Myrmekochorie

Aus Ameisenwiki
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Myrmekochorie bezeichnet die Ausbreitung von Samen (Diasporen) durch Ameisen und ist eine Variation der Zoochorie.

Myrmekochorie findet man bei 30-40% der einheimischen Pflanzen, vor allem Frühblühern, krautigen Waldpflanzen und Gehölzen sowie Pflanzen der Trocken-Wiesen Verbreitung, also überall dort, wo eine hohe Ameisendichte zu erwarten ist. Die meisten Elaiosom-bildenden Pflanzen sind obligatorische Myrmekochore, jedoch gibt es auch Mischformen z. B. bei Veilchen und Stiefmütterchen, bei denen zuerst die Ballochorie (Schleudermechanismus) mit anschließend weiterer Verbreitung durch Myrmekochorie genutzt wird.

Der Vorgang der Myrmekochorie ist im Prinzip einfach: um die Samen für Ameisen interessant zu machen, fügen Pflanzen nährstoffreiche, ölhaltige Anhängsel an, die in ihrer Zusammensetzung speziell auf Ameisen und deren Bedürfnisse abgestimmt sind. Sobald die Samen ausgereift sind, öffnet die Pflanze die Samenkapseln und streut die Samen entweder auf den Boden oder lässt sie offen auf der Kapsel liegen. In den Ameisenreichen Habitaten, in denen die Myrmekochorie verbreitet ist, dauert es nicht lange und die Samen samt Elaiosomen werden durch die ersten Arbeiterinnen gefunden. Für die Ameisen sind zwar lediglich die Elaiosomen interessant, jedoch sind diese fest mit den Samen verwachsen und die Ameisen sind gezwungen, die kompletten Samen in ihr Nest zu transportieren. Im Nest, teilweise schon auf dem Weg dorthin, fressen die Ameisen die Elaiosomen ab und entsorgen die nun uninteressanten, aber intakten Samen. Die Samen werden also durch die Ameisen auf dem Weg zum Nest, in unmittelbarer Nestnähe und um den Abfallhaufen der Kolonien ausgestreut.

Vorteile der Myrmekochorie

'Welchen Vorteil hat die Myrmekochorie für die Pflanzen? Einen Großteil der Samen entsorgen die Ameisen um oder auf ihrem Abfallhaufen, der den Keimlingen durch humus- und nährstoffreiches Substrat gute Startbedingungen bietet. In Australien werden die Samen vieler Pflanzen von den Ameisen in oberflächlichen Nestkammern gelagert, wo sie bei Buschbränden erhitzt und damit keimfähig gemacht werden (Lubertazzi et al., 2010)

Welchen Vorteil hat die Myrmekochorie für die Ameisen? Die Vorteile für die Ameisen sind noch nicht genau erforscht, eine zur Zeit laufende Arbeit von FOKUHL ist noch nicht abgeschlossen, verspricht jedoch interessante Erkenntnisse. Zunächst sei auf die zusätzliche Nahrungsquelle verwiesen.

Elaiosom

Das Elaiosom ("elaion" = Öl) ist ein nährstoffreiches, zumeist helles Anhängsel an den Diasporen myrmekochorer Pflanzen. Die Elaiosomen sind speziell zum Verzehr durch Ameisen ausgebildet worden und dienen somit als Lockmittel und Belohnung, um die Ameisen zur Verschleppung und folglich Ausbreitung der Samen zu bewegen.

Das Elaiosom wird bei den Wolfsmilchgewächsen (Euphorbiaceae) Caruncula genannt.

Ein Beispiel: Der Zweiblättrige Blaustern, Scilla bifolia

Blaustern.jpg

Die Pflanze blüht besonders in Auwäldern und anderen feuchten Wäldern sehr früh im Jahr und oft in großer Zahl. Die Aufnahme hier entstand am 4. März 2007.

Scilla Fruchtstand.jpg

Fruchtstand mit Früchten am 20. April 2007. Dank Hitze und Trockenheit kam es zu einer Art Notreife. Normal hätte die Reife wohl ein paar Tage länger benötigt.

Scilla Samen mit Elaiosomen.jpg

Jede Frucht enthält ca. 3-5 Samen. An diesen finden sich die hier gelblich gefärbten Elaiosomen. Nur sie können von den Ameisen gefressen werden. Oft knabbern sie das Elaiosom bereits unterwegs beim Transport ab und verlieren den Samen, der so ein Stück weg von der Mutterpflanze gelangt.

Elaiosomen in der Ameisenhaltung

Ob die Verfütterung in der Haltung nun förderlich ist oder nicht, kann nicht zweifelsfrei beurteilt werden, zu vermuten ist es jedenfalls. Zumindest in der Natur bieten die Elaiosomen eine frühe und ergiebige Nahrungsquelle, vor allem aber auch kostengünstig, denn die Samen müssen nicht erjagt oder erledigt werden, zudem findet sich oftmals ein Massenaufkommen und somit mögliche Straßenbildung.

Da einheimischen Arten die Elaiosomen nur als Früh- bzw Zusatznahrung aufnehmen und nicht zwingend auf diese angewiesen sind, ist zu vermuten, dass die in Haltung ohnehin immer sehr reichhaltige Diät aus Honig und Insekten ausreichend ist. Nicht zuletzt ist bei Haltern oder an Instituten keine regelmäßige Zusatzfütterung mit Elaiosomen bekannt, und zumindest an Instituten ist die Vermehrung einiger Arten über mehrere Generationen mit ausschließlicher Honig/Insektendiät gelungen.

Dennoch: Elaiosomen enthalten konzentriert Inhaltstoffe, beispielsweise Glukose, Fruktose, Vitamin C, Nährstoffe, Fette und weiterer Bestandteile. Die Pflanzen müssen ihre Samen ja für die Ameisen attraktiv machen, und das scheint gelungen: Die Ameisen stürzen sich förmlich auf frische Samen mit Elaiosomen und schleppen diese umgehend ins Nest zur weiteren Verwertung. Bei rekrutierenden Arten und entsprechendem Vorkommen bilden sich schnell Straßen mit hoher Frequenz.

Elaiosomen Sammeln und Verfüttern

Bei Sammlung der Elaiosomen bitte drauf achten, keine geschützten oder seltenen Arten zu erwischen! Insbesondere am Anfang sollte eine Schote/Kapsel wohl genügen.

Sammeln und Verfüttern: z. B. das Schöllkraut bildet nach Blüte kleine Samen-Schoten aus, die mit kleinen, schwarzen Körnern mit weißen Anhang (das sind die Elaiosomen) gefüllt sind. Die aufgebrochenen Schoten oder "losen" Samen ins Formikarium geben und abwarten, bis die Ameisen Witterung aufgenommen haben.

Da Elaiosomen keine ganzjährige und stabile Nahrungsquelle darstellen bleibt zu vermuten, ob diese immer und immer gleich gerne von den Ameisen angenommen werden.

Elaiosom und Ameise sind von Größe und Gewicht aufeinander eingestellt, d. h. die Ameisen können die Samen gut eintragen und somit verteilen. Leider wissen auch erheblich kleinere, eingeschleppte Ameisenarten diese Elaiosomen zu schätzen, können oder wollen diese jedoch nicht wegschleppen = verteilen, und verzehren die "Belohnung" an Ort und Stelle. Das wiederum führt zu einer stark gestörten Ausbreitung der betroffenen, oft nur ein- oder zweijährigen Pflanze.

Myrmekochore Pflanzen

Eine kleine Auswahl an Myrmecochoren in Mitteleuropa:

Bitte beachten: Nicht alle aufgeführten Pflanzen sind für den Menschen ungiftig, also Vorsicht beim "Ernten" walten lassen.

Literatur

  • Ursula Hoffmann und Michael Schwerdtfeger: ...und grün des Lebens goldner Baum. Lustfahrten und Bildungsreisen im Reich der Pflanzen, Ulrich Burgdorf Verlag, Göttingen 1998, ISBN 3-89762-000-6
  • Angelika Lüttig & Juliane Kasten: Hagebutte & Co - Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen, Fauna Verlag, Nottuln 2003, ISBN 3-93-598090-6
  • Lubertazzi D, Lubertazzi MAA, McCoy N, Gove AD, Majer JD, Dunn RR. 2010. The ecology of a keystone seed disperser, the ant Rhytidoponera violacea. – Journal of Insect Science 10: 158 (15 pp.). http://insectscience.org/10.158/i1536-2442-10-158.pdf

In dieser Arbeit wird für Rhytidoponera violacea aus Westaustralien, beschrieben, dass die Nester bis etwa 25 cm in den Boden reichen. Es ist eine Samen sammelnde, myrmecochore Art, die einen Großteil der Samen im oberflächlichen Nestbereich lagert, wo sie bei einem der häufigen Buschbrände genügend erhitzt werden. Die Samen vieler Pflanzenarten in Australien benötigen eine solche Erhitzung um keimfähig zu werden. An der Bodenoberfläche würden sie verbrennen, aber wenn sie von den Ameisen einige Zentimeter tief gelagert werden, genießen sie gerade die „richtige“ Temperatur: Ein Beispiel für Mutualismus, da die Elaiosomen der Samen gefressen werden, aber die Samen selbst als „Abfall“ so gelagert werden, dass sie die Keimfähigkeit erlangen.

Abstract Rhytidoponera violacea (Forel) (Hymenoptera: Formicidae) is a keystone seed disperser in Kwongan heathland habitats of southwestern Australia. Like many myrmecochorous ants, little is known about the basic biology of this species. In this study various aspects of the biology of R. violacea were examined and the researchers evaluated how these characteristics may influence seed dispersal. R. violacea nesting habits (relatively shallow nests), foraging behavior (scramble competitor and lax food selection criteria), and other life history characteristics complement their role as a mutualist that interacts with the seeds of many plant species.