ausbreitungskapazität der „egoistischen Täuscher“ deren Überhandnehmen verhindert. Solche Täuscher entstehen aber immer wieder an verschiedenen Orten in den Populationen normal arbeitender Tiere.
4.) Worldwide spread of exotic ants James K. Wetterer, Biology, Florida Atlantic University, Jupiter, FL 33458
Der Autor berichtet über Ursprung, derzeitige Verbreitung und Ausbreitungspotential von über 40 Pestant-Arten. Darunter sind Paratrechina longicornis, Pheidole megacephala, Solenopsis geminate, Linepithema humile, Solenopsis invicta, Technomyrmex albipes, Wasmannia auropunctata, Anoplolepis gracilipes. Einige invasive Arten scheinen gerade am Beginn ihrer Ausbreitungsphase zu sein, beispielsweise Pheidole moerens.
Viel Auswahl also an fragwürdigen „Urlaubsmitbringseln“ :-(
Ich werde weitere Ergänzungen folgen lassen, muss in manchen Fällen aber erst die kompletten Veröffentlichungen sehen.
(A. Buschinger 28.08.06)
5.) "Myrmica microrubra" soll nach zwei Postern auf dem Kongress nun doch genetisch von M. rubra isoliert sein und eine "in Entstehung begriffene Art" darstellen. Siehe dazu in "Systematik" bei "Myrmica microrubra":
(29.08.2006)
Neues Märchen über Waldameisen: Buch von U. Schreiber "Die Flucht der Ameisen" (20.08.2006)
http://www.daserste.de/wwiewissen/thema_dyn~id,vatc7dqfuw0b715g~cm.asp
Sendung vom 20.08.2006
Die Flucht der Ameisen
Ameisen richten ihre Bauten stets nach Brüchen in der Erdkruste, so genannten "Störungslinien" aus. Diese spektakuläre Entdeckung machte der deutsche Geoforscher Prof. Ulrich Schreiber von der Universität Duisburg-Essen. Er will die Bauten der Waldameisen als Indikatoren für geologische Aktivitäten wie Vulkanismus nutzen. Was ist dran an Schreibers Ideen? W wie Wissen geht der Sache auf den Grund.
Der Geologe Ulrich Schreiber ist einem Phänomen auf der Spur. Ein Phänomen, das auch für ihn als gestandenen Wissenschaftler fast unglaublich scheint: Waldameisen haben möglicherweise einen Riecher für Orte, an denen sich Erdbeben bilden können. Was zunächst wie Spinnerei klingt, glaubt Ulrich Schreiber in der Natur nachweisen zu können. In der Verlängerung eines Quarzfelsens führt er uns durch das Dickicht zu einem Beleg seiner ungewöhnlichen Theorie, eine Ameisenhaufen.
Ameisen als Geologen
"Die Teufelsley - ein typischer Quarzfelsen befindet sich jetzt 200 Meter in nördlicher Richtung von hier. Wir können das mit dem Kompass sehr genau einpeilen und die Verlängerung der Teufelsley, ist eine Störungszone, die höchstwahrscheinlich gasführend ist und die Ameisen nutzen diese Störungszone", erklärt Schreiber. Unter "Störungszonen" verstehen die Wissenschaftler unterirdische Risse in der Erdkruste, die sich bei einem Erdbeben gegeneinander verschieben können.
In Form von Felsformationen wie der Teufelsley in der Eifel treten sie ans Tageslicht. Aus der Vogelperspektive wird dieses Riss-System durch die Bauten der Ameisen deutlich. Waldameisen scheinen ihre Bauten in einer Linie entlang solcher Störungszonen zu errichten, wie eine Karte von Ulrich Schreiber aus Nordrheinwestfalen zeigt. Jedes rote A steht für ein Ameisennest. Und tatsächlich liegen alle Nester entlang einer solchen geologischen Störung.
Auch im Südschwarzwald wird die Beziehung deutlich: Die grün markierten Nester orientieren sich an den blau eingezeichneten geologischen Linien. Links und rechts davon ist kein Nest zu finden. Ulrich Schreiber ist sich sicher, dass seine Beobachtungen kein Zufall sind. Doch warum siedeln die Winzlinge entlang der Risse in der Erdoberfläche? Und - wie können sie diese überhaupt wahrnehmen?
Gase aus dem Erdreich
Einen Hinweis liefert die Teufelsley. Sie ist durch eine tiefe Spalte geteilt, wie alle Störungslinien. Und diese geologische Besonderheit hat eine ganz typische Eigenschaft. Durch die Spalten steigen Gase aus tieferen Erdschichten auf. Nutzen die Ameisen womöglich diese Gase, um ihre Bauten an den Spalten zu orientieren? Dazu müssten sie in der Lage sein, die Gase wahrzunehmen.
Die Forscher wollen das überprüfen. Über einem bekannten Riss in der Erde nimmt das Geologen-Team Gasproben. Im Labor soll später überprüft werden, ob die Ameisen auf das Gas reagieren. Wenn das Experiment gelingt, wäre das ein weiterer Beleg dafür, dass Ameisen erdbebengefährdete Zonen erkennen können. Und für die Geologen noch interessanter: Ameisenhaufen könnten vielleicht sogar bisher unbekannte Gasvorkommen anzeigen.
"Wir können erst mal nur das Helium messen", sagt Schreiber, "das Helium ist für uns ein Anzeiger, für die Störung. Wir wissen nicht, was die Ameisen letztendlich auf der Störung machen. Es kann sein, dass sie andere Gase nutzen, oder sonst irgendeinen anderen Vorteil haben."
Geruchs- Experiment
Gemeinsam mit dem Biologen Stefan Hetz von der Humboldt-Universität Berlin wollen die Geologen Waldameisen mit den Gasproben aus dem Freiland konfrontieren. Ein paar hundert "Probanden" haben sie dazu in die Hauptstadt mitgebracht. Und auch die Luft aus der geologischen Störung ist im Gepäck. Für den Versuch müssen ein paar Ameisen ihr nadeliges Zuhause gegen eine Kammer aus Plexiglas austauschen. Am Computer soll sichtbar werden, was im Inneren der Kammer passiert. Denn die wird in einen hermetisch abgeschlossen Raum gestellt.
Nur ein kleiner Schlauch verbindet die Tiere mit der Außenwelt. Durch ihn wird die Gasprobe zu den Ameisen geleitet. Ein paar Minuten vergehen, dann zeigt sich ein erstes Ergebnis. Die Aktivität der Ameisen sinkt kurz nach der Zufuhr des Gases. Das Gas ist weder betäubend noch giftig für sie. Warum werden sie also für einen kurzen Moment ruhiger? Ist das vielleicht eine positive Reaktion auf das Gas? Können die Ameisen tatsächlich die Störungslinien riechen?
Mehr als bloße Vermutung
"Es ist durchaus möglich, dass Ameisen mit ihren Antennen gasförmige Stoffe in der Luft aufnehmen können und zwar in einer unendlich kleinen Verdünnung. Und das ist durchaus möglich, dass die nach diesen Störungslinien suchen", sagt Biologe Hetz.
Wir fassen zusammen: Karten mit eindeutigen Belegen! Gase, die aus dem Erdreich kommen und: Insekten mit erstaunlichen Fähigkeiten. Warum die Ameisen Ihre Nester entlang von Rissen in der Erdkruste bauen, bleibt vorerst ein Rätsel. Aber womöglich hält die Natur hier noch weitere Überraschungen für die Forscher bereit. (Autor: AxelWagner)
Links: Die Flucht der Ameisen Hier stellt Ulrich Schreiber sein Buch vor, das die Forschungen an den Zusammenhängen zwischen Ameisennestern und der Geologie zu einem spannenden Roman verknüpft.
--- So der Text zur Sendung im o.a. link ---
KRITIK:
Als Ameisenforscher mit sehr langer Erfahrung halte ich diese Darstellung zunächst einmal für völlig unbewiesene, ja reißerische Spekulation. Waldameisen siedeln KEINESFALLS nur entlang von Störungslinien im Gestein. Unzählige Nester finden sich auf tiefgründigen Moorböden, oder in den Wäldern in der Oberrheinebene auf bis zu 3.000 m mächtigen Sedimenten. Wo sind da die Klüfte?
Im Odenwald kenne ich tatsächlich auffallende Reihen von Ameisenhügeln, die offensichtlich auf lang gestreckten Klüften des ansonsten recht kompakten Gesteins angeordnet sind. Der Boden ist über dem anstehenden Fels relativ dünn. Meine Erklärung (die Herr Schreiber auch von mir erfahren hat): Nur in den Klüften können die Ameisen hinreichend tief bauen, nur darin können sie in Zeiten anhaltender Trockenheit noch genügend Feuchtigkeit vorfinden! Ein Waldameisenvolk muss ja ganzjährig und über viele Jahre hinweg ununterbrochen geeignete Lebensbedingungen haben. Erst wenn solche ganz natürlichen und alltäglichen Faktoren wie die Erreichbarkeit von Wasser bzw. Bodenfeuchtigkeit ausgeschlossen sind, kann ein Wissenschaftler über andere, bisher nicht erfasste Faktoren spekulieren.
Gase aus Erdspalten, Erdbebengefahr, Ameisen, die darauf mit Flucht reagieren, das ist eine Mixtur von Reizthemen, die hier wohl hauptsächlich den Absatz des im Artikel genannten Buches von Herrn Prof. Dr. Ulrich Schreiber ankurbeln sollen.
Das hat mit Wissenschaft nur den Namen gemein; bis zum Vorliegen wirklicher Beweise und bis zur überzeugenden Widerlegung der genannten Gegenargumente halte ich dieses Buch und die „wissenschafliche“ Verbrämung dazu schlicht für Science Fiction. Es gehört in dieselbe Kategorie wie die uralte und immer wieder aufgewärmte Behauptung, dass Waldameisen (warum eigentlich nur diese?) ihre Nester „immer“ auf „Reizzonen“, "Feldern" oder dergleichen anlegen, die physikalisch nicht messbar sind, jedoch von auserwählten Wünschelrutengängern „zuverlässig“ bestimmt werden können. Auch dafür wurde nie ein Beweis erbracht, schon gar nicht von den Wünschelrutengängern selbst.
(Prof. Dr. Alfred Buschinger)
NACHTRAG 22.8.06:
Bei www.Amazon.de kann man über das Buch Näheres erfahren:
Die Flucht der Ameisen von Ulrich C. Schreiber (31. März 2006) EUR 24,90 (Shayol Verlag: "Der Verlag für Science Fiction und Fantasy" - Eigenwerbung!)
Überschrift einer der Rezensionen: „Gelungener "Science-Thriller"!“
Die Besprechungen werten das Buch durchaus als lesenswert, unterhaltsam, spannend. Schließlich sind die Ameisen nur ein Aufhänger, sollen frühzeitig einen bevorstehenden Vulkanausbruch in der Eifel ankündigen. Ein Lavastrom staut den Rhein, so dass Mainz und Frankfurt überflutet werden, und so weiter.
Aus einer weiteren Rezension: „Dieses Buch sollte für jeden als Anregung dienen, darüber nachzudenken, welche Bedeutung die Wissenschaft, speziell die Geologie, für unser tägliches Leben hat und haben könnte. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen in unserem Land sich diese Vision zu Herzen nehmen und ihre Konsequenzen (Katastrophenschutzpläne etc.) daraus ziehen werden.“ -
Ich habe das Buch nicht gelesen, werde es auch nicht kaufen, aber vielleicht bekomme ich ein Gratisexemplar für eine Rezension ;-).
Störend empfinde ich eben hauptsächlich, dass die Waldameisen, ohnehin mit zahlreichen unsinnigen Märchen belastet, wieder einmal für so etwas herhalten müssen, und dass der Anschein erweckt wird, es stehe solide wissenschaftliche Erkenntnis hinter den Ausführungen in dem eingangs geposteten Bericht über die Fernsehsendung. Das "riecht" doch sehr nach promotion für den Roman! Mit seriöser Wissenschaft hat das nichts mehr zu tun.
Im Vorfeld war ich mehrfach mit der Thematik konfrontiert worden, habe meine Einschätzung der Beobachtungen von Waldameisennestern über den „Klüften“ dargelegt. Wurde aber nicht berücksichtigt: Eine nicht ganz so triviale Erklärung verkauft sich halt besser!
Erläuterungen nach Kommentaren in einem anderen Forum:
Klüfte sind Risse in ansonstem festem Fels, von winzig bis mehrere hundert Meter groß. Sie entstehen z.B. durch Temperaturwechsel; eindringendes Wasser gefriert und treibt die Bruchstücke auseinander, Wurzeln dringen ein und erweitern die Klüfte noch mehr, es sammelt sich Boden darin an. Das kann mehrere bis viele Meter tief werden. Dort hält sich Bodenfeuchtigkeit, die von den Waldameisen genutzt werden kann, auch ohne dass sie „hunderte Meter tief“ graben müssten.
Richtig ist, dass solche Klüfte auch z.B. bei Erdbeben entstehen und dass darin auch Gase aus größerer Tiefe aufsteigen können. Die Eifel ist ein junges Vulkangebiet, in dem auch vielerorts noch vulkanische Gase austreten. Beispiel Laacher See, ein Maar, also ein wassergefüllter vulkanischer Explosionstrichter. Wenn man darum herum wandert, sieht man überall Gasblasen aufsteigen. Baden ist verboten, weil es sich hauptsächlich um Kohlendioxid handelt: Das sammelt sich aufgrund seiner hohen Dichte über dem Wasserspiegel; ein Schwimmer kann ersticken. Schon mancher Döskopp hat trotz Warnschildern seinen Hund da schwimmen lassen und anschließend in die Tierkörper-Verwertung gebracht.
Aber Kohlendioxid ist auch ein Betäubungsmittel für Insekten, für Ameisen. Ich hoffe, die Wissenschaftler haben vor ihrem Gas-Versuch das CO2 herausgefiltert!? Messen konnten sie angeblich nur das Helium, das für Ameisen tatsächlich ungiftig ist.
Auf eine weitere Frage: Noch nicht einmal für die nächsten Verwandten der Waldameisen, die Arten der Untergattungen Serviformica oder Coptoformica, ist eine solche Ausrichtung je beschrieben worden. Dabei sind deren Nester noch leicht zu erkennen. – Es ist und bleibt Spekulation.
Und auch für Waldameisen (Untergattung Formica) gilt, dass die Anordnung von Nestern in Reihen, außer entlang von künstlich geraden Waldrändern, eine sehr seltene Ausnahme darstellt. Die weit überwiegende Zahl der Nester ist statistisch gestreut bzw., bei Kolonieverbänden (Polydomie), geklumpt. Verfügbarkeit geeigneter Neststubben, Besonnungsverhältnisse, Bodentiefe, Verfügbarkeit von Wasser, regelmäßige Versorgung mit Honigtau von geeigneten verlausten Bäumen, …, das sind genügend Faktoren, die auf die Verteilung der Nester im Freiland Einfluss haben. Und über deren relative Bedeutung es noch genug Forschungsbedarf gibt.
MfG, A. Buschinger
Nachtrag 05.09.2006: Eine Diskussion mit Herrn Schreiber hat sich im Forum der DASW entwickelt: http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/viewtopic.php?t=366
Vom 27.-29.September 2006 findet in Wien die „4. Europäischen Tagung der Arbeitsgruppe NEOBIOTA zu Biologischen Invasionen“ statt
http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/umweltthemen/naturschutz/neobiota/programme.pdf
Hier ist die Einladung auf Deutsch: http://www.umweltbundesamt.at/umweltschutz/naturschutz/nat_veranstaltungen/neobiota/
Kongresssprache ist Englisch. Sogar in die deutschsprachige Einladung hat sich Denglisch gemischt: "Stake-holder" ist am besten mit "Interessenten" übersetzt (vorrangig Personen mit kommerziellen Interessen) und meint damit auch die Importeure und Halter exotischer Organismen.
Es ist jedenfalls ein Ort, wo Befürworter des Ameisenimports ihre Argumente einem internationalen Publikum von Fachleuten präsentieren können. Nach meinen Erfahrungen auf solchen internationalen Kongressen in einem deutschsprachigen Land wird man auch deutschsprachige Diskussionsbeiträge akzeptieren. Zudem sind viele deutschsprachige Wissenschaftler vertreten, die man auch außerhalb der Vortragssitzungen, in den Pausen usw., persönlich ansprechen kann.
Die Vorträge werden nach der Tagung online zugänglich gemacht. Auch in Englisch, aber da kann man ja ein paar wichtige und für die Stake-holder relevante Beiträge übersetzen. (A. Buschinger, 14.08.2006)
Blattschneiderameisen fressen Gärten kahl; Bericht aus Köln (02.08.2006)
Per e-mail wurde ich folgendermaßen informiert: In Köln sind offensichtlich einem dubiosem Internethändler die Ameisenkolonien ausser Kontrolle geraten. Hier die Pressemeldung dazu vom 02.08.06:
http://www.ksta.de/html/artikel/1154434412791.shtml
Ich wäre über ihren fachlichen Beistand sehr froh, mfg xxx
Kahlfraß durch tropische Ameisen VON ALEXANDRA KLAUS, 02.08.06, 07:13h
Ergänzung 07.08.06: Am 05.08 erschien ein zweiter Bericht dazu im Kölner Stadtanzeiger: http://www.ksta.de/html/artikel/1154434423050.shtml
Die tropischen Insekten hat der Gärtner selbst identifiziert und die Befürchtungen bestätigt.
Köln - Die Wildrosen waren als Erste dran. Fein säuberlich waren die Blätter vom äußeren Rand her abgesäbelt. Karl Ditz musste nicht warten, bis auch die Fuchsien und der Hibiskus in seinem Garten kahlgefressen waren, um die für den Schaden verantwortlichen Übeltäter zu entdecken: Schon bald sah der pensionierte Landschaftsgärtnermeister regelrechte Straßen ungewöhnlich großer, kräftiger Ameisen durch seine Grünanlage ziehen. „Es waren schwarze Karawanen, die vormittags und in den Abendstunden das abgefressene Grün und Blütenreste wegtransportierten“, erinnert sich Ditz an die Anfänge der Plage zur Osterzeit.
Zunächst versuchte Ditz, die Insekten mit herkömmlichen Mitteln zu bekämpfen. Erfolglos: „Die torkelten zwar zunächst ein wenig, liefen dann aber unbeeindruckt weiter.“ Seine Tochter Sabine Ditz, als Biologielaborantin ebenfalls an dem ungewöhnlichen Fund interessiert, ergänzt: „Die Ameisen sind sehr raffiniert: Wann immer wir Bekämpfungsmittel auslegten, suchten sie sich neue Wege.“ Der Kölner und seine Tochter begannen daraufhin, Nachforschungen anzustellen, recherchierten im Internet und brachten schließlich ein Gefäß mit den Ameisen zum Kölner Zoo. Die Experten dort waren erstaunt und bestätigten, dass es sich um Blattschneiderameisen handeln müsse, die zwar im Kölner Zoo ebenfalls gehalten werden, aber in Europa in freier Natur nicht vorkommen.
Ditz kann sich die Herkunft erklären: Ein Nachbar, dessen Haus direkt an seines angrenzt, sei schon mehrfach dadurch aufgefallen, dass er tropische Tiere halte. Zum Nachbargrundstück führten auch die Ameisenstraßen. „Im Internet werden diese Ameisen hoch gehandelt“, hat seine Tochter recherchiert. Als sich jüngst auch Anwohner umliegender Grundstücke über die Ameisen beschwerten, verständigte Ditz den Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Bonn.
„Wir haben sofort zwei Mitarbeiter nach Holweide geschickt, damit sie sich den Garten ansehen, und sie waren sehr bestürzt über den enormen Schaden“, bestätigt Dr. Reiner Schrage, Fachbereichsleiter Pflanzengesundheitsdienst, auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Einige Exemplare seien bereits in seinem Amt bestimmt und als Blattschneiderameise „Atta cephalotes“ identifiziert worden, die in Südamerika vorkommt. Obwohl Experten der Kammer zu „99,9 Prozent“ sicher sind, sollen Fachleute des Bonner Museums Koenig den Fund nun nochmals bestimmen.
„Wir sind alarmiert, denn diese Ameisen haben in unseren Gefilden überhaupt nichts zu suchen“, sagt Schrage. Die kräftig gebaute Insektenart - Soldaten können bis zu 23 Millimeter groß werden, Königinnen bis zu 35 Millimeter - könne sich explosionsartig vermehren und riesige Kolonien von mehreren Millionen Exemplaren bilden. Der Schaden durch abgefressene Pflanzen, aber auch die Ausbreitung einer nichtheimischen Art werde von Fachleuten sehr kritisch beurteilt. Weil nicht ausgeschlossen sei, dass die Ameisen in Wohnräumen überwintern, sei inzwischen das Kölner Amt für Umwelt und Verbraucherschutz informiert worden.
Die Bekämpfung ist laut Schrage „außerordentlich schwierig“. Es müssten aber bald Maßnahmen ergriffen werden, die alle betroffenen Gärten einbeziehen - auch das Grundstück, von dem vermutet wird, dass sich dort das Nest befindet. „Wir gehen davon aus, dass die Ameisen von dem Nachbargrundstück kommen, wo sie gezüchtet worden sind“, bestätigt Schrage die Vermutung Ditz'. Schließlich führten die Ameisenstraßen dorthin. Gestützt wird diese Annahme durch die Aussage der amtlichen Tierärztin des Veterinäramtes Köln, Dr. Claudia Behlert: Sie bestätigt, dass sie bereits zweimal vor Ort war, weil der Nachbar Reptilien hielt und sie nachprüfen wollte, ob er auch damit handelte. Hinweise auf Handel habe sie nicht gefunden, aber es sei durchaus denkbar, dass die Ameisen von dort kämen.
Jedenfalls sei nahezu ausgeschlossen, dass die Insekten „zufällig“ aus Südamerika eingeschleppt worden seien. „Da hat jemand gezüchtet, und wir gehen davon aus, dass die Ameisen nicht artgerecht gehalten wurden und dem Züchter »abgehauen« sind.“ In biologischer Hinsicht seien die Ameisen sehr interessant, weshalb sie tatsächlich „Sammlerwert“ hätten. So fressen sie beispielsweise die abgeschnittenen Blätter nicht etwa, sondern häufen diese unter der Erde zu einer Art Komposthaufen. Auf diesem Haufen wächst ein Pilz, von dem sich die Ameisen ernähren. „Aber die Züchter und Sammler unterschätzen völlig, was sie für einen Schaden anrichten können“, sagt Schrage.
(Es ist ein Zusammenhang zu vermuten mit den Berichten eines in Köln ansässigen Flughundehalters, dem eine Acromyrmex-Kolonie ausgekommen war). (A. Buschinger, 02.08.06)
Künstliche Entflügelung löst Eiablage bei Lasius niger aus (29.07.06)
Nach meiner Erinnerung gibt es sehr alte Versuche, durch künstliches Entfernen der Flügel Ameisenköniginnen zur Koloniegründung zu veranlassen. Nun wurde das Experiment mit Lasius niger unter modernen Gesichtspunkten durchgeführt:
S. Jemielity, J. Gräff and L. Keller (2006): How to fool a virgin: Artificial dealation triggers oviposition in virgin Lasius niger queens. Insectes Sociaux 53, 323-325. (Wie man eine Jungfrau austrickst: Künstliche Entflügelung löst bei unbegatteten Lasius niger-Königinnen die Eiablage aus).
Abstract. Once inseminated, ant queens rapidly shed their wings and start to lay eggs. Here we test whether there is a causal link between dealation and oviposition in the ant Lasius niger. We show that artificially dealated virgin queens start to lay eggs shortly after wing removal, whereas winged virgin queens hardly ever lay eggs. Dealate virgins do, however, produce fewer eggs than mated queens. These findings indicate that dealation does induce egg-laying, and that other factors, such as mating and/or insemination, further stimulate oviposition under natural conditions.
Man hat also noch geflügelte junge Gynen aus den Nestern entnommen und ihnen mittels „weicher“ Pinzetten (vermutlich Federstahlpinzetten) die Flügel entfernt. Solche Weibchen legten bald danach einige Eier (im Mittel 2.6 Eier in den ersten vier Tagen). Parallel gehaltene, nicht Flügel-amputierte Weibchen legten kaum jemals Eier und behielten die Flügel, aber normal begattete und entflügelte Weibchen legten sehr viel mehr Eier (im Mittel 9.8 Eier in den ersten vier Tagen). Die Autoren schließen daraus, dass die Entflügelung die Eiablage induziert, dass aber unter natürlichen Bedingungen andere Faktoren wie Begattung und Spermaübertragung die Eiablage weiter anregen.
Diese Beobachtungen sind sicher nicht ohne weiteres auf beliebige andere Arten zu übertragen und zu verallgemeinern! Immerhin zeigen sie für Lasius niger, dass Flügelverlust eine Voraussetzung für die Eiablage ist, dass das Fehlen der Flügel aber nicht unbedingt beweiskräftig für eine stattgefundene Begattung ist. Wenn die Flügel künstlich entfernt wurden oder bei ungeeigneter Behandlung der Jungweibchen verloren gingen, ist dennoch eine Eiablage möglich, die dann fälschlich auch als gelungene Koloniegründung interpretiert werden kann. (A. Buschinger)
„Brandaktuell“: Warnung vor Hitzestress im Formikarium (21.07.2006)
Aus Anlass der gegenwärtigen Hitzewelle sei darauf hingewiesen, dass Ameisen im Freiland die Möglichkeit nutzen, sich in feuchte und kühle Tiefen des Bodens zurück zu ziehen. Im Formikarium geht das nicht, und in den Wohnungen kann es noch heißer werden als draußen!
Ich empfehle dringend, mit einem Thermometer die tatsächlichen Temperaturen im Nestbereich der Ameisen zu messen, und ggf. die Formikarien zu kühlen oder in einen kühleren Raum zu bringen!
Das gilt nicht nur für einheimische, sondern auch für exotische Ameisen z.B. aus Spanien. Bereits in ½ bis 1 m Tiefe herrscht im Boden die Jahresmitteltemperatur.
Diese ist für viele Orte im In- und Ausland hier zu finden: http://www.klimadiagramme.de/all_eu.html (Z.B. Berlin: 9.2 Grad C; Frankfurt: 10.1; Freiburg: 11.1; Madrid: 14.3; an der spanischen Küste, Alicante: 17.9; Malaga: 18.0). Ob Lasius oder Serviformica, Camponotus, Myrmica oder Messor, sie alle haben die Möglichkeit, sich je nach Herkunftsort im Boden bis in Bereiche mit dieser Temperatur zu bewegen.
Wird das bei der Formikarienhaltung verhindert, so bedeutet es einen enormen Hitzestress für die Tiere, der tödlich sein kann! (A. Buschinger)
Acromyrmex versicolor: Bilder vom Hochzeitsflug! (09.07.2006)
http://p211.ezboard.com/fantfarmfrm7.showMessage?topicID=1408.topic
Auch wer nur Denglisch kann wird dieses neue Bilderserie aus Arizona mit Genuss ansehen. Ein MUSS!
Cataglyphis-Ameisen zählen ihre Schritte (06.07.2006)
Einer neuen Arbeit in der "Science" zufolge messen Wüstenameisen zurück gelegte Strecken durch eine Art Schrittzähler. Über die erstaunlichen Fähigkeiten dieser Ameisen wird hier im Ameisenwiki direkt im Teil "Systematik" unter dem Namen der für die Experimente verwendeten Art ausführlich berichtet: Cataglyphis fortis.
Literaturhinweis, neu erschienen: Florian M. Steiner, Birgit C. Schlick-Steiner, Heino Konrad, Timothy A. Linksvayer, Swee-Peck Quek, Erhard Christian, Christian Stauffer & Alfred Buschinger: Evolutionary history of queen polymorphic Myrmecina ants (Insecta, Hymenoptera, Formicidae) (04.07.2006)
„Phylogenie und Evolutionsgeschichte königinnen-polymorpher Ameisen der Gattung Myrmecina“. European Journal of Entomology 103: 619-626, 2006 (04.07.2006)
Zusammenfassung: Untersucht wurden stammesgeschichtliche Beziehungen zwischen einigen Myrmecina-Arten unter Einsatz molekulargenetischer Methoden (mitochondriales Cytochrom-Oxidase-I-Gen). Intermorphe Königinnen sind bekannt von Myrmecina graminicola (Europa), M. nipponica (Japan), M. americana (Nordamerika, in dieser Arbeit erstmals beschrieben) und Myrmecina sp. A (Java). Die Existenz intermorpher Königinnen stellt sich als altes (ancestrales) Merkmal der Gattung dar. Anhand der „Molekularen Uhr“ lässt sich abschätzen, dass der Königinnen-Polymorphismus in der Gattung spätestens im Miozän entstand. Aus der ermittelten zeitlichen Abfolge der Artaufspaltungen lässt sich schließen, dass eine Stammform sich zunächst in die arktischen und die Formen der orientalischen Region gespalten hat (Java), dann erfolgte eine Aufspaltung der arktischen in die nearktische (americana) und die paläarktische Gruppe, und schließlich hat sich die paläarktische Form in eine westpaläarktische (graminicola) und eine ostpaläarktische (nipponica) Art aufgespalten.
Zwar sind gegen 30 Myrmecina-Arten beschrieben, wir konnten hier jedoch nur die genannten Arten benutzen, da von den übrigen nicht bekannt ist, ob sie intermorphe Königinnen haben. Von einigen Arten sind nur wenige Exemplaren bekannt, und generell sind Myrmecina-Kolonien schwer zu finden.
Wer Interesse an der Originalarbeit hat (englisch!), kann von mir eine pdf – Version bekommen. (A. Buschinger, 4.7.06).
Hohe Sterblichkeit von Atta-Königinnen in der Koloniegründung durch Krankheitserreger (20.06.06)
Am 15. Juni 2006 erschienen eine Veröffentlichung in der Zeitschrift Nature über „Sperm storage induces an immunity cost in ants“ (Die Sperma-Aufbewahrung verursacht bei Ameisen eine Belastung des Immunsystems“).
Ein meines Erachtens nicht sehr zutreffender Bericht über den Hauptinhalt findet sich hier:
http://www.wissenschaft.de/wissen/news/266421
Es geht um Atta colombica, deren Immunreaktionen während der Koloniegründungsphase getestet wurden. Beim Lesen des Originalartikels fiel mir folgende Bemerkung auf:
„Während der Koloniegründungsphase liegt die Sterblichkeitsrate typischerweise bei über 95%, wobei Krankheitserreger („pathogens“) für 74% verantwortlich sind.“ Das bezieht sich jetzt nur auf begattete Jungköniginnen, die sich bereits eingegraben haben, innerhalb der ersten neun Tage. Die Verluste an Jungköniginnen durch Fressfeinde während des Hochzeitsfluges sind also nicht eingerechnet.
Ich denke, für die Halter von Blattschneiderameisen ist das eine nicht unwichtige Hintergrundinformation, die sicher manches Scheitern von Koloniegründungen erklärt. Auch bei anderen klaustral gründenden Arten muss man mit hohen Ausfällen durch Pathogene rechnen, es ist nur noch nicht so genau untersucht. (A. Buschinger)
Insectes Sociaux: Band 53, Heft 2 ist erschienen (14.06.06)
Das Inhaltsverzeichnis und die Abstracts der Beiträge sind unter dem folgenden Link aufzurufen: [1]
Auf ein paar interessante Artikel möchte ich hier bereits aufmerksam machen:
(S. 136-140) Dijkstra, M.B., and Boomsma, J.J.: Are workers of Atta leafcutter ants capable of reproduction? – Sind Arbeiterinnen von Blattschneiderameisen der Gattung Atta fortpflanzungsfähig?
Versuche mit A. cephalotes, A. sexdens und A. colombica zeigten, dass Arbeiterinnen in weiselrichtigen Kolonien regelmäßig Nähreier legen. In 8 von 11 Versuchsvölkern entstand über 3-6 Monate nach Entfernung der Königin keinerlei Brut, während drei Nester zwischen 1 und 4 Männchen-Larven und –Puppen als Arbeiterinnen-Nachwuchs erzeugten. Die Männchen waren jedoch winzig (3,5 bis 9 mm gegenüber 16 mm bei Söhnen von Königinnen).
(S. 141-148) Sanada-Morimura, S., Satoh, T., and Obara, Y.: Territorial behavior and temperature preference for nesting sites in a pavement ant Tetramorium tsushimae. – Territorialverhalten und Temperaturpräferenz der Rasenameise Tetramorium tsushimae bei der Wahl des Nistplatzes.
In Japan bevorzugt diese polygyne (und in USA invasive!) Art Temperaturen um 27,5 bis 30 0C für die Aufzucht ihrer Geschlechtstiere. Völker mit großen Territorien produzieren die meisten Geschlechtstiere. Bevorzugt wurden Geschlechtstiere in der Kontaktzone zwischen den Territorien zweier Völker aufgezogen. Vermutlich konkurrieren die Völker in diesen Grenzbereichen um die günstigsten Temperaturbedingungen.
(S. 161-167) Zee, J., and Holway, D.: Nest raiding by the invasive Argentine ant on colonies of the harvester ant, Pogonomyrmex subnitidus. – Plünderung von Nestern der Ernteameise Pogonomyrmex subnitidus durch die invasive Argentinische Ameise.
Invasive Ameisen verdrängen üblicherweise die einheimischen Arten besonders durch Nahrungskonkurrenz. Hier wird gezeigt, dass Linepithema humile auch direkt „Raubzüge“ auf die heimische Ernteameise durchführt (in Südkalifornien).
(S. 168-171) Le Breton, J., Takaku, G., and Tsuji, K.: Brood parasitism by mites (Uropodidae) in an invasive population of the pest-ant Pheidole megacephala. – Brutparasitismus durch Milben in einer invasiven Population der Pest-Ant Pheidole megacephala.
Auf der Insel Okinawa (Süd-Japan) werden die Puppen der invasiven Ameise Pheidole megacephala von Milben der Familie Uropodidae parasitiert (Art unbestimmt). 92 % von 75 untersuchten Völkern waren befallen. Durch das Saugen von Hämolymphe verursachen die Milben erhebliche morphologische Änderungen und den Tod der Ameisenpuppen. Laut den Verfasern ist das der erste Nachweis einer derart starken Parasitierung bei einer invasiven Ameisenart. (Ich vermute, dass hier die Milben eine andere Herkunft haben als die Ameisen. – A. Buschinger)
(S. 177-182) Molet, M., and Peeters, C.: Evolution of wingless reproductives in ants: weakly specialized ergatoid queen instead of gamergates in Platythyrea conradti. – Evolution flügelloser reproduktiver Individuen bei Ameisen: Wenig spezialisierte ergatoide Königinnen anstelle von Gamergaten bei Platythyrea conradti.
P. conradti ist die einzige Art der Gattung mit ergatoiden (= immer flügellosen) Königinnen. Die Kolonien enthalten jedoch, anders als bei anderen Arten der Gattung, keine Gamergaten. Aggressives Verhalten zwischen Königin und Arbeiterinnen sorgen für eine Hierarchie. Eine einzelne fertile Königin steht an der Spitze, während auch hochrangige Arbeiterinnen allenfalls nach dem Tod der Königin Eier legen. Geflügelte Königinnen fehlen bei dieser Art, die jedoch keine Gamergaten entwickelt hat. Stattdessen wurden die Königinnen zu ergatoiden Königinnen. (Wenn das etwas schwer verständlich ist: Mir geht es auch so! Vgl. Kastendefinitionen hier im Wiki – A. Buschinger)
(S. 194-203) Blüthgen, N., Mezger, D., and Linsenmair, K.E.: Ant-hemipteran trophobioses in a Bornean rainforest – diversity, specificity and monopolization. – Trophobiosen zwischen Ameisen und Hemipteren in einem Regenwald auf Borneo – Artenreichtum, Spezifität und Monopolisierung.
Trophobiosen (Ernährungsbeziehungen von Ameisen mit pflanzensaugenden Honigtaulieferanten) spielen eine wichtige Rolle für alle drei Partner, Pflanze, Pflanzensauger und Ameise. Es wurden 218 Beispiele solcher Trophobiosen untersucht, an denen 58 Ameisenarten, 62 Hemipteren (Blattläuse i.w.S., Zikaden und Wanzen) und über 31 Pflanzenarten beteiligt sind. – Die eindrucksvollen Zahlen zeigen, dass Interessenten besser die ganze Arbeit lesen; eine Zusammenfassung müsste zu lückenhaft werden.
(S. 241-248) Sempo, G., Depickère, S., and Detrain, C.: How brood influences caste aggregation patterns in the dimorphic ant species Pheidole pallidula – Wie die Anwesenheit von Brut die räumlichen Verteilungsmuster der Kasten bei der dimorphen Ameise Pheidole pallidula beeinflusst.
„Dimorph“, also zweigestaltig, ist eine gute Bezeichnung um Arten mit echter Soldatenkaste von solchen mit „Polymorphismus“ abzugrenzen, von denen die meisten dann einen Größenpolymorphismus mit fließenden Übergängen aufweisen. Dies vorab. Die Verfasser untersuchten, wie sich Arbeiterinnen und Soldaten (in der Arbeit als „minors“ und „majors“ bezeichnet!) in einer einförmigen Arena verteilen, wenn Brut vorhanden ist oder fehlt. Entsprechend der Neigung der kleinen Tiere, sich mit Brutpflege zu befassen, verteilen sie sich eher gleichmäßig in der Arena ohne Brut, klumpen sich aber bei der Brut, wenn solche vorhanden ist. Die Majors dagegen sammelten sich auch ohne die Gegenwart von Brut im mittleren Bereich der Arena an. Für sie ist also weniger die Brut als die gegenseitige Nähe der Faktor, der das Aggregationsverhalten auslöst. (A. Buschinger, 14.06.06)
Jungfräulich gezeugte Herrscherinnen (29.05.06)
Wissenschaft-online (http://www.wissenschaft-online.de/page/p_sdi_ausgabe) enthält immer wieder einmal recht interessante Beiträge über Ameisen (am besten: Suchfunktion „Ameisen“ benutzen).
Ein älterer Artikel (http://www.wissenschaft-online.de/abo/ticker/587786) vom März 2002 berichtet, wie in den USA durch das Vordringen der „Argentinischen Ameise“ (Linepithema humile) und die damit verbundene Verdrängung vieler ansässiger Ameisenarten indirekt auch Reptilien geschädigt werden: Die Kronen-Krötenechse (Phrynosoma coronatum), die sich überwiegend von Ameisen ernährt, zeigt in Bereichen mit Linepithema einen starken Rückgang. Ursache soll der geringe Nährwert dieser Ameisen sein, die zudem kleiner als die sonst übliche Beute sind. Ein Beispiel mehr dafür, wie eingeschleppte Organismen ein Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen können.
Aus 2004 stammt der hier einkopierte Artikel, der sich mit Sonderformen der Fortpflanzung bei Ameisen befasst, mit Arrhenotokie und Thelytokie.
Jungfräulich gezeugte Herrscherinnen
Ameisen wählen zwischen verschiedenen Fortpflanzungsstrategien
Im Ameisenstaat hat allein die Regentin das Monopol der Fortpflanzung inne: Legt sie unbefruchtete Eier, entwickeln sich Männchen, während aus befruchteten die Arbeiterinnen schlüpfen. Um ihresgleichen hervorzubringen, beschreitet sie aber offenbar einen Sonderweg.
Auf ihrem Hochzeitsflug sammelt die jungfräuliche Ameisenkönigin Spermien von einem oder mehreren Männchen und bewahrt diese in einer kleinen Drüse auf, die sich in den Eileiter öffnet. Fortan übt sie eine perfekte Kontrolle über das Geschlecht ihrer Nachkommen aus: Um Töchter zu zeugen, zapft sie ihr Samendepot an und legt befruchtete diploide Eier. Ob aus diesen sterile Arbeiterinnen oder fruchtbare Königinnen entstehen, hängt allein von der Ernährung der jungen Larven ab. Für Söhne sorgt die Herrscherin, indem sie den Spermienfluss in den Eileiter unterbindet und unbefruchtete haploide Eier produziert - ein Vorgang, der als Arrhenotokie bezeichnet wird (arrhenotokos, griech.: männliche Junge gebärend).
Fortpflanzung von Cataglyphis cursor
Weit weniger bekannt ist hingegen eine andere Form der Jungfernzeugung: die Thelytokie (thelytokia, griech.: Gebären weiblicher Kinder). Sie erlaubt, diploide Töchter hervorzubringen, ohne auf väterliches Erbgut angewiesen zu sein, indem zwei haploide Eizellkerne nach der zweiten meiotischen Teilung miteinander verschmelzen. Eindeutig nachgewiesen wurde diese Fortpflanzungsstrategie bei den Arbeiterinnen einer Honigbienenart und fünf verschiedenen Ameisenspezies. Somit können die Kolonieangehörigen selber weiblichen und männlichen Nachwuchs produzieren - auch ohne sich zu paaren.
Eine überraschende Entdeckung machten nun Morgan Pearcy von der Freien Universität Brüssel und seine Kollegen, als sie die europäische Ameisenart Cataglyphis cursor näher studierten. Die Kolonien dieser häufigen Bewohner trockener Wälder bestehen gewöhnlich aus einer einzigen Königin und bis zu 3000 Arbeiterinnen. Doch nur wenige Staaten bringen eine kleine Anzahl neuer Herrscherinnen hervor. Denn die Regentinnen paaren sich in der Nähe des elterlichen Nestes, bevor sie die alte Kolonie mit erwachsenen Mitgliedern verlassen und in 3,2 bis 11,3 Meter Entfernung eine neue gründen. Ist ein Staat verwaist, vermögen die weiblichen Angehörigen sowohl Arbeiterinnen als auch Königinnen zu produzieren, belegten frühere Studien.
Im Süden Frankreichs sammelten die Forscher 38 große Ameisenkolonien ein und untersuchten bei 532 Arbeiterinnen jeweils vier höchst vielgestaltige Genorte ihres Erbmaterials. Wie die Experimente offenbarten, beherbergten drei Staaten Nachwuchs von mindestens zwei Monarchinnen. Die übrigen 35 Kolonien enthielten hingegen nur eine einzige, sich fortpflanzende Königin. Und diese hatte den Großteil der Kinderschar jeweils auf sexuellem Wege gezeugt: Insgesamt 476 von 489 Arbeiterinnen - dies entspricht 97,3 Prozent - wiesen Allele auf, die nicht von der Mutter, sondern von einem ihrer Partner stammten. Einige oder gar alle der restlichen 13 Arbeiterinnen sind wahrscheinlich durch ungeschlechtliche Vermehrung entstanden, vermuten die Wissenschaftler.
Zehn der 35 Kolonien mit einem Oberhaupt brachten zudem 56 neue Königinnen hervor. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Nestinsassen hatten sich 54 dieser zukünftigen Herrscherinnen jedoch nicht durch sexuelle Fortpflanzung entwickelt, denn die Allele der untersuchten Genorte ließen sich alle der Mutter zuschreiben. Folglich müssen sie infolge einer Jungfernzeugung entstanden sein. Offensichtlich vermögen die Regentinnen drei Fortpflanzungsstrategien einzusetzen: Männchen produzieren sie durch Arrhenotokie, die Schar der Arbeiterinnen auf geschlechtlichem Wege und für Königinnennachwuchs nutzen sie die Thelytokie.
Doch warum schalten die Herrscherinnen zwischen den einzelnen Mechanismen hin und her? Wahrscheinlich - so spekulieren die Forscher - profitiert die Kolonie davon, wenn die Arbeiterinnen sexuell entstehen, denn diese Reproduktionsform erhöht generell die genetische Vielfalt und die gesamte Fitness. Eine nützliche Voraussetzung, sind doch die gewöhnlichen Staatsangehörigen in hohem Maße verschiedenen physikalischen Umgebungen, aber auch biologischen wie sich schnell anpassenden Parasiten ausgesetzt.
Die ungeschlechtliche Vermehrung scheint indes eine bessere Option zu sein, um neue Herrscherinnen hervorzubringen. Schließlich verbleiben diese generell in der geschützten Umgebung des Nestes, genetische Vielfalt ist für ihr Überleben somit weniger wichtig. Ihnen kann die Mutter folglich ihre Gene vererben, ohne sie mit fremdem Erbgut zu vermischen. Kurzum: Die C.-cursor-Königinnen genießen den Vorteil von Sexualität, wo er am meisten gebraucht wird, und den Nutzen von Thelytokie, wo er am erschwinglichsten ist. Ob auch andere Ameisenarten diese ausgeklügelte Strategie verfolgen, bleibt vorerst noch rätselhaft.
Ulrike Knoll, Freie Wissenschaftsjournalistin
Quelle: Science 306: 1780-1783 (2004)
(Anmerkung: Zu kritisieren ist lediglich, dass es sich bei der thelytoken „Honigbienenart“ nur um eine Unterart von Apis mellifera handelt, und dass man in den meisten „trockenen Wäldern“ vergeblich nach der „häufigen europäischen Art Cataglyphis cursor“ suchen wird: Sie ist auf Südeuropa einschließlich Südfrankreich beschränkt. – A.B.)
Apocrita stellt Verkauf von Exoten ein (25.5.06)
Hallo,
ich möchte hiermit an dieser Stelle bekannt geben das wir von Apocrita.de Ameisenversand uns dazu entschlossen haben keine Exoten mehr zu verkaufen. Der Verkauf wird mit sofortiger Wirkung eingestellt.
Hiermit möchten wir unseren Beitrag zur Erhalung der einheimischen Flora und Fauna leisten, und den Gefahren von invasorischen Exoten vorbeugen die momentan in der Haltung an Überhand gewinnen zu scheinen.
Uns ist vollkommen bewusst das wir mit diesem Verkaufsstopp auf eine der lukrativsten Einnahmequellen verzichten, tun dies aber zum Wohle unserer Umwelt gerne. Wir leben schließlich nicht von dem Shop und versuchen nur eine preislich interessante Quelle für verschiedene Materialien und Ameisen zu sein.
Ich denke ihr könnt unsere Entscheidung verstehen und unterstützt uns auch weiterhin.
Vielen Dank
Sebastian Lübcke
Apocrita.de Ameisenversand
Zur Systematik europäischer Tetramorium-Arten (9.5.06)
In der Zeitschrift „Molecular Phylogenetics and Evolution xxx (2006) xxx–xxx“ (noch ohne exakte bibliografische Daten, da online-Vorab) ist eine Arbeit im Druck, die für die Benennung der europäischen Tetramorium-Arten Konsequenzen haben wird:
B. C. Schlick-Steiner, F. M. Steiner, Bernhard Seifert, M.Sanetra, E. Dyreson, C. Stauffer, E. Christian: A multidisciplinary approach reveals cryptic diversity in Western Palearctic Tetramorium ants (Hymenoptera: Formicidae)
(Multidisziplinärer Ansatz beweist kryptische Diversität bei west-paläarktischen Ameisen der Gattung Tetramorium)
Abstract : Diversity of ants of the Tetramorium caespitum/impurum complex was investigated in a multidisciplinary study. Focusing on morphologically hardly distinguishable Western Palearctic samples, we demonstrate the genetic and phenotypic diversity, demarcate phylogenetic entities, and discuss the clades in terms of biogeography. Sequences of 1113 bp of the mitochondrial COI gene revealed 13 lineages. COII data, worker morphometry and male genitalia morphology corroborated the COI results for seven lineages; the remaining six were disregarded because of small sample size. A comparison with published data on cuticular hydrocarbons showed correspondence.
The seven entities show different distribution patterns, though some ranges overlap in Central Europe. Since no major discrepancy between the results of the different disciplines became apparent, we conclude that the seven entities within the T. caespitum/impurum complex represent seven species. Geographical evidence allows the identification of T. caespitum and T. impurum, and we therefore designate neotypes and redescribe the two species in terms of morphology and mtDNA. As the revision of about 50 taxon names would go beyond the scope of this study, we refer to the remaining five species under code names. We discuss our findings in terms of plesiomorphy and convergent evolution by visualizing the mtDNA phylogeny in morphological space.
Ich erspare mir, diese Zusammenfassung zu übersetzen: Die ganze Arbeit ist ohnehin nur für Wissenschaftler zu verstehen. Was für den Laien (und Ameisenhalter) herauskam: Es gibt in Westeuropa (und damit in Deutschland) innerhalb dessen, was bisher unter T. caespitum und T. impurum „gehandelt“ wurde, deutlich mehr Arten als die beiden bisher gebrauchten Namen vermuten ließen.
Die Unterscheidung der nunmehr sieben zum T. caespitum / T. impurum-Komplex gehörenden Arten ist praktisch nur biochemisch-molekulargenetisch möglich, nur zum Teil auch anhand männlicher Genitalanhänge. Selbst die zwei Arten T. caespitum und T. impurum, für die neue Typen (neotypes) festgelegt werden mussten, wurden nun nicht nur morphologisch, sondern auch unter Einbeziehung von Merkmalen ihrer mitochondrialen DNS wiederbeschrieben. Die übrigen fünf bisher unerkannten Arten (alle bisher als T. caespitum oder T. impurum eingeordnet) wurden nicht formal mit Artnahmen versehen, sondern mit vorläufigen Code-Bezeichnungen.
Für die Praxis von Ameisenhaltung und Ameisenhandel hat dies die Folge, dass man die nach morphologischen Merkmalen als T. caespitum oder T. impurum bestimmten Völker korrekt nur noch als „Tetramorium sp. (T. caespitum / T. impurum-Komplex)“ bezeichnen kann (niemand wird in der Lage sein, für ein zum Verkauf bestimmtes Volk oder gar eine einzelne Königin die mitochondriale DNS zu analysieren; und es müsste jedes einzelne Volk charakterisiert werden!). Die sieben in der Arbeit unterschiedenen Arten wurden zunächst mit den Code-Bezeichnungen A bis G belegt, wobei G dann als T. impurum und F als T. caespitum identifiziert werden konnten.
Die Ameisensystematik wird nicht leichter! (A. Buschinger, 09.05.2006)
Maikäferplage in Südhessen (06. Mai 2006)
Der Bericht hat zwar nicht unmittelbar mit Ameisen zu tun, ist aber vielleicht doch so eindrucksvoll, dass sich ein Blick darauf lohnt:
http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/viewtopic.php?p=666#666
(A. Buschinger)
Mit Ameisenverkauf ein hohes Einkommen erzielen…. (02.05.06)
…kann man in den USA.
Wie bereits berichtet wurde (http://www.ameisenwiki.de/index.php/Archiv_%C3%A4lterer_Ereignisse, Januar 06) feiert die „Uncle Milton Ant Farm“ in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen.
Inzwischen findet das Ereignis seinen Niederschlag auch in der Provinzpresse. Ein mir zugesandtes Exemplar des „The Plain Dealer“ vom 24. 04. 06 enthält ein Interview mit Vertretern von Uncle Milton Industries. Einige Fragen und Antworten sind aufschlussreich.
So wird berichtet, dass Uncle Milton Industries in den 50 Jahren etwa eine Milliarde (1,000,000.000 ) (am.: one billion) Ameisen an ihre Kundschaft versandt hat.
Außer bei schlechten Wetterbedingungen werden die bestellten Ameisen zwei Wochen nach Auftragseingang versandt. Man soll darauf achten, dass die Sendung nicht einen ganzen Tag lang im Briefkasten (in USA meist offen an der Straße) gekocht wird oder erfriert.
Wie man die Ameisen aus dem Versandröhrchen in die Antfarm bekommt? - 15 Minuten im Kühlschrank werden sie so verlangsamen, dass man sie in das Habitat schütten kann. „Legt sie nicht in den Gefrierschrank, sonst werden sie sich nie wieder bewegen“.
Was sind das für Ameisen? – Ernteameisen der Gattung Pogonomyrmex. Es sind alles sterile Arbeiterinnen. Es ist ungesetzlich, Ameisenköniginnen zu versenden. Sie leben in riesigen Kolonien in den südwestlichen Wüsten der USA. Professionelle Ameisensammler werden eingestellt um die Ameisen zu sammeln. Einige verdienen 80.000 US$ pro Jahr.
Wie lange leben die Ameisen? – Im Freiland etwa ein Jahr. In einer gut gepflegten Farm können es bis zu drei Monate sein, weil bereits erwachsene Ameisen versandt werden. Es wird auch schwer für eine Ameise, wenn ihr Besitzer sie ins direkte Sonnenlicht stellt … oder wenn der kleine Bruder die Farm vom Regal schmeißt.
Was passiert, wenn die Ameisen entkommen oder wenn ich sie freilasse? – Die Antfarms sind ausbruchsicher. Kommen sie trotzdem frei, versuchen sie nach draußen zu gelangen. Sie werden sich nicht im Haus ansiedeln. Sie können sich nicht fortpflanzen und sie werden der Umwelt nicht schaden. (Anmerkung des Übersetzers: Von einer möglichen Parasitenfracht hat man dort auch noch nichts gehört!).
Der Rest geht dann um Fütterung. Für die 30, 60 oder 90 Ameisen, die man erhält, reicht ein Reißnagelkopf-großes Stückchen Apfel für eine Woche (!). Und so weiter…..
Bei Licht besehen werden die Ameisen also einfach zum Totpflegen verkauft, Käufer und deren Kinder können sich am langsamen Sterben der Tiere weiden. Wenn sie dann nicht genug davon gesehen haben, können sie eine Nachfüllpackung bestellen. Mir fällt nur das Wort „Tierverbrauch“ dazu ein, wo nicht deutlich Schlimmeres.
Es erinnert fatal an den Hype vor etlichen Jahren, als clevere Hühnerbrütereien zu Ostern flauschige Eintagsküken verkauften. Dank Dottervorrat überleben sie etwas über 24 Stunden ohne Futter. Am Ostersamstag gekauft, konnte man sich am Sonntag an den „lustig“ (in Wahrheit kläglich) piepsenden Federknäueln auf dem Frühstückstisch erfreuen. Mittags waren sie tot. Das geschah in Deutschland, nicht in USA! (A. Buschinger, 2.5.06)
Wissenschaftliche Veröffentlichungen pdfs (27.04.06)
Über 2.400 wissenschaftliche Veröffentlichungen verschiedener Ameisenforscher lassen sich von dieser Seite downloaden:
http://ravenel.si.edu/ent/wlb/list_all.cfm
Die “William L. Brown Memorial Digital Library” enthält digitalisierte Kopien anscheinend aller Sonderdrucke, die der verstorbene amerikanische Myrmekologe W.L. Brown jr. von anderen Myrmekologen zugesandt bekam. Vor dem digitalen Zeitalter hat sich jeder Forscher eine derartige Sammlung angelegt, und im Gegenzug Sonderdrucke von eigenen Veröffentlichungen an andere Forscher seiner Richtung versandt. Eine Fundgrube, die manchen Gang zur Bibliothek erspart!
Hinweis: Neue Bilder (26.4.06)
Von Alex Wild (myrmecos) gibt es tolle neue Bilder amerikanischer Ameisen: Camponotus ulcerosus, die einen vorn abgeplatteten Kopf wie unsere Camponotus truncatus hat, und die Paarung von Brachymyrmex. Erinnert an den alten Witz vom Zwerg, der die Riesendame im Zirkus heiratet („alles meins“). Anscheinend hat die Brachymyrmex-Königin ihren Supermann vom Hochzeitsflug mitgebracht und die Flügel abgeworfen, noch bevor der Kleine fertig war!
http://www.myrmecos.net/new.html
Hat sich erledigt, da nicht mehr existent.
Phylogenetisches Alter der Ameisen bei 140 – 168 Mio Jahren (10.04.06)
Science 7 April 2006: Vol. 312. no. 5770, pp. 101 – 104 DOI: 10.1126/science.1124891
Phylogeny of the Ants: Diversification in the Age of Angiosperms Corrie S. Moreau, Charles D. Bell, Roger Vila, S. Bruce Archibald, Naomi E. Pierce Abstract: We present a large-scale molecular phylogeny of the ants (Hymenoptera: Formicidae), based on 4.5 kilobases of sequence data from six gene regions extracted from 139 of the 288 described extant genera, representing 19 of the 20 subfamilies. All but two subfamilies are recovered as monophyletic. Divergence time estimates calibrated by minimum age constraints from 43 fossils indicate that most of the subfamilies representing extant ants arose much earlier than previously proposed but only began to diversify during the Late Cretaceous to Early Eocene. This period also witnessed the rise of angiosperms and most herbivorous insects.
Im Spiegel online 09. April 2006 wurde daraus: EVOLUTION Frühe Blüten ließen Ameisenarten sprießen. Ameisen sind älter als bislang angenommen. Forscher haben einen genetischen Stammbaum der Tiere aufgestellt, mit Fossildaten verglichen - und dabei auch festgestellt, wann die Zahl der Ameisenarten explodierte. Schon vor 140 bis 168 Millionen Jahren gab es die ersten Ameisen auf der Erde - mindestens 40 Millionen Jahre früher als bislang vermutet worden war. Das fand Corrie Moreau von der Harvard University heraus, nachdem er einen genetischen Stammbaum mit Gensequenzen von knapp der Hälfte der heute existierenden Ameisenarten aus 19 von 20 Unterfamilien zusammengesetzt hatte. Dazu verfolgte der Forscher einige Abschnitte aus dem Genom der Tiere bis in die Frühzeit ihrer Entwicklung zurück. Die Frage nach dem Alter der Ameisen stand dabei gar nicht so sehr im Mittelpunkt: Moreau wollte rekonstruieren, wie die Evolution der Ameisen verlief. Ihre Ergebnisse stellen sie in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Science" vor, das die Ameisen auch auf sein aktuelles Titelbild hob.
Zunächst, so berichtet Moreau, sei der Stammbaum der Ameisen karg gewesen. Erst vor 100 Millionen Jahren fingen die Tiere an zu diversifizieren: Neue Arten entstanden, beinahe explosionsartig entwickelte sich die Vielfalt. Dies hätten die Tiere wohl der sie umgebenden Flora zu verdanken, folgern die Forscher.
Denn just zu dem Zeitpunkt, als sich neue Äste am Ameisenstammbaum zeigten, sprossen auch die ersten großen Blütenpflanzen und üppig wuchernden tropischen Wälder aus der Erde - und boten für pflanzenfressende Insekten eine biologische Nische nach der anderen: Für Ameisen als Jäger plötzlich ein reichhaltig gedeckter Tisch. "Unsere Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass Ameisen sich diese ökologischen Möglichkeiten zunutze machen konnten", sagte Moreau. Stx
Kommentar: Dass die Ameisen beträchtlich älter sind, als man bisher annahm (140 bis 168 Millionen Jahre statt 100 Mio) ist glaubhaft dargelegt.
Im Spiegel-Bericht allerdings stört einiges: 1.) war es nicht allein Corrie Moreau, die diese Untersuchung gemacht hat, sondern weitere vier Wissenschaftler, darunter die renommierte Naomi Pierce. 2.) von knapp der Hälfte der heute existierenden Ameisenarten ist die Rede, das wären fast 6.000 Arten, eine nicht zu bewältigende Aufgabe. Aber im Originaltext steht ja „139 von 288 beschriebenen Gattungen“, was doch einen gewaltigen Unterschied ausmacht. Von jeder Gattung eine Art, vielleicht mal zwei, das ist zu schaffen und es erscheint möglich, die Tiere heranzuschaffen. Also wieder einmal: Vorsicht vor journalistisch vorverdauten Informationen; manche Wissenschaftsreporter haben eine ausgesprochen schlechte Verdauung!
A. Buschinger (10.04.06)
Verzeichnis von Experten für invasive Arten (19.03.06)
Im Rahmen des EU-Projektes DAISIE http://www.europe-aliens.org wurde ein European Alien Species Expertise Registry aufgebaut, das jetzt zur Registrierung offen ist. Es sammelt die Expertise von Fachleuten für invasive Arten, die in Europa vorkommen oder in Zukunft vorkommen können. Anders als der Titel vermuten lässt, wollen wir Informationen über Experten von der ganzen Welt sammeln, denn die für Europa neuen Arten kommen ja aus der ganzen Welt.
Das Expertenregister enthält vielfältige Informationen über Experten, neben taxonomischen und geographischen Angaben vor allem Angaben über weiteres Fachwissen (beispielsweise Verbreitung, Schutz, Ökologie, ökonomische Aspekte, Genetik, Gesetzgebung und Verwaltung, Management, Kontrolle, Verbreitungswege, Transport, Physiologie und Sicherheitsaspekte).
Das Expertenregister ist erst seit kurzem verfügbar, wir hoffen aber, dass es in kurzer Zeit bereits einen relevanten Teil des verfügbaren Expertenwissens vermitteln kann. Dieses Register kann dann nicht nur für Auskünfte verwendet werden, sondern auch zur Analyse, beispielsweise in welchem Bereich es wie viele Experten gibt oder wo offensichtliche Lücken sind. Langfristig kann solch ein Register daher auch forschungspolitisch wichtig sein. Das Register ist frei verfügbar und wird auch von politischen Entscheidungsträgern genutzt werden.
Bitte nehmen Sie sich einen Moment Zeit und registrieren Sie sich unter http://daisie.ckff.si Das Register ist selbsterklärend und es wird nur ca. 5 Minuten beanspruchen. Bitte geben Sie diese Information auch an Kollegen weiter, für die es relevant sein könnte.
Herzlichen Dank und mit freundlichem Gruss Wolfgang Nentwig
Prof. Dr. Wolfgang Nentwig, Zoological Institute, University of Bern
Baltzerstr. 6, CH 3012 Bern (Switzerland, old Europe)Tel. +0041-31-631-4520 (direct), -4511(secretary), -4888(fax)
http://www.zoology.unibe.ch/nentwig/
http://www.zoology.unibe.ch/ecol/
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Ich habe mich umgehend registriert.
A. Buschinger
Schwimmende Meeres-Ameisen (12.03.06)
http://www.abc.net.au/news/newsitems/200603/s1589516.htm
“News online” präsentiert mit Datum 12.03.2006 aufgeregt eine großartige Neuigkeit (die ganz so großartig aber doch nicht ist): Wissenschaftler entdecken schwimmende Ameisen! Zugeschrieben wird diese „Entdeckung“ einem Team an der James Cook Universität in Townsville, Queensland, Nordost-Australien. Angeblich haben sie einen neuen Typ von Ameisen entdeckt, die einzige Ameisenart, die unter Wasser leben, schwimmen und navigieren kann. „Das Team … erfährt internationale Anerkennung für seine Entdeckung von Polyrhachis sokolova“.
Nun wurde diese Art bereits 1910 von A. Forel beschrieben und benannt, obwohl dieser von der Lebensweise bestimmt noch nicht viel wusste. Man hat ihm seinerzeit Ameisen aus aller Welt zugeschickt, die er dann beschrieb. Insgesamt sollen es gegen 3.000 gewesen sein.
Die Biologie von P. sokolova wurde tatsächlich erst in den 90er Jahren entdeckt und auch beschrieben. Schon damals war von der „ersten marinen (= im Meer lebenden) Ameise der Welt" die Rede. Tatsächlich baut sie ihre Nester im Schlick der Mangrovenzone, in Bereichen, die täglich bei Flut überschwemmt werden. Rechtzeitig vor Einsetzen der Flut ziehen sich die Ameisen in Lufttaschen im Nest zurück und verschließen die Eingänge mit Erdbröckchen. Bei Ebbe furagieren sie auf der Schlammoberfläche und besuchen Honigtauspender in den Mangrovenbüschen.
M.G. Nielsen (1997): Nesting biology of the mangrove mud-nesting ant Polyrhachis sokolova Forel (Hymenoptera, Formicidae) in northern Australia, Insectes Sociaux 44, 15-21,
schreibt im abstract ausdrücklich: “The ants showed a clear swimming or "walking on the surface" behaviour when they returned to the nest just before the entrance collapsed and during ebb”; sie schwimmen also, oder laufen an der Oberfläche.
Auch wenn es also nicht ganz brandneu ist: Erstaunlich ist die Lebensweise dieser Ameise allemal.
Nebenbei: Mit Blick auf eine Debatte über deutsche bzw. Trivialnamen in einem der Ameisenforen sei erwähnt, dass für die Gattung Polyrhachis in Australien die Bezeichnung „Spiny ants“, also „Dornameisen“ vorgeschlagen wurde. Das passt noch recht gut, obwohl es viele dornige Ameisen auch in anderen Gattungen gibt. Polyrhachis sokolova gehört jedoch zu einer Untergattung Chariomyrma. Für diese hat man den Namen „Savanna spiny ants“ erfunden. Savannen-Dornameisen, die im Schlick der Mangrove leben und im Meer baden? Wer hätte das gedacht!
(A. Buschinger
Pheidologeton diversus: Koloniestruktur (07. 03. 2006)
Unter diesem Titel läuft im Antstore-Forum eine interessante Diskussion: http://www.antstore.net/viewtopic.php?t=3427
Auslöser waren diverse Erfahrungen von Haltern, die sich wissenschaftlich nicht so recht interpretieren lassen. Leider ist der Lieferant der verkauften Kolonien zur Zeit verreist, so dass eine Aufklärung der Angelegenheit noch etwas auf sich warten lässt. Pheidologeton-Halter, die den thread noch nicht gesehen haben, sollten dort mal vorbeischauen und möglichst ebenfalls ihre Erfahrungen einbringen. (A. Buschinger)
Passera, L. et Aron, S., 2005: Les fourmis ... ist erschienen! (A. Buschinger, 03.03.2006)
Mehr als 15 Jahre sind vergangen seit Erscheinen der letzten umfassenden Darstellung der Ameisen durch Hölldobler und Wilson (1990). In diesen 15 Forschungsjahren, einer sehr langen Zeit in der Wissenschaft, hat sich sehr viel getan. Jetzt ist ein fast ebenso umfassendes und voluminöses Werk erschienen, das auch die neuen Entwicklungen in der Myrmekologie berücksichtigt: Passera, L. et Aron, S., 2005: Les fourmis: comportement, organisation sociale et évolution. Les presses scientifiques du CNRC, Ottawa, Canada. (Die Ameisen: Verhalten, Soziale Organisation und Evolution).
Wer Französisch versteht, liest es mit Gewinn, oder kann auch zu bestimmten Themen die neuesten Erkenntnisse darin nachblättern. Es ist zu hoffen, dass möglichst bald eine englische Übersetzung vorgelegt wird.
Luc Passera aus Toulouse ist einer der großen französischen Myrmekologen des 20. Jahrhunderts, die inzwischen leider alle im Ruhestand oder gar bereits von uns gegangen sind. Um die 45 Jahre hat er über Ameisen geforscht. Zurzeit ist das Buch noch nicht über Amazon erhältlich. Man muss es bei CNRC Canada bestellen. Es soll US $ 80,- kosten, plus möglicherweise Porto.
Der Preis ist bei einem Buch dieses Umfangs und dieser Qualität moderat. Im französischen Ameisenforum wird es bereits von zahlreichen Usern begeistert begrüßt, und das mit Recht, wie ich nach erstem Durchblättern und Lesen einiger Abschnitte bestätigen kann.
A. Buschinger
Die Ameisenfarm als Urne (24.02.06)
Makabre Scherze
Im amerikanischen Ameisenforum gibt es einen Beitrag über ein Bestattungsunternehmen („Final Curtain“, „Letzter Vorhang“), das allerlei alternative Beisetzungsformen anpreist, besonders für die Rückstände der Verstorbenen nach der Einäscherung.
Darunter war der Vorschlag einer „Mary Dresser“, nach deren Wunsch ihre Asche mit dem Boden in einer großen Ameisenfarm vermischt werden sollte. Das Bild dazu zeigt eine „Uncle Milton’s Ant Farm“, eine auch bei uns angebotene Variante von Formikarien. Wer also seine Ameisen wirklich liebt und mit ihnen bis über den Tod hinaus verbunden bleiben möchte …. Zum Trost: Das ganze Angebot von „Final Curtain“ war ein sog. hoax, ein Scherz.
http://p211.ezboard.com/fantfarmtheantfarmsmessageboard.showMessage?topicID=5201.topic und http://www.museumofhoaxes.com/finalcurtain.html
A. Buschinger
PS: Kein Scherz dagegen ist ein Bericht in H. Stitz (1939): Ameisen oder Formicidae, S. 269-270, zu den Nistgewohnheiten von Lasius fuliginosus: „Zimmer fand ein Nest in einem Grabgewölbe, in dem der Sarg nicht mehr vorhanden, sein Holz wohl zur Herstellung des Kartonnestes verwendet worden war, und ein anderes im Inneren eines Kindersarges, der bereits 20 Jahre in der Erde gelegen hatte, diesen ganz ausfüllend und daher von seiner Form“.
(Im Forum der DASW habe ich auch das Bild dazu gepostet: http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/viewtopic.php?t=285
Literaturhinweis (23.02.06)
Das Heft 1, Band 53 (2006) von Insectes Sociaux ist erschienen. Inhaltsverzeichnis und die Zusammenfassungen der Veröffentlichungen sind unter der folgenden URL einsehbar:
Auf einen Übersichtsartikel möchte ich besonders aufmerksam machen:
J. Heinze, S. Cremer, N. Eckl, A. Schrempf: Stealthy invaders: the biology of Cardiocondyla tramp ants. (Etwa: “Heimliche Eindringlinge: Die Biologie von Tramp-Ameisen der Gattung Cardiocondyla”)
Es wird gezeigt, dass die kleinen, unauffälligen Arten dieser Gattung ähnliche Eigenschaften haben wie die bekannteren invasiven Arten, etwa die Argentinische Ameise (Linepithema humile) oder die Feuerameisen (Solenopsis invicta). Sie sind polygyn, haben Begattung im Nest, Kolonieaufspaltung, geringe genetische Variabilität, die Arbeiterinnen sind steril, und möglicherweise sind sie unikolonial. Cardiocondyla sind bereits durch menschliche Aktivitäten über die ganzen Tropen verbreitet worden. Da sie lokal hohe Populationsdichten erreichen, sollte ihr Einfluss auf lokale Faunen einheimischer Arthropoden mehr untersucht werden.
(In deutschsprachigen Ameisenforen wurde bereits über die Haltung von Cardiocondyla-Arten berichtet).
A. Buschinger (Edit 01.03.06: Das Inhaltsverzeichnis ist jetzt online)
„Runder Tisch“ zu Ameisenimport und -handel (26.01.06)
http://www.antstore.net/viewtopic.php?t=3271
Bisher noch recht sachlich und inhaltsreich. Schaut mal 'rein!
A. Buschinger
Edit (29.01.06): Mangels Beteiligung der Exotenhändler und -importeure ist der Runde Tisch aus meiner Sicht beendet. Dieser Eintrag kann nach einigen Tagen gelöscht werden.
A. Buschinger
Noch ein Edit: (30.1.06)
Die Diskusion läuft weiter, obwohl am „Runden Tisch“ die Seite der Händler und Exoten-Verkäufer noch immer beschämend dünn besetzt ist (nur Herr Sebesta / Antstore hat sich einmal zu Wort gemeldet).
Parallel hat sich eine Diskussion im Forum Ameisenhaltung entwickelt.
Ein Tipp für Leser, die keine Flatrate haben:
Man kann sich die ganzen threads markieren und kopieren (rechte Maustaste), dann über Bearbeiten - Inhalte einfügen (!)- unformatierten Text in word einfügen. Das kann man in Ruhe auch wiederholt lesen, kann Wichtiges (farbig) hervorheben, Überflüssiges löschen, bequem eine Antwort formulieren, die man schließlich in den thread einfügt, usw..
Viel Spaß,
A. Buschinger
Uncle Milton Ant Farm 50 Jahre alt
http://p211.ezboard.com/fantfarmfrm3.showMessage?topicID=2221.topic
Laut einem Beitrag im amerikanischen Forum hatte die Los Angeles Times im August 2002 berichtet, dass die von Milton Levine 1956 entwickelte Ameisenfarm seither (bis 2002) in 20 Millionen Exemplaren verkauft wurde. „Der Verkauf läuft noch immer hervorragend“. Diese Farm, die in den USA mit selbst gesammelten Ameisen bestückt wird, oder, meistens, mit gekauften Ameisen (nur Arbeiterinnen erlaubt), feiert also dieses Jahr ihren 50. Geburtstag. Grund zum Feiern? (siehe auch ergänzende Notiz zu PETA unter "Haltung").
Hinweis: Anergates atratulus (Arbeiterlose Parasitenameise) (15.1.06)
Hier gibt es einen derzeit noch aktiven thread zu dieser seltenen einheimischen Ameisenart, mit Bildern:
http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/viewtopic.php?t=259
Stichworte: Paarungsverhalten, Inzucht, Ovarien, Receptaculum seminis leer, gefüllt, Jahreszyklus, Haltungstechnik u.a.
Nach Abschluss der Beobachtungen/ Untersuchung wird ein kurzer Bericht auch für's Wiki erstellt.
A. Buschinger
Das Tandemlaufen neu entdeckt? (12.1.06)
Aus: ddp/wissenschaft.de 12.01.2006 - Natur
http://www.wissenschaft.de/wissen/news/260827.html
Unterwegs mit dem Ameisen-Tandem
Biologen entdecken besondere Kommunikation zwischen zwei Ameisen auf Nahrungssuche
Wissenschaftler haben eine besondere Schüler-Lehrer-Beziehung bei Ameisen entdeckt: Zeigt eine Schmalbrust-Ameise der Art Temnothorax albipennis einer Artgenossin bei der Nahrungssuche den richtigen Weg, so passt sie ihre Laufgeschwindigkeit dem Tempo ihrer Nachfolgerin an. Doch auch die Geführte orientiert sich am Tempo ihrer Führerin. Die Kommunikation zwischen den Tieren haben die Biologen Nigel Franks und Tom Richardson von der Universität in Bristol nun näher untersucht.
Während des gemeinsamen Marsches klopft die hintere Ameise ihrer Navigatorin mit den Fühlern auf Bauch und Beine, um ihre Anwesenheit zu signalisieren. Für die Untersuchung dieses tierischen Tandems maßen Franks und Richardson die durchschnittliche Geschwindigkeit beim Zweierlauf und verglichen diese Resultate mit dem Tempo bei der individuellen Nahrungssuche. Sie entdeckten, dass die erfahrende Führerin mit ihrem Anhang viermal länger für die Futtersuche brauchte als allein. Die Ameisen-Schülerin hingegen profitierte von ihrem Unterricht, da sie den Weg mit Unterstützung ihrer Lehrerin deutlich schneller bewältigen konnte.
Außerdem fanden die Biologen heraus, dass beide Ameisen aufeinander eingehen. Entstand eine Lücke zwischen Lehrerin und Schülerin, so beschleunigte die Schülerin, um schnell wieder zur Führerin aufschließen zu können. Die Lehrerin hingegen verlangsamte ihr Tempo und wartete, bis sie wieder das Klopfen ihrer Verfolgerin spürte. Diese wechselseitige Kommunikation bezeichnen die Biologen als bidirektional.
Zwar bringen viele Tierarten ihren Nachkommen lebenswichtige Verhaltensweisen bei, bidirektionales Lernen hingegen war laut Franks und Richardson bislang jedoch nur beim Menschen bekannt. Es biete besonders in kleineren Tiergruppen Vorteile, wo Informationen ein wichtiges Gut seien. Die in vielen Regionen der Erde heimischen Temnothorax-Ameisen reichen ihre Tandem-Fähigkeit über Generationen weiter, indem ehemalige Schülerinnen sich später selbst als Lehrerinnen betätigen.
Nigel Franks und Tom Richardson (Universität Bristol): Nature, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1038/439153a
ddp/wissenschaft.de – Anna-Lena Gehrmann
Mein Kommentar:
Wieder einmal wird uraltes Wissen unter neuem Etikett verkauft. Zumindest macht der Bericht aus wissenschaft.de auf mich diesen Eindruck. Das Tandem-Laufen wurde bereits 1974 analysiert und beschrieben: Möglich, M., Maschwitz, U., Hölldobler, B. (1974), Science 186, 1046-1047. In dem berühmten Buch “The Ants” von Hoelldobler & Wilson 1990 ist es ausgiebig wiedergegeben. Die veröffentlichten Beobachtungen schließen das „Warten“ der führenden Ameise auf die Folgerin ein sowie die Kommunikation mittels Fühlerschlägen auf Gaster und Hinterbeine der Führerin.
Ich selbst habe über Tandemlaufen bei der Sklaven haltenden Ameise Harpagoxenus sublaevis publiziert: Buschinger, A., Winter, U. (1977): Rekrutierung von Nestgenossen mittels Tandemlaufen bei Sklavenraubzügen der dulotischen Ameise Harpagoxenus sublaevis (NYL.). Insectes Sociaux 24, 183-190, (siehe auch “The Ants” p. 460). Hier wird die Tandemrekrutierung während der Sklavenraubzüge eingesetzt um Nestgenossinnen den Weg zum Zielnest zu weisen.
Man wird das Original in der „Nature“ einsehen müssen um herauszufinden, was in der Arbeit an wirklich Neuem enthalten ist. Nigel Franks ist ein renommierter Ameisenforscher, den ich persönlich kenne, und der bestimmt nicht nur die uralten Fakten neu aufgewärmt hat. "Temnothorax-Ameisen reichen ihre Tandem-Fähigkeit über Generationen weiter, indem ehemalige Schülerinnen sich später selbst als Lehrerinnen betätigen" - Das kann nur Quatsch sein. Das Tandemlaufen ist ein angeborenes Verhalten. Längst wissen wir, dass unerfahrene JÜNGERE Arbeiterinnen zunächst rekrutiert werden. Später, älter und erfahrener geworden, gehen sie dazu über, ihrerseits jüngere Nestgenossinnen zu führen. Bei Harpagoxenus haben wir das sogar mit individuell markierten Tieren experimentell bewiesen!
A. Buschinger
Edit 12.01.06, 18:20:
Inzwischen habe ich die Originalarbeit, und auch eine Erläuterung vom Verfasser Nigel Franks dazu:
“What Tom Richardson and I did was a highly quantitative re-analysis of tandem-running and we realized that it met all of the criteria of teaching as laid out in the animal behaviour literature. That's 99% of the whole story ...”
Also „nur“ eine nochmalige (sicher aufwändige!) Untersuchung des Tandemlaufens, wobei Wert auf exakte Messungen gelegt wurde. Dabei stellten die Verfasser fest, dass das Verhalten alle Kriterien des “Lehrens” oder “Unterrichtens” entsprechend der Literatur über das Verhalten von Tieren (Ethologie) aufweist. Auch Nigel ist alles andere als erfreut über das, was die Medien aus solchen Erkenntnissen machen.
Die Originalarbeit zitiert korrekt das Buch von Hölldobler & Wilson 1990 sowie die Arbeit von Möglich et al. 1974.
A. Buschinger
Edit 17.1.06, Zusatzinformation:
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2006/01/15/AR2006011500588.html
In diesem Artikel der Washington Post kommen einige kritische Stimmen zu Wort. Man bestreitet, dass es sich bei dem so genannten „Unterrichten“ der Ameisen um ein auch nur irgendwie vergleichbares Verhalten zum menschlichen Lehren handelt. – Der ursprüngliche Artikel in „Nature“ hat ja behauptet, dass es sich bei den Beobachtungen an Temnothorax um das erste Beispiel für „Unterrichten“ im Tierreich handele.
Literaturhinweis: Blattschneiderameisen: Zusammenleben von vier Partnern (07.01.2006)
Siehe auch edit am Ende dieses Beitrags!
Ein Artikel (# 1) im „Spiegel“ vom 7. Januar 2006 beschreibt recht eindrucksvoll das Zusammenleben von vier Organismen im Attini-Nestt: I) Ameisen – II) deren Futterpilz – III) dessen parasitischer Pilz (Gatt. Escovopsis) – IV) Bakterien (Actinomyceten) an der Cuticula der Ameisen, die Antibiotika gegen den parasitischen Pilz erzeugen.
Für Halter von Blattschneiderameisen ist es sicher interessant zu wissen, welch komplizierten Organismenkomplex sie sich mit einer Blattschneider-Kolonie einhandeln.
Unter (# 2) ist die Zusammenfassung des Artikels in „Science“ vom 6. Jan. 2006 zu finden, der dem Spiegel-Artikel zugrunde liegt. Hier wird beschrieben, dass die Actinomyceten bei pilzzüchtenden Ameisen vorkommen, aber nicht bei verwandten, nicht pilzzüchtenden Ameisen, und dass diese Bakterien in speziellen Gruben in der Cuticula gedeihen. Drüsenzellen unter den Gruben scheinen die Actinimyceten zu ernähren.
(# 3) habe ich noch angefügt um zu zeigen, dass die Kenntnis dieser komplizierten Zusammenhänge nicht ganz neu ist: Bereits 1999 wurden die symbiontischen Actinomyceten in der „Nature“ beschrieben. Erstautor in beiden wissenschaftlichen Veröffentlichungen ist C.R. Currie.
A. Buschinger
(# 1) Der Spiegel 07. Januar 2006 http://www.spiegel.de/wissenschaft/erde/0,1518,393882,00.html
PESTIZID AM LEIB: Ameisen tragen Antibiotika-Rüstungen
Einige Ameisen haben auf ihrem Chitinpanzer Höhlungen, in denen Bakterien leben. Die stellen ein wirksames Antibiotikum zur Schädlingsabwehr her. Mit der biochemischen Keule schützen die Insekten ihre landwirtschaftlichen Anbauflächen. Einige Ameisengattungen betätigen sich als Pilzzüchter, um sich von ihrer Zucht zu ernähren. Doch nicht nur den kleinen Tieren selbst, sondern auch einem parasitären Mikropilz namens Escovopsis dienen diese Zuchtpilze als Nahrungsmittel. Diese Bedrohung ihrer Anbauflächen bekämpfen die Ameisen mit den Bakterien in ihrer Außenhaut, dem so genannten Exoskelett. Die Mikroorganismen produzieren Antibiotika, die den Parasiten wirksam schädigen, berichten Forscher um Cameron Currie von der University of Wisconsin in Madison im Fachmagazin "Science" (Bd. 311, S. 81).
AMEISEN: PILZBEKÄMPFER IN DER RÜSTUNG (Im Original: 3 Bilder)
Um die Symbiose von Insekt und Bakterium genauer zu untersuchen, betrachteten die Forscher verschiedene Ameisengattungen unter dem Elektronenmikroskop. Ausgangspunkt der Studie war die Cyphomyrmex-Ameise, an der große, blütenförmige Bakterienansammlungen zwischen Kopf und dem ersten Beinpaar besonders auffällig sind - die Tiere tragen gewissermaßen Krägen aus Mikroorganismen.
Nachdem die Biologen den Bakterienhaufen entfernt hatten, zeigten sich halbmondförmige Vertiefungen im Exoskelett, in denen die hilfreichen Bakterien heranwachsen. Außerdem entdeckten die Forscher Drüsenzellen unterhalb der Einschlüsse, von denen die Bakterien ihre Nahrung beziehen.
Alle pilzanbauenden Ameisengattungen beherbergen Bakterien in Einschlüssen, fanden die Wissenschaftler heraus. Bei den engeren Verwandten ohne gärtnerische Ambitionen hingegen konnten sie keine der charakteristischen Merkmale finden. Dieser Unterschied deute darauf hin, dass sich die pilzzüchtenden Ameisen, die Parasiten und die Bakterien gleichzeitig entwickelt haben, glauben die Forscher.
Ungeklärt sei jedoch die Frage, warum der Schädling nicht resistent gegen das Antibiotikum geworden ist. Schließlich bieten die Antibiotika den Ameisen schon seit Millionen von Jahren einen effektiven Schutz gegen den Escovopsis-Parasiten.
(# 2) Science 6 January 2006: Vol. 311. no. 5757, pp. 81 – 83 DOI: 10.1126/science.1119744
Coevolved Crypts and Exocrine Glands Support Mutualistic Bacteria in Fungus-Growing Ants
CAMERON R. CURRIE, MICHAEL POULSEN, JOHN MENDENHALL, JACOBUS J. BOOMSMA, JOHAN BILLEN.
Abstract. Attine ants engage in a quadripartite symbiosis with fungi they cultivate for food, specialized garden parasites, and parasite-inhibiting bacteria. Molecular phylogenetic evidence supports an ancient host-pathogen association between the ant-cultivar mutualism and the garden parasite. Here we show that ants rear the antibiotic-producing bacteria in elaborate cuticular crypts, supported by unique exocrine glands, and that these structures have been highly modified across the ants' evolutionary history. This specialized structural evolution, together with the absence of these bacteria and modifications in other ant genera that do not grow fungus, indicate that the bacteria have an ancient and coevolved association with the ants, their fungal cultivar, and the garden parasite.
(# 3) Nature 398, 701 - 704 (1999)
Fungus-growing ants use antibiotic-producing bacteria to control garden parasites
CAMERON R. CURRIE, JAMES A. SCOTT, RICHARD C. SUMMERBELL & DAVID MALLOCH
Abstract: The well-studied, ancient and highly evolved mutualism between fungus-growing ants and their fungi has become a model system in the study of symbiosis1-5. Although it is thought at present to involve only two symbionts, associated with each other in near isolation from other organisms1-5, the fungal gardens of attine ants are in fact host to a specialized and virulent parasitic fungus of the genus Escovopsis (Ascomycotina)6. Because the ants and their fungi are mutually dependent, the maintenance of stable fungal monocultures in the presence of weeds or parasites is critical to the survival of both organisms. Here we describe a new, third mutualist in this symbiosis, a filamentous bacterium (actinomycete) of the genus Streptomyces that produces antibiotics specifically targeted to suppress the growth of the specialized garden-parasite Escovopsis. This third mutualist is associated with all species of fungus-growing ants studied, is carried upon regions of the ants' cuticle that are genus specific, is transmitted vertically (from parent to offspring colonies), and has the capacity to promote the growth of the fungal mutualist, indicating that the association of Streptomyces with attine ants is both highly evolved and of ancient origin.
Edit (11.1.06):
Es ist dringend zu empfehlen, dass man sich den Beitrag in Science 6 January 2006: Vol. 311. no. 5757, pp. 81 – 83 z.B. in einer Universitätsbibliothek ansieht (auch städtische Büchereien beziehen oft die "Science"): Wunderbare Bilder der Bakterienkulturen auf bzw. unter den Ameisen, sowie Raster-EM-Aufnahmen der Gruben, in denen die Streptomyceten gezüchtet werden usw.!
A. Buschinger
Literatur-Hinweis: Myrmica rubra invasiv in Maine, USA (05.01.06)
Groden, E; Drummond, FA; Garnas, J; Franceour, A (2005): Distribution of an invasive ant, Myrmica rubra (Hymenoptera : Formicidae), in Maine. JOURNAL OF ECONOMIC ENTOMOLOGY, 98 (6): 1774-1784
Abstract: Introduced populations of the north temperate ant species, Myrmica rubra (L.), have become pestiferous in various locations in the northeastern United States, particularly in coastal communities in Maine. Native populations of this ant are widely distributed throughout northern Europe and western Asia; however, nest densities in its native range do not usually reach the high levels observed for many introduced populations. This aggressive ant readily stings, and because of its high densities, homeowners continually encounter nests at a frequency that interferes with use of their properties. Surveys were conducted in Maine from 2001 through 2004 to determine the statewide extent of current infestations. Nests in established populations in coastal Maine were sampled from April through September to assess seasonal changes in the density and composition of colonies. Similarities and differences between introduced populations of M. rubra in Maine and published reports of this species in Europe are discussed. Museum records of this species in North America were also researched and are presented.
(Verbreitung einer invasiven Ameise, Myrmica rubra (Hymenoptera : Formicidae), in Maine)
Schon länger wurde diskutiert, dass die bei uns weit verbreitete Rote Knotenameise Myrmica rubra vor einigen Jahren nach Nordamerika eingeschleppt wurde. Nach dieser neuen Arbeit soll sie im US-Bundesstaat Maine höhere Siedlungsdichten erreichen als in Europa. Sie wird v.a. bei der Gartenarbeit durch ihre Stiche belastend. Ich habe die Arbeit angefordert und werde ggf. Einzelheiten nachtragen, die in diesem abstract nicht enthalten sind.
Wichtig erscheint mir, dass dieses Beispiel wieder einmal zeigt, wie eine in ihrem Heimatland recht unauffällige, ganz „normale“ Ameisenart nach Freisetzung in einem anderen Gebiet sich rasch zu einer „Pest“, einer Plage entwickeln kann. Für mich ein weiteres handfestes Argument gegen den freien Import und Verkauf ausländischer Ameisen in Deutschland: „Man steckt nicht drin“; keiner der Händler oder gar ihrer Kunden kann vorhersehen, ob eine der eingeführten Arten gutartig bleibt, oder sich zu einem kaum noch zu bekämpfenden Schädling entwickelt!
A. Buschinger
ANT-Breeding.DE: Nicht willkommen. (03.01.2006)
“Christian Ludwig = Spammer!”
Unter diesem Titel im amerikanischen Antfarm’s Message Board finden sich Informationen zu einem weiteren deutschen Ameisenhändler. Er versucht über e-mails an Mitglieder des amerikanischen Forums amerikanische Ameisen zu erwerben, die er hier in D verkaufen möchte.
“I thought you might be able to provide some interesting species? So please contact me via e-mail or MSN under Ludwig-at-ant-breeding.de if you are interested and able to offer or trade ants.”
Dank des bestehenden, sehr vernünftigen Handelsverbots für lebende Ameisenkolonien in den USA stößt der aufstrebende Händler dort auf die gebührende, massive Ablehnung.
Noch ist die Webseite „ANT-Breeding.DE“ leer, „im Aufbau“. Ein weiterer Ameisenhöker, zusätzlich zu den bei uns bereits aktiven, die ausländische Ameisen aller Art hier verteilen, ist so überflüssig wie ein Furunkel am Gesäß (für zarte Gemüter: Entschuldigung für meine direkte Art!). Besonders gefährlich könnte er dadurch werden, dass viele nordamerikanische Ameisen in Deutschland natürlich beste Überlebensbedingungen hätten, wenn sie freikommen (und das geschieht nach Angaben in den Foren ja andauernd).
Mein größter Wunsch für 2006: Dass unsere Behörden sich endlich aufraffen, diesem für unsere Natur so gefährlichen Unfug einen Riegel vorzuschieben!
Mit den besten Wünschen für das Neue Jahr an alle echten Ameisenfreunde,
A. Buschinger
Ergänzung (04.01.2006)
Zwei Stimmen aus dem amerikanischen Forum, die zu denken geben:
- Dr Ant: “I just sent the message to the spam police.”
- Antdude: “Good idea. I will send to his ISP's Abuse Department as well!”
Woran ich auch noch nicht gedacht hatte: Juristisch gesehen fordert da ein Ausländer (aus Deutschland) US-Bürger zum Verstoß gegen ein US-Gesetz auf ….
Das ändert sich auch nicht durch einen neuen post, in dem er versichert, dass er ja nur Ameisen für den eigenen Gebrauch haben und keinen weiteren "AntStore" aufmachen möchte:
“Think I have to excuse myself for contacting some of the members. I just wanted get some new contacts as I'm always trying to get some new species FOR MY OWN and don't for make a whole sale out of it!!! Mr. Buschinger is overacting like he did in the past. My homepage is not getting a another AntStore... it's just a personel site about my hobby. So please all of you got an e-mail from me: I'm sorry that I took this way to get in contact with other ant keepers. Thanks Christian“
Dafür sind seine im amerikanischen Forum geposteten mails allerdings reichlich missverständlich.
A. Buschinger