Diskussion:Risiken der Haltung ausländischer Ameisen: Unterschied zwischen den Versionen
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„''Trotzdem sind beim Menschen sehr genaue Analysen gemacht worden wie die Völkerbewegungen aussahen, wer was besiedelte und zu welchem Anteil ein Mensch welcher Abstammung ist. Wenn dies beim Menschen möglich ist, wieso nicht bei Ameisen''.“ | „''Trotzdem sind beim Menschen sehr genaue Analysen gemacht worden wie die Völkerbewegungen aussahen, wer was besiedelte und zu welchem Anteil ein Mensch welcher Abstammung ist. Wenn dies beim Menschen möglich ist, wieso nicht bei Ameisen''.“ | ||
- Es ist doch wohl einleuchtend, dass der Mensch ein genuines Interesse an seinem eigenen Schicksal hat, dass daher für entsprechende Forschung sehr viel Geld bereit gestellt wird. Wer aber soll solche Forschung über Ameisen finanzieren? Wer hat Interesse daran? Ergebnisse lassen sich nicht vermarkten! | - Es ist doch wohl einleuchtend, dass der Mensch ein genuines Interesse an seinem eigenen Schicksal hat, dass daher für entsprechende Forschung sehr viel Geld bereit gestellt wird. Wer aber soll solche Forschung über Ameisen finanzieren? Wer hat Interesse daran? Ergebnisse lassen sich nicht vermarkten! Deshalb werden nur einzelne einschlägige Untersuchungen durchgeführt, damit man erfährt, was prinzipiell möglich ist. Verallgemeinerung der Ergebnisse ist auch hier nicht immer sinnvoll. | ||
„Intraspezifische Homogenisierung“ beim Menschen ist gewiss ubiquitär. Weit mehr als bei irgendeinem anderen Lebewesen. Mögliche Folgen der Hybridisierung (z.B. gesundheitlicher Art) sind durch die Zivilisation überdeckt (z.B. medizinische Hilfe). Angepasst sind wir im Wesentlichen an unsere selbst geschaffene, sehr künstliche Umwelt, die in Alaska kaum anders als in Ägypten ist (wo nötig, wird geheizt, bzw. gekühlt usw.). Kulturell geprägte Partnerwahl (Vermeidung von „Mischehen“ aller Art) dürfte einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen sich immer wieder relativ „reinerbig“ erhalten. | „Intraspezifische Homogenisierung“ beim Menschen ist gewiss ubiquitär. Weit mehr als bei irgendeinem anderen Lebewesen. Mögliche Folgen der Hybridisierung (z.B. gesundheitlicher Art) sind durch die Zivilisation überdeckt (z.B. medizinische Hilfe). Angepasst sind wir im Wesentlichen an unsere selbst geschaffene, sehr künstliche Umwelt, die in Alaska kaum anders als in Ägypten ist (wo nötig, wird geheizt, bzw. gekühlt usw.). Kulturell geprägte Partnerwahl (Vermeidung von „Mischehen“ aller Art) dürfte einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen sich immer wieder relativ „reinerbig“ erhalten. |
Version vom 25. Juni 2008, 14:14 Uhr
intraspezifische Homogenisierung - Sinn oder Unsinn ?
Durch eine Diskussion auf http://www.ameisenforum.de/einsteigerfragen/30724-gibt-es-fliegende-ameisen-auch-gefangenschaft.html#post185332 hab ich mal etwas mehr über das Thema intraspezifische Homogenisierung nachgedacht. Und irgendwie will mir die Begründung nicht so recht einleuchten. Es werden 2 Argument genannt, warum intraspezifische Homogenisierung zu vermeiden ist.
Verlust von Anpassung an ein bestimmtes Habitat: Hier reicht eigentlich nur ein Stichwort: Evolution. Würden eine Anpassung verloren gehen, würde das heissen, dass es keine Evolution gibt. Wie soll sich eine negative Eigenschaft weiter ausbreiten. Als Antwort kam dann : Die Gefahr liegt ja grade darin begründet, dass die homogenisierte Teilpopulation nicht gleich zugrunde geht. Die "fremden" Gene breiten sich erstmal munter in der Teilpopulation aus. Ich kopier jetzt einfach mal meine Antwort aus dem betreffenden Thread
Da frag ich mich wie sich dieses "fremde Gen" so munter verbreiten soll. Mal angenommen, ein Halter lässt seine Geschlechtstiere frei... diese stellen dann einen utopisch hohen Wert von 1% aller schwärmenden Geschlechtstiere in diesem Jahr. Bedeutet, dass etwa 1% aller Kolonien die in diesem Jahr gegründet werden dieses fremde Gen haben. Nehmen wir an, dass zu dem momentanen Zeitpukt dieses Gen weder positive noch negative Auswirkungen auf die Fitness hat, so wird in 100 Jahren immernoch 1% der Population dieses Gen haben. Ohne selektiven Druck der dieses Gen begünstigt, wird der Anteil der Population mit diesem Gen nicht größer. Also haben auch in 200 Jahren noch 1% der Population dieses Gen. Jetzt trifft endlich das viel beschworene Ereignis ein, dass einen selektiven Druck hervorruft wodurch die Individuen mit dem fremden Gen aussterben. Und somit überleben die Tiere ohne das fremde Gen. Also ist alles wieder so wie am Anfang ... sehe immernoch kein Problem, da sich dieses "fremde Gen" eben nicht munter die gesamte Population "infiziert" und der Hauptteil der Population immernoch durch lokal angepassten Individuen gestellt wird. Falls irgendwo ein Fehler in meinem Gedankengang ist, möge man mich darauf hinweisen.
Der 2te Punkt ist, dass "Biogegographie und Phylogeographie erschwert oder sogar wertlos wird". Erstens ist die Frage, in wie weit so etwas überhaupt möglich ist. Habe eine Arbeit gelesen, bei der bei Lasius niger in einer Entfernung von 1000km keine signifikanten Unterschiede zwischen Populationen festgestellt wurden. Hier wäre phylogenetische Untersuchungen sinnlos und eine Homogenisierung somit egal. Natürlich wird das nicht bei jeder Art so sein. Aber wie weit dann eine Homogenisierung Probleme bei phylogenetischen Analysen bereitet ist am Menschen zu sehen. Wir homogenisieren wohl weitaus stärker als es bei Ameisen möglich ist ... selbst wenn jeder Halter seine Geschlechtstiere freilassen würde. Trotzdem sind beim Menschen sehr genaue Analysen gemacht worden wie die Völkerbewegungen aussahen, wer was besiedelte und zu welchem Anteil ein Mensch welcher Abstammung ist. Wenn dies beim Menschen möglich ist, wieso nicht bei Ameisen.
Ich sehe also beide Punkte als vollkommen unbegründet an und frage mich jetzt, ob in meiner Argumentation/Sichtweise irgendwo ein Fehler liegt, oder ob dieses Risiko der intraspezifischen Homogenisierung einfach nur im Zuge der Exoten-diskussion hochgespielt wird.
The_Paranoid (25.06.08)
Antwort:
The_Paranoid: „Ich sehe also beide Punkte als vollkommen unbegründet an und frage mich jetzt, ob in meiner Argumentation irgendwo ein Fehler liegt, oder ob dieses Risiko der intraspezifischen Homogenisierung einfach nur im Zuge der Exoten-diskussion hochgespielt wird.“
- Kennen Sie die in dem Wiki-Beitrag zitierten wissenschaftlichen Arbeiten?
- „Hochgespielt“ wird hier gar nichts! Zumindest nicht in dem im AWiki wörtlich wiedergegebenen Beitrag, der in zwei wissenschaftlichen Zeitschriften (deutsch und englisch) abgedruckt wurde, jeweils begutachtet von Fachwissenschaftlern, die keine inhaltliche Kritik angebracht haben! Kritik von Wissenschaftlern ist bis heute nicht erfolgt!
Ich kann nichts dazu, wenn einzelne Forenuser die Aussagen meiner Arbeiten verzerren und gelegentlich tatsächlich „hochspielen“. Viel häufiger stellen Forenuser jedoch ihre eigene „Meinung“ ohne vernünftige Begründung über die Aussagen von Wissenschaftlern und diskreditieren wissenschaftlich belegte Erkenntnisse großzügig als „hochgespielt“, „übertrieben“ usw..
Bestenfalls wird ein Einzelfall hervorgeholt, der die Voraussagen der Wissenschaftler zu widerlegen scheint (aber eben nur „scheint“!).
„Verlust von Anpassung an ein bestimmtes Habitat: Hier reicht eigentlich nur ein Stichwort: Evolution.“
- Nein, dazu muss man Evolution nicht nur buchstabieren können, man muss sie schon verstehen, und auch die Populationsgenetik. Niemand hat behauptet, dass bei JEDER intraspezifischen Faunenverfälschung ein negativer Effekt auftritt, auftreten muss. „Intraspezifische Faunenverfälschung“ war der von mir ursprünglich gebrauchte Begriff; er wurde von einem der Zeitschriften-Herausgeber in „intraspezifische Homogenisierung“ umgewandelt. Das trifft es zwar besser, ist aber für Laien auch weniger verständlich.
Die Rede ist von einem Risiko. Wie hoch dieses Risiko ist, ob 0.1 %, 1 % oder 10 %, bezogen auf die Zahl der freigekommenen Arten und/oder die Häufigkeit der Freilassung der einzelnen Arten, das kann die Wissenschaft heute absolut noch nicht sagen, zumal ja keinerlei brauchbare Angaben über die Zahl der verkauften bzw. selbst gesammelten und importierten Tiere erhältlich sind.
Aber es ist sicher belegt, dass solche Risiken bestehen. Die Forderung lautet: Solche Risiken sind, wo immer möglich, zu vermeiden!
(Importe ausländischer Ameisen sind nicht lebensnotwendig, müssen nicht sein, stellen damit ein vermeidbares Risiko dar).
Beispiele gibt es mehrere. Ich verweise gerne auf die "Europäische Sumpfschildkröte". Die hier verlinkten Seiten empfehle ich Ihnen zum gründlichen Studium:
http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Sumpfschildkr%C3%B6te
http://hessen.nabu.de/imperia/md/content/hessen/fachbeitraege/3.pdf
http://www.bund-hessen.de/presse/2001/pm_reinheim.html
Hieraus z.B.:
„Molekularbiologische Untersuchungen, die im Auftrag des BUND von der Universität Heidelberg durchgeführt wurden, beweisen, dass sich die nur noch kleine Population der Reinheimer Sumpfschildkröten offensichtlich mehrheitlich aus heimischen Tieren zusammensetzt. Zwischen Mai und August wurden zwei ausgewachsene weibliche und vier männliche Tiere gefangen. Die meisten Tiere wurden zwischenzeitlich untersucht und mehrheitlich als "echte Hessen" identifiziert. Auch die zuletzt gefangenen Tiere, für die der Gen-Test noch aussteht, werden nach dem äußeren Erscheinungsbild vom BUND für wahrscheinlich einheimische Tiere gehalten.“
Das ist der Stand von 2001. Das letzte Wort über die Hybridisierung mit ausgesetzten südeuropäischen Sumpfschildkröten ist hier noch nicht gesprochen.
Die verlinkten Seiten können Ihnen auch einen Eindruck vermitteln von der Komplexität der Problematik, und von dem Personal- und Kostenaufwand, der mit den Forschungen und daraus resultierenden Naturschutzmaßnahmen verbunden ist.
Sumpfschildkröten sind noch ein vergleichsweise einfaches und auch publikumswirksames Modell. Bei Ameisen dürfte kein Schwein dahinterkommen, ob nun dank der Verteilung von Temnothorax crassispinus unter dem Namen der nahe verwandten T. nylanderi im Verbreitungsgebiet von nylanderi „Inseln“ mit crassispinus entstehen (oder umgekehrt). Über die N-S-verlaufende Verbreitungsgrenze der beiden Arten wird zurzeit geforscht. Dort kommen von Natur aus auch Hybridisierungen vor.
Damit sind wir beim Thema 2: Biogeographie und Phylogeographie“.
„Habe eine Arbeit gelesen, bei der bei Lasius niger in einer Entfernung von 1000km keine signifikanten unterschiede zwischen Populationen festgestellt wurden. Hier wäre phylogenetische Untersuchungen sinnlos“
- Nicht ganz: Erstens muss man ja mit einer entsprechend ausgelegten Untersuchung erst mal nachweisen, dass keine Unterschiede vorliegen. Zweitens wird Lasius niger mit getopften Pflanzen usw. in weiten Teilen ihres Verbreitungsgebietes seit Jahrhunderten „homogenisiert“: Der Mangel an Unterschieden kann bereits das Ergebnis dieser Homogenisierung sein! Ihr Beispiel Lasius niger ist in diesem Zusammenhang auch ziemlich bedeutungslos, ein Einzelfall, der nicht verallgemeinert werden darf. Können Sie die Arbeit zitieren, in der Sie das gelesen haben, Autor, Zeitschrift, Jahrgang, Seitenzahlen? – Negativ-Beweise sind übrigens ganz besonders schwierig zu erbringen! Schlüsse auf andere Arten kann man nicht ziehen.
Zweifellos sind Auswirkungen von intraspezifischer Homogenisierung und Folgerungen für die Biogeographie bei selteneren Arten oder solchen mit kleinen, isolierten Reliktvorkommen eher zu beobachten und auch eher schädlich, als bei weit verbreiteten, häufigen Arten. Bei letzteren dürften Probleme, falls überhaupt, erst in sehr langen Zeiträumen bemerkbar werden.
Der Mensch ist für diese Problematik das denkbar ungeeignetste Objekt:
„Trotzdem sind beim Menschen sehr genaue Analysen gemacht worden wie die Völkerbewegungen aussahen, wer was besiedelte und zu welchem Anteil ein Mensch welcher Abstammung ist. Wenn dies beim Menschen möglich ist, wieso nicht bei Ameisen.“
- Es ist doch wohl einleuchtend, dass der Mensch ein genuines Interesse an seinem eigenen Schicksal hat, dass daher für entsprechende Forschung sehr viel Geld bereit gestellt wird. Wer aber soll solche Forschung über Ameisen finanzieren? Wer hat Interesse daran? Ergebnisse lassen sich nicht vermarkten! Deshalb werden nur einzelne einschlägige Untersuchungen durchgeführt, damit man erfährt, was prinzipiell möglich ist. Verallgemeinerung der Ergebnisse ist auch hier nicht immer sinnvoll.
„Intraspezifische Homogenisierung“ beim Menschen ist gewiss ubiquitär. Weit mehr als bei irgendeinem anderen Lebewesen. Mögliche Folgen der Hybridisierung (z.B. gesundheitlicher Art) sind durch die Zivilisation überdeckt (z.B. medizinische Hilfe). Angepasst sind wir im Wesentlichen an unsere selbst geschaffene, sehr künstliche Umwelt, die in Alaska kaum anders als in Ägypten ist (wo nötig, wird geheizt, bzw. gekühlt usw.). Kulturell geprägte Partnerwahl (Vermeidung von „Mischehen“ aller Art) dürfte einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen sich immer wieder relativ „reinerbig“ erhalten.
Stellen Sie sich aber mal die Situation vor der Hochtechnisierung vor: Ein Afrikaner aus dem Kongo würde zu den Eskimos „versetzt“. Wenn er nicht gleich erfrieren oder an der ungewohnten Fisch-, Fleisch- und Fettkost zugrunde gehen würde, könnte er mit einer Eskimofrau Mischlingskinder erzeugen. Auch diese wären sicher nicht optimal an die Lebensverhältnisse der Eskimos angepasst. Würden sie frühzeitig sterben, wäre nicht nur das Reproduktionspotential des Afrikaners, sondern auch das der Eskimofrau beeinträchtigt.
In einer kleinen Population (von Tieren) kann eine solche Verringerung des Fortpflanzungserfolges bereits die ganze Population m.o.w. deutlich näher an das Aussterben bringen.
Fazit: Ihre Überschrift „intraspezifische Homogenisierung - Sinn oder Unsinn?“ muss ich als Unsinn scharf zurückweisen!
A.B.